Der Umstieg auf erneuerbare Energien soll auch über den Kapitalmarkt finanziert werden. Wegen hoher Renditen investieren viele Anlegerinnen und Anleger aktuell aber lieber in fossile Rohstoffe. Langfristig könnte sie das teuer zu stehen kommen.

Im Dezember 2023 trafen sich Vertreterinnen und Vertreter aus mehr als 100 Staaten in Dubai, um über die Zukunft des Weltklimas zu entscheiden. Die Ergebnisse der UN-Klimakonferenz veröffentlichten sie nach 13 Tagen der Diplomatie in einer Abschlusserklärung. Konferenzpräsident Sultan Ahmed al-Jaber sprach von einem „historischen Paket“, um die globale Erwärmung auf den Zielwert von 1,5 Grad Celsius zu begrenzen1. Geplant ist eine Verdreifachung der weltweiten Kapazitäten an erneuerbaren Energien bis 2030 bei gleichzeitiger Verdopplung der Energieeffizienz.

Politisch ist der Abschied von fossilen Rohstoffen damit beschlossene Sache, und es wurden die Weichen für eine klimafreundlichere Zukunft gestellt. Am Aktienmarkt scheint die Begeisterung für nachhaltige Investitionen hingegen gerade nachzulassen. Genau von dort soll aber ein großer Teil des Kapitals kommen, das den kostenintensiven Umstieg auf die Erneuerbaren überhaupt erst finanziert.

Allein von Juli bis Oktober 2023 zogen europäische Anlegerinnen und Anleger nach Berechnungen des Fondsdatenanbieters Morningstar mehr als eine Milliarde Euro aus Aktienfonds mit dem Fokus auf alternative Energiequellen ab2. Zur gleichen Zeit flossen knapp 1,5 Milliarden Euro in Fonds aus dem Öl- und Gas-Segment. Im fossilen Sektor sind zurzeit schlichtweg die höheren Renditen zu erwarten. Nachdem viele Ölkonzerne im Jahr 2022 Rekordergebnisse erzielten, verfügten sie über genug Barreserven, um mit üppigen Dividenden zu locken3.

Auch am Anleihemarkt scheint Nachhaltigkeit an Bedeutung zu verlieren. Die Neuemission sogenannter Green Bonds blieb 2023 in Europa weit hinter den Erwartungen zurück4. Es handelt sich dabei um zweckgebundene Anleihen, mit denen ausschließlich Unternehmen und Projekte unterstützt werden, die einen Beitrag zum Umwelt-, Natur- oder Klimaschutz leisten. Zurzeit gibt es allerdings zu wenige Projekte, die sich für eine solche Finanzierung überhaupt eignen würden.

Es droht ein böses Erwachen

Jahrelang war das Thema ESG – also ein Fokus auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit sowie verantwortungsvolle Unternehmensführung – am Kapitalmarkt eines der Mega-Themen. Als Argument für einen solchen Ansatz galt jedoch selten allein die Höhe der erwartbaren Renditen. In der Debatte ging es immer auch um Risikomanagement – also darum, Investitionen in Unternehmen, Branchen und Geschäftsmodelle zu vermeiden, die in der grünen Wirtschaftswelt von morgen keinen Platz mehr haben dürften. 

Am Kapitalmarkt werden solche Titel auch als gestrandete Vermögenswerte (Stranded Assets) bezeichnet. Darunter fallen künftig nicht nur Aktien von Öl- und Gaskonzernen. Betroffen sind auch Branchen, die indirekt mit diesen Sektoren verbunden sind – zum Beispiel der Finanzsektor. Denn entgegen der politischen Marschrichtung finanzieren Großbanken wie J.P. Morgan und Citigroup nach wie vor das Wachstum der fossilen Brennstoffindustrie mit Investitionen in Billionenhöhe5. Auf der Jagd nach kurzfristigen Renditen scheinen viele Anlegerinnen und Anleger ihrem Beispiel aktuell zu folgen. 

Fazit

Ein ESG-Ansatz ist immer auch eine Investition in die Zukunft. Der fossile Sektor lockt dagegen zurzeit mit außergewöhnlichen Renditen im Hier und Jetzt. Viele Investorinnen und Investoren lassen sich von der Aussicht auf Profit verführen. Vor dem Hintergrund der politisch vorangetriebenen Energiewende sollte ein Engagement in diesem Sektor genau überlegt sein. Ansonsten besteht das Risiko, langfristig auf gestrandeten Vermögenswerten im Depot sitzenzubleiben.

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