Seit über zwei Jahren kündigt ein bewährter Frühindikator eine drohende Rezession in den USA an. Bislang zeichnete sich die US-Wirtschaft aber vor allem durch Stärke aus. Doch es zeichnen sich Risse ab.
Ein klassisches Frühwarnsignal für eine bevorstehende Rezession hat in den letzten zwei Jahren permanent Alarm1 geschlagen. Seit Juli 2022 fällt die Zinskurve in den USA. Das bedeutet, dass die Zinsen für längere Laufzeiten seither geringer sind als die für kürzere Laufzeiten. Normalerweise ist das Gegenteil der Fall und Anlegerinnen und Anleger werden für eine längere Kapitalbindung mit steigenden Zinsen belohnt. Experten bezeichnen diese ungewöhnliche Struktur als inverse Zinskurve. Sie spiegelt Pessimismus am Anleihemarkt wider: Denn in der Regel gerät die Wirtschaft kurz darauf ins Straucheln, was Zentralbanken wiederum zu Zinssenkungen veranlassen sollte. Bislang lässt eine Rezession in den USA aber auf sich warten.
In den vergangenen 50 Jahren folgte auf eine inverse Zinskurvenstruktur nur ein einziges Mal2 kein Abschwung. Ansonsten war sie stets ein zuverlässiger Vorbote einer Rezession. Nun diskutieren Ökonomen bereits, ob der Indikator womöglich an Relevanz verloren haben könnte. Schließlich gilt eine sanfte konjunkturelle Landung derzeit als wahrscheinlichstes US-Wirtschaftsszenario - auch laut unseren Analystinnen und Analysten.
Warum also sollte der Rezessionsindikator diesmal falschliegen? Dafür sprechen einige Gründe: So hat die US-Regierung bereits während der Pandemie begonnen, die Konjunktur durch großzügige fiskalpolitische Maßnahmen zu stützen, woran sie auch weiterhin festhält. Zwar ist das Rezessionsrisiko durch die jüngste Straffung der Geldpolitik gestiegen, doch folgt der Zinsanstieg auf eine jahrzehntelange Niedrigzinsphase mit hoher Liquidität. Die langjährige Kombination aus lockerer Geld- und Fiskalpolitik könnte, so eine verbreitete Lesart, den traditionellen Zusammenhang zwischen Zinskurve und Konjunktur verzerrt haben.
Späte Abkühlung?
Die inverse Zinskurve grundsätzlich als Schwäche-Indikator abzuschreiben, wäre voreilig. Denn die Zeitspanne zwischen dem Beginn einer inversen Zinskurvenstruktur und dem Ausbruch einer Rezession kann stark variieren. Historisch betrachtet dauerte es durchschnittlich ein bis zwei Jahre3, bis der Abschwung einsetzte. Auch wenn die Rezession in den vergangenen zwei Jahren ausgeblieben ist, ist sie also keineswegs vom Tisch. Tatsächlich deuten aktuelle Konjunkturdaten inzwischen zunehmend auf Schwächezeichen der US-Wirtschaft hin.
Risse zeigt unter anderem der sogenannte ISM Services Index, der die wirtschaftliche Aktivität im Dienstleistungssektor in den USA misst und als wichtiges Konjunkturbarometer des Landes gilt. Lag er im Mai noch bei 53,8 Prozent, fiel er im Juni auf 48,84 Prozent. Ein Wert unter 50 Prozent signalisiert eine rückläufige Entwicklung und lässt Marktbeobachter:innen aufhorchen. Auch der Index für neue Aufträge im Servicebereich blieb zuletzt deutlich hinter den Erwartungen zurück und rutschte ebenso unter die 50-Prozent-Marke4.
Auch der heiß gelaufene US-Arbeitsmarkt kühlt langsam etwas ab. Ende Juni stieg die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe im Vergleich zur Vorwoche um 4.000 auf insgesamt 238.0005 und lag damit über den Prognosen. Bereits seit Mitte Mai weist hier der Trend nach oben. Die Zahl der fortlaufend gemeldeten Arbeitslosen befindet sich schon seit November 2021 auf dem höchsten Stand. Und der ADP National Employment Report lieferte zuletzt enttäuschende Zahlen6: Im Juni wurden nur 150.000 neue Stellen geschaffen, der niedrigste Stand seit fünf Monaten.
Fazit
Die Zinskurve in den USA steht seit zwei Jahren Kopf. Und obwohl die Inversion als verlässlicher Indikator für eine Rezession gilt, wächst die Wirtschaft weiter. Die jüngsten Konjunkturdaten lassen jedoch ein Ende des Aufschwungs befürchten. Selbst wenn die US-Wirtschaft in diesem Jahr sanft landen sollte, könnte im kommenden Jahr noch ein Einbruch folgen – und dem Indikator recht geben.
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