Konjunkturelle Aussichten können wichtige Einflussgrößen etwa für die taktische Ausrichtung eines Investments sein: eine Erläuterung der wichtigsten Indikatoren für die ökonomischen Schwergewichte USA, China und Indien.
Anlegerinnen und Anleger sind von den wirtschaftlichen Aussichten für die gewichtigen Wirtschaftsräume der Welt nicht unbeeinflusst. Und das nicht zu Unrecht: Die Gewinnsituation von Unternehmen ist letztlich die ökonomische Grundlage für den Wert ihrer Aktien aber auch für ihre Zahlungsfähigkeit in Bezug auf ausstehende Anleihen. Wer Anlageportfolios in der Allokation auch regional taktisch ausrichten möchte, wird sehr genau schauen, in welchen Wirtschaftsräumen sich künftig die besseren Aussichten abzeichnen. So bewegen im Frühsommer 2024 Investorenkreise zum Beispiel Fragen wie: Schafft die US-Wirtschaft eine sanfte Landung (ohne Rezession), wird das weitere Wachstum Indiens die (hohen) Bewertungen am Aktienmarkt rechtfertigen oder gelingt es China, die selbst geplanten Wachstumsraten wieder zu erreichen?
Frühindikatoren – der Konjunktur früh auf die Spur kommen
Unter den drei großen Gruppen von Konjunkturindikatoren, die in der Investmentpraxis für die Portfolioausrichtung herangezogen werden können, nehmen Frühindikatoren eine Sonderstellung ein. Sie liefern Kennzahlen, die möglichst früh die ersten Anzeichen für eine Veränderung der Konjunktur wiedergeben. Typischerweise gehören hierzu die Einschätzungen von Unternehmen zum Geschäftsklima, die Einschätzung von Einkäufern in Unternehmen, die dafür sorgen, dass Rohstoffe und Halberzeugnisse für die künftige Produktion vorhanden sind, die Einschätzungen von Analysten zur Konjunkturerwartung und das Verbrauchervertrauen, das die künftige Konsumentennachfrage erahnen lässt. Weil sie früh „ausschlagen“ sind sie für Anlegerinnen und Anleger besonders interessant.
Die wichtigsten Frühindikatoren für die USA
Wie auch für Deutschland lassen sich für die Wirtschaft der USA oft interessante Schlüsse aus den Einschätzungen von Einkaufmanagern in Unternehmen und dem Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher auf ihre künftige Lohnentwicklung und der damit korrespondierenden Konsumbereitschaft ziehen.
Der ISM-Einkaufsmanagerindex
Der ISM Manufacturing Index oder ISM-Einkaufsmanagerindex für die Industrie basiert auf Umfragen unter Einkaufsverantwortlichen in US-Unternehmen. Er soll Aufschluss über die wirtschaftliche Entwicklung der kommenden Monate geben. Der ISM-Index hat seinen Namen vom Institute for Supply Management (ISM), das die monatlichen Erhebungen durchführt. Das ISM ist die weltweit größte Organisation von Einkaufsmanagern mit über 50.000 Mitgliedern in mehr als 100 Ländern. Die 1915 gegründete gemeinnützige Bildungsvereinigung mit Sitz in den USA dient Fachleuten und Organisationen mit einem Interesse an Angebotsmanagement, Information und Forschung.
Darstellung zur Information, Stand: Juni 2024. Darstellung: FFB
Beispiel: Werte für Mai 2025
Der ISM-Einkaufsmanagerindex für die Industrieproduktion in den USA bewegt sich seit Beginn des Jahres 2024 nach einer ausgeprägten Schwächephase im Vorjahr wieder auf leicht positivem Terrain. Nach einem Rückschritt im April, zog er im Mai auf 51,3 Punkte an. Im Juni fiel er wieder auf 50,2. Insgesamt ist die Lage fragil, die Ausschläge nicht besonders groß. Um die aktuellen Werte in einen historischen Kontext zu stellen: Das Allzeithoch des ISM-Index stammt aus dem Juli 1950: Damals wurden 77,5 Punkte ermittelt. Im Mai 1980 markierte der Index mit 29,4 Punkten sein Allzeittief.
Als Warnzeichen gilt in Ökonomenkreisen, dass ein weiterer wichtiger Subindex – der für Neuaufträge – auf 45,4 (Vormonat: 49,1) gefallen ist. Der aus den Indikatoren Produktion, Auftragseingang, Beschäftigung, Lieferzeiten und Lagerbestand zusammengesetzte ISM-Gesamtindex fiel damit leicht von 49,2 im Vormonat auf 48,7 Punkte. Dabei hatten Ökonomen einen leichten Anstieg erwartet.1
Neben den Werten des Index für das verarbeitende Gewerbe/Industrie (Manufacturing) findet auch der Index für Dienstleistungen (Services) Beachtung.
ISM-Einkaufsmanagerindex der Industrieproduktion in den USA: Juni 2022 bis Juni 2024
Juni 2022 bis Juni 2024. Saisonbereinigt. Quelle:Statista/ISM, ISM-Markit, Markit. Stand: Juni 2024
Tipp
Die jeweils aktuell veröffentlichten Werte des ISM-Einkaufsmanagerindex direkt abrufen unter: https://www.ismworld.org/supply-management-news-and-reports/reports/ism-report-on-business/
US-Konsumklimaindex (CCI)
Der US-Konsumklimaindex (U.S. Consumer Confidence Index (CCI)) wurde 1985 erstmals vom Marktforschungsinstitut „The Conference Board“ veröffentlicht. Damals mit dem Basiswert von 100 Punkten. Laut The Conference Board liegt die Grenze, ab der sich die US-Wirtschaft in einer Expansionsphase befindet, bei 90 Punkten. Der Durchschnitt des Verbrauchervertrauens in den Phasen mit stabiler wirtschaftlicher Entwicklung beträgt 110 Punkte.
Darstellung zur Information, Stand: Juni 2024. Darstellung: FFB
Beispiel: Werte für Mai 2024
Der US-Konsumklimaindex hat sich im Mai 2024 auf einen Stand von 102 Punkten durchaus erholt. Dabei stieg der Erwartungsindex – basierend auf den kurzfristigen Aussichten für die Einkommens-, Geschäfts- und Arbeitsmarktbedingungen - zwar auch von 68,8 im Vormonat auf 74,6. Doch obwohl dies die vierte Verbesserung bei der Einschätzung der Erwartungen in Folge war, lag der Wert damit noch immer unter 80 Punkten – der Schwellenwert, unter dem eigentlich der Index eine Rezession voraus signalisiert.
US-Konsumklimaindex (CCI): Mai 2022 bis Mai 2024
100 = 1985. Saisonbereinigt. Quelle: Statista/The Conference Board/Nieslen (USA), saisonbereinigt, Stand 28.05.2024
Tipp
Die jeweils aktuell veröffentlichten Werte des US-Konsumklimaindex (CCI) direkt abrufen unter: https://www.conference-board.org/topics/consumer-confidence
US Leading Economic Index® (LEI)
The Conference Board, Inc., ist eine gemeinnützige Organisation und Forschungsgruppe. Sie zählt über 1.000 öffentliche und private Unternehmen und andere Organisationen in 60 Ländern zu ihren Mitgliedern. Als Herausgeberin des US Leading Economic Index® (LEI) verrechnet sie zehn unterschiedliche Indexdaten und andere ökonomische Größen zu einem möglichst aussagekräftigen Frühindikator für die US-Wirtschaft.
Darstellung zur Information, Stand: Juni 2024. Darstellung: FFB
Beispiel: Werte im Mai 2024
Der Conference Board Leading Economic Index® (LEI) für die USA sank im April 2024 um 0,6 Prozent auf 101,8 (2016=100). Zuvor war er im März bereits um 0,3 Prozent gesunken. Im Sechsmonatszeitraum zwischen Oktober 2023 und April 2024 schrumpfte der LEI um 1,9 Prozent. Das war ein geringerer Rückgang als in den vorangegangenen sechs Monaten (3,5 Prozent). Diese Trendwende gibt nach Meinung der Herausgeber den Ausschlag, auf Basis des LEI kein Signal für eine Rezession mehr abzuleiten.
Die Meldung des Conference Board dazu: „Ein weiterer Rückgang des LEI in den USA bestätigt, dass die wirtschaftliche Lage sich weiter verschlechtert hat“, sagte Justyna Zabinska-La Monica, Senior Managerin für Konjunkturindikatoren bei The Conference Board. „Die Verschlechterung der Konjunkturaussichten der Verbraucher, schwächere Auftragseingänge, ein negativer Renditespread und ein Rückgang der Baugenehmigungen trugen zum Rückgang im April bei. Darüber hinaus trugen die Aktienkurse zum ersten Mal seit Oktober letzten Jahres negativ bei. Zwar deuten die Sechsmonats- und Jahreswachstumsraten des LEI nicht mehr auf eine bevorstehende Rezession hin, doch deuten sie nach wie vor auf erheblichen Gegenwind für das bevorstehende Wachstum hin. In der Tat dürften die hohe Inflation, die hohen Zinsen, die steigende Verschuldung der privaten Haushalte und die aufgebrauchten Ersparnisse der Pandemie die US-Wirtschaft auch im Jahr 2024 belasten. Infolgedessen gehen wir davon aus, dass sich das reale BIP-Wachstum im Zeitraum von Q2 bis Q3 2024 auf unter 1 Prozent verlangsamen wird.“2
LEI, sechsmonatige Wachstumsrate bis April 2024
Quelle: The Conference Board. Stand: 17. Mai 2024
Tipp
Die jeweils aktuell veröffentlichten Werte des US Leading Economic Index direkt abrufen unter: https://www.conference-board.org/topics/us-leading-indicators
Wichtige Frühindikatoren für China und Indien
Wie für die US-Wirtschaft wird auch für die gigantischen aufstrebenden Volkswirtschaften China und Indien ein Einkaufmanagerindex (PMI) erhoben. Nicht zuletzt aufgrund seiner methodischen Vergleichbarkeit zu dem langjährig etablierten US-Index wird dieser in Expertenkreisen häufig genutzt.
China-Einkaufsmanagerindex (PMI)
Der privat erhobene Caixin PMI ist methodisch dem US-Einkaufsmanagerindix (PMI) vergleichbar. Basierend auf der Befragung von Einkaufsmanagern privater Unternehmen in China wird ein Indexwert errechnet. Liegt dieser unter 50 deutet dies auf eine Abschwächung der Wirtschaft hin, über 50 gilt der Wert als positives Signal.
Darstellung zur Information, Stand: Juni 2024. Darstellung: FFB
Beispiel: Werte für Mai 2024
Der China-Einkaufsmanagerindex (Caixin PMI) für das verarbeitende Gewerbe stieg im Mai auf 51,7 von 51,4 im Vormonat. Seit Januar 2024 ist der Index damit auf positivem Terrain über 50 Punkte und stieg viermal in Folge, was auf ein weiter robustes Wachstum hindeutet.
China-Einkaufsmanagerindex (Caixin PMI): Mai 2022 bis Mai 2024
Quelle: Statista/ Caixin, S&P Global, Stand 02.06.2024
Neben dem gezeigten China-Einkaufsmanagerindex (Caixin PMI) gibt es den offiziell vom chinesischen National Bureau of Statistics herausgegebenen Einkaufsmanagerindex für die Industrie. Er basiert auf der Befragung von rund 3.000 Managern in überwiegend staatlichen Großunternehmen – bei sonst ähnlicher Methodik. Interessanterweise zeigen die Indexwerte dieser staatlichen Erhebung im Mai eine Abkühlung von 50,4 Punkten im April auf 49,7 Punkte. In Expertenkommentaren wird dieses uneinheitliche Bild auf eine möglicherweise im Vergleich bessere Lage bei den stärker exportorientierten, kleineren Unternehmen zurückgeführt.3
Tipp
Die jeweils aktuell veröffentlichten Werte des China-Einkaufsmanagerindex (Caixin PMI) direkt abrufen unter: https://www.caixinglobal.com/economy
India-Einkaufsmanagerindex (PMI)
Auch dieser Einkaufsmanagerindex (HSBC India Manufacturing PMI) wird nach derselben Systematik erhoben wie der in den USA und China. Auch hier bedeuten Punktwerte über 50, dass die Zeichen auf Wachstum stehen.
Darstellung zur Information, Stand: Juni 2024. Darstellung: FFB
Beispiel: Werte für Mai 2024
Zum zweiten Mal in Folge fiel der Index von seinem langjährigen Höchststand im März 2024 auf nun 57,5 Punkte im Mai. Angesicht des hohen Niveaus, das Indien weiter auf dem Kurs klarer wirtschaftlicher Expansion sieht, ist das nicht dramatisch. Etwas verlangsamt zeigte sich das Wachstum (!) der aktuellen Produktion ebenso wie das Wachstum der Neuaufträge. Allerdings beschleunigte sich das Wachstum bei den Exportaufträgen sogar noch – und das bei einem geografisch breit gestreuten Kundenstamm.
India-Einkaufsmanagerindex (PMI): Mai 2022 bis Mai 2024
Quelle: Statista/S&P Global, Stand 03.06.2024
Dasselbe Bild eines Rückgangs auf hohem Niveau zeichnet übrigens der Einkaufsmangerindex für den Dienstleistungsbereich Indiens (IHS Markit India Services PMI). Auch die Werte dieses unter 350 Managern von Dienstleistungsunternehmen erhobenen Index fielen viermal in Folge – allerdings noch immer auf einen beachtlichen Stand von 60,2 Punkten im Mai 2024.
Tipp
Die jeweils aktuell veröffentlichten Werte des India-Einkaufsmanagerindex (Manufacturing) direkt abrufen unter: https://www.pmi.spglobal.com/Public/Release/PressReleases?language=de
1 „ISM-Index für US-Industrie sinkt im Mai“, finanzen.net, 3.6.2024
2 The Conference Board, 17. Mai 2024
3 The Wallstreet Journal, „China Caixin PMI Signals Faster Manufacturing Growth in Contrast to Official Gauge“, 02.06.2024
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