Was kommt nach der Inflation?
Carsten Roemheld: Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe des Fidelity Kapitalmarkt-Podcast. Mein Name ist Carsten Roemheld und in unserer heutigen Folge möchte ich über Zinsen und Inflation mit Ihnen sprechen. Denn eine der wichtigsten Fragen, die sich Anleger heute stellen, ist die, ob sich durch Corona und die Folgen des Lockdowns sowie die einschneidenden geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen längerfristige Veränderungen an den Zins- und Inflationserwartungen ergeben.
Steht uns ein grundlegender Wandel des Inflations- und Zinsgefüges bevor? Was ist heute anders als vor 10 Jahren oder auch nur vor einem?
Was hat die US-amerikanische Notenbank Fed dazu veranlasst, sich von ihrem festen Inflationsziel zu verabschieden? Sie orientiert sich stattdessen ab sofort an einem gleitenden Durchschnitt, der ihnen die Möglichkeit gibt, bei plötzlich steigender Inflation deutlich länger auf eine Zinsanhebung zu verzichten. Eine Änderung des Zins- und Inflationsszenarios hätte durchaus gravierende Folgen für alle Anlageklassen, nicht nur für Anleihen, und ist deshalb ein zentraler Faktor für die mittelfristige Asset Allocation.
Diesen Themenbereich habe ich mit Marton Huebler diskutiert, einem unserer Portfolio-Manager im Fixed-Income-Bereich, der heute für einige große Fonds im Bereich Schwellenländeranleihen mitverantwortlich ist und natürlich wie jeder Anleihespezialist das Thema Zinsen und Inflation ständig unter Beobachtung hat.
Betrachten wir zunächst einmal das Thema Inflation: Obwohl die Zentralbanken in den vergangenen Jahren ein stetiges Inflationsziel verfolgt haben, konnten wir an den tatsächlichen Inflationsraten keinerlei nennenswerte Steigerungen feststellen. Im Gegenteil: Die aktuellen Inflationsraten lagen so niedrig wie lange nicht. Die erwartete Inflation hingegen, die zum Beispiel anhand von inflationsindexierten Anleihen gemessen werden kann, steigt wiederum durchaus in den letzten Wochen und Monaten.
Zunächst habe ich Marton also nach seiner Einschätzung für die kurz-, mittel- und langfristige Entwicklung der Inflation befragt.
Marton Huebler: Kurzfristig denken wir, dass die Inflation sehr niedrig bleibt: besonders in den USA und Europa unter dem Zwei-Prozent-Ziel, da zum einen die Arbeitslosigkeit in die Höhe geschnellt ist und zum Zweiten die Nachfrage in vielen Bereichen wegen der Virusmaßnahmen und sozialer Distanzierung sehr niedrig ist, wie zum Beispiel im Dienstleistungsbereich, im Urlaubsbereich, im Bereich von Immobilien.
Mittel- und langfristig wird die Erwartungshaltung von Konsumenten und Verbrauchern wichtiger, aber trotz Quantitative Easing und finanzieller und monetärer Lockerung kann es sehr lange dauern, bis Arbeitskräfte auf der Ebene von der USA oder vielleicht sogar auf globaler Ebene knapp werden und bis sich die Inflationserwartungen von der Bevölkerung erhöhen.
Ich bin da ein Anhänger der Ketchup-Theorie der Inflation, das heißt: Inflation ist wie Ketchup. Man schüttelt und schüttelt und erst kommt lange nichts und dann vielleicht kommt mehr, als man wollte.
Carsten Roemheld: Wie sich das mit der Ketchup-Flasche verhält, können sicherlich viele aus eigener Erfahrung gut nachvollziehen. Allerdings ist uns dieses Inflationsszenario in den letzten drei Jahrzehnten so gut wie nicht begegnet. Wie wahrscheinlich ist es also, dass wir das in absehbarer Zeit erleben werden?
Wie erklärt sich aktuell überhaupt diese Diskrepanz zwischen berichteter und erwarteter Inflation? Ist das nur ein vorübergehendes Phänomen? Oder müssen wir uns längerfristig nicht vielleicht doch auf steigende Inflationszahlen einstellen?
Marton Huebler: Wie gesagt ist die aktuelle Inflation eher ein Effekt sowohl der Maßnahmen, um soziale Distanz zu schaffen, sowohl direkt durch die verringerte Nachfrage als auch indirekt durch die Rezession, die dadurch entsteht, und die höhere Arbeitslosigkeit. Die direkten Effekte sollten verschwinden, wenn der Virus selbst verschwindet, und unsere Hoffnungen stützen sich auf Impfstoffe, die vielleicht in den nächsten sechs bis zwölf Monaten marktbereit sind.
Die indirekten Arbeitsmarkt-Effekte werden viel länger bei uns bleiben. Besonders, falls die Markt-unterstützung vonseiten der Regierungen heruntergefahren werden muss, um Staatshaushalte zu schonen. Und Inflationserwartungen steigen sehr schnell, wenn die Fed den Geldhahn aufdreht und die Geldmenge erhöht. Aber die Erfahrung der Finanzkrise von 2008 zeigt, dass der Effekt der Geldmengenerhöhung auf Verbraucherpreise vielleicht erst drei, vier oder sogar fünf, sechs Jahre verzögert auftritt.
Besonders in den USA, wo die Auswirkungen von einer Währungsabwertung auf die Verbraucherpreise sehr viel kleiner ist als in anderen Ländern mit einer handelsorientierteren Wirtschaft, kann es sehr viel länger dauern, bis wirklich Inflation den Inflationserwartungen folgt und der Effekt auf Finanzwerte ist oft viel schneller und viel heftiger als auf Verbraucherpreise.
Carsten Roemheld: Das führt uns wiederum zu der Frage, warum die Inflation überhaupt so verzögert eintritt und warum die Erhöhung der Geldmenge nicht zwingend zu Kreditwachstum oder verstärktem Konsum führt. Zu diesem Punkt sagt Marton:
Marton Huebler: Die Wirkung ist oft sehr stark verzögert; um mehrere Jahre, vielleicht sogar ein halbes Jahrzehnt. Zwei Punkte sind dafür ziemlich wichtig: Zum einen ist die höhere Geldmenge nur hilfreich oder nur gefährlich, wenn sie bei Haushalten ankommt, das heißt: wenn Banken ihre Kreditrahmen erhöhen und Haushalte auch Kredite aufnehmen. Aber Banken müssen auch auf ihre Eigenkapitalraten und ihre Zahlungsausfälle achten, das heißt: Eine Verdopplung der Geldmenge in diesem Jahr führt nicht unbedingt zur Verdopplung des Konsums in dem gleichen Jahr, weil Banken natürlicherweise ihre Kredite beschränken.
Zum Zweiten hat die Erhöhung der Geldmenge und die Senkung von Zinsen eine viel unmittelbarere Wirkung auf die Preise von Finanzwerten und Immobilien. Der Effekt auf Verbraucherpreise kommt dann indirekt durch zum Beispiel höhere Mieten, höhere Rohstoffpreise und demnach Folgen durch höhere Lohnforderungen – aber höhere Lohnforderungen sind natürlich erst möglich, wenn man näher an der Vollbeschäftigung dran ist, nicht mitten in der Krise.
Und wir haben das in der letzten Krise gesehen, dass es fünf bis sechs Jahre gedauert hat, bis die Erhöhung der Geldmenge und das Quantitative Easing der Fed ein bisschen mehr Inflation ausgelöst hat.
Carsten Roemheld: Ja, aber eben nur ein bisschen. Und im Unterschied zur Großen Finanzkrise ist das Geldmengenwachstum dieses Mal recht drastisch ausgefallen.
Ein begrenzender Faktor in der Finanzkrise war allerdings, dass die stark steigende Geldmenge von einer langsameren Umlaufgeschwindigkeit des Geldes kompensiert wurde. Wenn die Mittel also nicht direkt wieder eingesetzt werden, sondern auf Bankkonten versauern, können sie auch die Wirtschaft nicht unterstützen.
Einen anderen Nebeneffekt hat Marton hier aber auch gleich angesprochen: Die überschüssige Liquidität wird aufgrund der begrenzten Anlagemöglichkeiten auf den Kapitalmärkten auch in anderen Anlageklassen angelegt: Immobilien, Gold, Oldtimer, Kunst oder Antiquitäten, ja sogar Whiskey sind Profiteure dieser Entwicklung und haben in den letzten Jahren immense Wertsteigerungen hingelegt. Ich hoffe, Sie, liebe Zuhörer, hatten in der einen oder anderen Kategorie auch Gelegenheit, daran zu partizipieren.
Einerseits steigen also Finanzanlagen und reale Assets im Preis, während die Güter in den klassischen Konsumkörben, die die Verbraucherpreise bestimmen, eher verhalten reagieren. Das sieht man deutlich an den tatsächlich berichteten Inflationszahlen. Trotzdem ertappt man sich und andere in privaten Konversationen dabei, Zweifel an diesen Zahlen aufkommen zu lassen, da die "gefühlte" Inflation deutlich höher ist.
Marton Huebler: Ein sehr wichtiger Punkt hierbei ist, dass natürlich die Inflationserwartungen von Person zu Person sehr unterschiedlich sind und ein Verbraucherpreisindex einen sehr großen Durchschnitt von dem Verbrauch von allen Leuten darstellt. Aber zum Beispiel ein Student, der zu Hause wohnt und dessen Verbrauch sehr wenig an Dienstleistungen orientiert ist, hat einen sehr unterschiedlichen Verbraucherpreisindex von einer Familie, die zum Beispiel, wie in den USA, Universitätsgebühren zahlen muss und Gesundheitsvorsorge-Kosten hat und deren Verbraucherpreise sehr, sehr stark an Dienstleistungen orientiert sind, die mit Löhnen wachsen, anstelle mit Technologie günstiger zu werden.
Zum Zweiten gibt es viel Streit darum, ob zum Beispiel Hauspreis-Inflation in den Verbraucherpreisindex reingehen soll, weil Häuser eigentlich als eine Immobilieninvestition von Statistikern angesehen werden und nicht als ein Verbrauchs- bzw. ein Kostenpunkt von Verbrauchern. Das heißt: Zum Beispiel in den USA oder auch im europäischen Raum wird stattdessen nur Mietpreisinflation ausgegeben, die oft niedriger ist.
Und zum Dritten gibt es viel Streit darum, ob Wertanpassung von Technologie oder zum Beispiel von Telefonrechnungen Sinn machen. Wenn zum Beispiel die Telefonrechnung immer noch genauso viel kostet, aber das Internet umgestellt wird von 10 Gigabyte kostenlos pro Monat auf 20 Gigabyte kostenlos pro Monat, hat sich jetzt der Preis für die Telefonrechnung halbiert. Viele statistische Agenturen sagen, dass das so angepasst wird und die Telefonrechnung günstiger geworden ist. Natürlich ist es wirklich nur der Fall, wenn man auch eine günstige Alternative haben kann – und oft ist das eigentlich nicht der Fall: Das günstigste Telefon kostet immer noch 200 Euro. Selbst, wenn es tausendmal schneller ist als die Telefone oder die Computer von vor zehn Jahren.
Von dem her: Statistisch gesehen sind die Inflationszahlen vielleicht richtig, aber besonders für Familien oder besonders im Grundverbrauch, wo man zum Beispiel Mietkosten oder Dienstleistungskosten wie zum Beispiel Gesundheitsvorsorge zahlen muss, aber Technik und Technologie, die günstiger wird, freiwillig ist (anstatt ein Muss an der Teilnahme zur Gesellschaft), ist die Erwartungshaltung, dass die Wahrnehmung von den Inflationszahlen wahrscheinlich dauerhaft etwas höher ist als das, was die Statistik wirklich sagt oder was die Statistik aufzeigt.
Carsten Roemheld: Jetzt haben wir intensiv über die wesentlichen Aspekte der Inflation gesprochen. Die Pandemie wird vermutlich dafür sorgen, dass wir kurzfristig wenig Befürchtungen haben müssen, was Inflation betrifft. Wenn aber eine Marktbereinigung stattfindet, viele Überkapazitäten aus den Märkten verschwinden, ein Trend zur De-Globalisierung weitergeht und die Fiskalprogramme der Regierungen andererseits für eine deutlich verstärkte Nachfrage sorgen, sind mittelfristig durchaus Szenarien für wieder stärker steigende Inflationszahlen denkbar.
Kommen wir aber nun zur Zinsentwicklung, die natürlich thematisch sehr eng mit der Inflationsdebatte verknüpft ist. Die ist ja schon sehr kontrovers; und selbst bei den smartesten Investoren weltweit könnten die Meinungen kaum weiter auseinanderliegen.
Bei den kurzfristigen Zinsen hingegen scheinen sich alle einig zu sein. Die bleiben niedrig, und zwar noch sehr lange. Die Fed sagte gerade erst – es war am 16.09.2020: Vor 2023 wolle man nicht mehr an der Schraube drehen. Außerdem werde man mit dem kürzlich angekündigten Regime der Fokussierung auf durchschnittliche Inflationsraten nicht mehr so schnell auf plötzlich steigende Inflation reagieren.
Die kurzfristigen, also die von den Notenbanken kontrollierten, Zinsen sind das eine. Das andere sind aber die längerfristigen Zinsen von Staatsanleihen, also beispielsweise die 10-jährigen US-Treasuries oder Bundesanleihen. Diese waren in den letzten Jahren als defensives Instrument im rekordniedrigen Zinsumfeld sehr beliebt, sodass die Renditen hier in Europa deutlich in den negativen Bereich eingetaucht sind.
Da sich diese Papiere aber normalerweise an Wachstum- und Inflationsraten orientieren und das Angebot aufgrund der immensen Schuldenprogramme in Zukunft stark zunehmen wird, war meine Frage an Marton, ob man diese Staatsanleihen in den Portfolios künftig eher meiden sollte.
Marton Huebler: Theoretisch gesehen ja; das heißt: Die massiven Fiskal-Programme könnten das Angebot an US-Staatsanleihen stark erhöhen, was deren Preise fallen lässt und Langfrist-Zinsen in die Höhe treibt – selbst, wenn kurzfristige Zinsen bei nahe null bleiben.
Praktisch gesehen passiert das in diesem Jahr wohl nicht, weil die Fed die Anleihen in ihrem QE-Programm einfach wieder aufkauft und deshalb Angebot und Nachfrage sich sehr gut balancieren. Und wenn dies in den nächsten zwei, drei, vier Jahren drohen sollte, hat die Fed immer noch die Möglichkeit zur expliziten „Yield Curve Control“ nach dem Muster der Bank of Japan, wo selbst die Androhung von Aufkäufen im Markt, um das Niveau der Yield Curve zu kontrollieren, sehr gut funktioniert hat, um die Langfrist-Zinsen auf dem gewünschten Niveau von null Prozent festzunageln.
Von dem her ist meine Erwartung, dass die Fed noch sehr viel Spielraum hat, auch das längere Ende der Zinskurve zu kontrollieren.
Carsten Roemheld: Marton ist also weniger pessimistisch, was steigende langfristige Zinsen betrifft. Was aber, wenn dieses Szenario doch eintreten sollte? Ich sehe hier durchaus ein Risiko, auch deswegen, weil der Markt nach wie vor davon auszugehen scheint, dass die Notenbanken schon dafür sorgen werden, dass auch die Renditen von langfristigen Staatspapieren niedrig bleiben. Mit der sogenannten „Yield Curve Control“ können die Notenbanken durch den Ankauf von Staatsanleihen eine Versteilerung der Zinskurve verhindern und die Renditen auf niedrigem Niveau halten. Dies gilt im Übrigen für europäische Papiere genauso wie für die US-Staatsanleihen. Wie kann sich der Anleger für ein solches Szenario vorbereiten?
Marton Huebler: Falls die Fed keinen Erfolg dabei haben sollte, die langfristigen Zinsen zu kontrollieren, könnten Sie natürlich erheblich steigen und ein zweites „Taper Tantrum“ auch bei Unternehmensanleihen und Aktien verursachen, wenn die Finanzierung für Unternehmen wieder teurer wird. In diesem Fall denken wir, dass Finanzprodukte mit kürzerer Laufzeit wie zum Beispiel High-Yield-Anleihen sowohl lukrativer als auch stabiler sind als die herkömmliche Mischung von Aktien und langfristigen Staatsanleihen.
Carsten Roemheld: Sollte das aber nicht eintreten und die Inflation trotzdem beginnen, zu steigen, dann werden sich die langfristigen Renditen weiter und tiefer in den negativen Bereich bewegen. Ist das ein realistisches Szenario?
Marton Huebler: Das ist nicht nur realistisch, das ist schon eigentlich Wirklichkeit in allen G7-Ländern im Moment und in Japan schon wohl in den letzten 25, 30 Jahren; das heißt: Die Realzinsen sind negativ in den USA, in Europa, in Großbritannien, in Japan natürlich und in diesem Fall ist ein Portfolio mit langer Laufzeit oder mit inflationsindexierten realen Cashflows hilfreich – also Gold und andere Rohstoffe, Immobilien, inflationsindexierte Anleihen, Finanztitel und Value-Aktien bieten hier eine gute Absicherung für den Fall einer steigenden Inflation und weiterer niedriger Zinsen.
Carsten Roemheld: Um diesen Gedanken noch einen Schritt weiterzuführen: Die extrem expansive Geldpolitik und der damit verbundene „Anlagenotstand“ hat schon in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass reale Anlagegüter außerhalb der Finanzmärkte enorme Wertzuwächse verzeichnen konnten. Wir hatten schon von Uhren, Kunst, Oldtimer und Whiskey gesprochen, die durch die Decke gegangen sind und damit gleichzeitig auch eine gewisse Inflationsabsicherung gewährleistet haben; selbst, wenn diese dem Anleger nicht immer unmittelbar bewusst wurde.
Marton Huebler: Solange Realzinsen niedrig oder negativ bleiben, macht es Sinn, in solche reale Assets anzulegen; auch und besonders, wenn deren Renditen bei null liegen. Solange ihr Wert mit der Inflation ansteigt oder, wie die Erfahrung zeigt, mit dem Wohlstand des reichsten Perzentils der Bevölkerung, die wahrscheinlich in einer Zinssituation noch stärker zunehmen wird, sind solche reale Assets sehr lukrativ und wahrscheinlich eine bessere Wertanlage als Staatsanleihen, die auch null Rendite bringen.
Carsten Roemheld: Lassen Sie uns zum Ende hin noch einmal die Ausgangsfrage aufgreifen und uns damit beschäftigen, wie sich das Risiko einer steigenden Inflation und steigender langfristiger Zinsen grundsätzlich auf die Kapitalmärkte auswirken kann. Zunächst haben wir in den sehr vielen vergangenen Phasen steigender Zinsen eine deutlich zunehmende Volatilität an den Kapitalmärkten beobachtet.
Weiterhin waren die Marktphasen der vergangenen 30 Jahre fast durchgehend von fallenden Zinsen begleitet. 1990 stand die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe noch bei aus heutiger Sicht kaum zu glaubenden 9 % und ist im Verlauf unter gewissen Schwankungen auf den heutigen Stand von minus 50 Basispunkten (sprich: -0,5 %) gefallen. Mehr oder weniger parallel dazu haben Wachstumsaktien den Markt dominiert, da in einer Welt mit immer weniger Wirtschaftswachstum eine Prämie für sogenannte „Growth-Werte“ von den Investoren bezahlt wird.
Sollten wir tatsächlich einen Wendepunkt bei den langfristigen Anleiherenditen sehen, dürfte der aktuell stark von Wachstum geprägte Aktienmarkt stärker in Richtung Value und Zyklik tendieren als in den Jahren zuvor. Damit erhöhen sich auch die Risiken für die großen Technologie-Konzerne, die das Marktgeschehen in den letzten Jahren klar dominiert haben. – Marton kann sich das auch durchaus vorstellen.
Marton Huebler: Ja, das Thema Wachstum und Technologie wurde stark von der Globalisierung in den letzten 20, 30 Jahren sowohl von Produktion von Gütern als auch von der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und auch Technologie unterstützt. Mit der De-Globalisierungswelle und der de-globalen Währungsbewegung der letzten Jahre und dem zunehmenden Ruf nach fairerer Besteuerung auch von Technologiefirmen könnten diese Wachstumswerte ein viel höheres Risiko in den nächsten Jahren aufweisen und wir könnten auch eine Rotation in Richtung Value erleben, wenn Value-Unternehmen durch niedrigere Zinsen ihre Schuldenquote in die Höhe schrauben können, das heißt: die Eigenkapitalrenditen erhöhen können, und diese Strategie bleibt riskanteren Wachstumsunternehmen versagt.
Von dem her kann ich es mir durchaus vorstellen, dass wir eine Rotation in Richtung Value erleben.
Carsten Roemheld: Wir leben in sehr bewegten Zeiten und die Pandemie hat sicherlich ihren Teil dazu beigetragen, bestimmte Trends an den Märkten einerseits zu verstärken, andererseits aber auch sehr harte Brüche in Teilen des gesellschaftlichen und geschäftlichen Lebens herbeizuführen. Ob uns ein solcher Bruch auch in der Zins- und Inflationslandschaft bevorsteht, haben wir heute für Sie thematisiert. Die Risiken dafür sind sicherlich gestiegen. Ob und in welcher Weise sich diese Szenarien bewahrheiten werden, hängt von vielen Variablen ab, die wir heute noch nicht vollständig einschätzen können. Wir hoffen aber, dieser Podcast hat dazu beigetragen, Ihnen die wichtigsten Punkte und Risikofaktoren dazu zu erläutern und Sie damit bei Ihrer Anlageentscheidung bestmöglich zu unterstützen.
Lassen Sie uns bitte wissen, wenn Sie Anregungen oder Themenvorschläge haben.
Vielen Dank, dass Sie heute wieder dabei waren. Ein großer Dank geht natürlich auch an Marton Huebler, der mir heute Rede und Antwort gestanden hat.
Bis zum nächsten Mal, herzliche Grüße und passen Sie auf sich und Ihre Lieben auf!
Ihr Carsten Roemheld