Chinas neue günstige KI-Modelle setzen die US-Platzhirsche unter Druck. Manche Anleger fürchten schon, dass die Nachfrage nach High-End-Hardware schrumpft, wenn es auch ohne geht. So könnten sich die Machtverhältnisse verschieben.

Im Januar 2025 stellte das chinesische Start-up DeepSeek ein neues KI-Sprachmodell vor und sorgte damit weit über die Branche hinaus für Aufsehen. Einige Expertinnen und Experten sprachen von einem „Sputnik-Moment“¹ der künstlichen Intelligenz. Ähnlich wie im Jahr 1957, als die Sowjetunion überraschend den ersten Satelliten ins All schoss und den Westen in Verlegenheit brachte, fordert China nun die Dominanz des US-amerikanischen Tech-Sektors heraus. Laut DeepSeek wurde das neue Sprachmodell in nur wenigen Monaten und mit geringem Budget einwickelt. Trotzdem scheint es dem Marktführer ChatGPT aus den USA in einigen Punkten überlegen² zu sein.

An den Finanzmärkten löste die Nachricht einen Ausverkauf von US-amerikanischen Tech-Aktien aus. Besonders hart traf es Nvidia. Der Hersteller moderner Hochleistungschips gehört zu den größten Profiteuren der KI-getriebenen Aktienmarktrally der vergangenen Jahre. Kurzfristig verlor das Unternehmen umgerechnet 600 Milliarden US-Dollar³ an Börsenwert.

Inzwischen kursieren Zweifel an der Behauptung, das chinesische Sprachmodell sei mit besonders günstiger, teils gar veralteter Hardware⁴ entwickelt worden. Einige Analystinnen und Analysten vermuten vielmehr, dass DeepSeek Zugriff auf bis zu 60.000 Nvidia-GPUs⁵ hatte – darunter hochmoderne H100-Chips, die aufgrund von US-Exportbeschränkungen eigentlich gar nicht nach China gelangt sein dürften.

So oder so: Die Kosteneffizienz ist und bleibt eine der großen Herausforderungen im KI-Sektor. Die Ergebnisse unserer Analystenumfrage zeigen auf, dass ein Rentabilitätsschub durch den Einsatz von KI im Jahr 2025 unwahrscheinlich ist. Das Ziel, leistungsfähige KI-Modelle mit weniger Aufwand zu realisieren, bleibt noch ein gutes Stück entfernt. 

Effizienz als Wachstumsbeschleuniger 

Was ein Sprung bei der Effizienzsteigerung für den KI-Markt bedeuten könnte, zeigt ein Blick zurück ins 19. Jahrhundert. Damals kamen deutlich effizientere Dampfmaschinen auf den Markt, man erwartete einen sinkenden Bedarf an Kohle. Das Gegenteil trat ein: Der britische Ökonom William Stanley Jevons beobachtete vielmehr, dass der Einsatz von Dampfmaschinen durch die höhere Effizienz so viel günstiger wurde, dass die Gesamtnachfrage nach Kohle stieg und nicht sank. Dieses Phänomen ist heute als „Jevons-Paradoxon“⁶ oder „Rebound-Effekt“ bekannt.

Übertragen auf die KI-Branche bedeutet das: Effizienzsteigerungen könnten zu einer massiven Marktausweitung führen. KI-Modelle mit geringerer Rechenleistung wären im Einsatz günstiger und würden womöglich viel breiter genutzt werden. Die Gesamtnachfrage auch nach KI-Hardware würde dann steigen. 

Für Branchenriesen wie Nvidia wäre diese Entwicklung trotzdem ein zweischneidiges Schwert. Einerseits bietet ein breiterer Markt neue Absatzchancen, andererseits würden die Margenmodelle der High-End-Anbieter unter Druck geraten. Denn die Vorteile einer Monopolstellung, wie sie Nvidia derzeit de facto vielfach genießt, dürften sich in einem demokratisierten KI-Markt kaum aufrechterhalten lassen.

Nvidia-CEO Jensen Huang sieht die Situation gelassen. Der jüngste Aktienausverkauf sei auf ein Missverständnis zurückzuführen. Einige Investorinnen und Investoren hätten wohl geglaubt, dass KI nur aus einmaligem Training bestehe und die anschließende Nutzung keinen Aufwand mehr bedeute. Tatsächlich spiele aber das sogenannte Post-Training eine Schlüsselrolle. KI-Modelle müssten kontinuierlich angepasst, aktualisiert und optimiert werden. Und all diese Prozesse erforderten dauerhaft hohe Rechenkapazitäten und nach wie vor leistungsstarke Hardware, so Huang.

Fazit

Die Debatte rund um DeepSeek zeigt: Die KI-Rally der Vorjahre beruht auf Annahmen, die schnell ins Wanken geraten können – unter anderem auf der Wette, dass die KI-Entwicklung immer mehr Rechenkapazitäten benötigt. Sollten KI-Modelle aber durch Effizienzsteigerungen erschwinglicher und weniger aufwendig werden, könnte das die Kräfteverhältnisse verschieben. Die technologische Vormachtstellung der USA und der etablierten Branchenriesen ist nicht in Stein gemeißelt.

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