Lange Zeit war es erstaunlich ruhig am US-Aktienmarkt, nun spricht einiges für eine neue Phase mit stärkeren Schwankungen. Das ist kein Grund zur Sorge, sondern eher ein Schritt in Richtung Normalität.

Der US-Aktienmarkt erlebte im vergangenen Jahr eine fast ununterbrochene Aufwärtsphase. Der S&P 500 brach einen Rekord nach dem anderen, ohne dass die Kurse nennenswert schwankten.¹ Doch Anfang August schoss der wichtigste Volatilitäts-Index VIX, der die Schwankungen an der Chicagoer Optionsbörse misst, nach dem Einbruch des japanischen Marktes an einem einzigen Handelstag auf 65 Punkte² in die Höhe – der höchste Stand seit Beginn der Corona-Pandemie und ein Ausdruck extremer Kursschwankungen. 

Der VIX-Index ist auch als Angstbarometer bekannt. Er misst in Echtzeit, welche Kursschwankungen Investorinnen und Investoren für den S&P 500 in den kommenden 30 Tagen erwarten. Ein Wert unter 20 Punkten signalisiert ein stabiles Marktumfeld, während Werte über der 30er-Marke auf Stress, Skepsis und zunehmende Unsicherheit hindeuten.³

Die gute Nachricht: Nach seinem sprunghaften Anstieg hat sich der VIX schnell stabilisiert. Doch die Nervosität an den Märkten bleibt. Schließlich geht das Rennen um das Weiße Haus in den Endspurt. Historisch gesehen ist der Oktober eines Wahljahres im Schnitt um durchschnittlich 35 Prozent volatiler⁴ als der Rest des Jahres. Zu den geopolitischen Risiken kommen auch noch konjunkturelle Sorgen. Die US-Wirtschaft wächst langsamer als noch vor einigen Monaten. Und der Arbeitsmarkt kühlte zuletzt deutlich ab.

Ruhe als Anomalie

Es spricht also einiges dafür, dass die Volatilitätsspitzen den Beginn einer neuen Phase markieren, das Ende des ruhigen Aufstiegs. Ökonominnen und Ökonomen unterscheiden dabei zwischen der sogenannten impliziten Volatilität, welche die Erwartung für die Zukunft widerspiegelt, und der historischen Volatilität, die vergangene Marktbewegungen analysiert. 

Aus historischer Sicht ist eine so lange schwankungsarme Episode wie zuletzt eher die Ausnahme als die Regel. In den vergangenen 50 Jahren gab es lediglich vier Phasen, in denen der S&P 500 ähnlich widerstandsfähig gegen Abwärtsbewegungen war wie in den 352 Handelstagen bis Ende Juli 2024.⁵ Besonders in Erinnerung geblieben ist das Jahr 2017, als der US-Leitaktienindex an lediglich acht Handelstagen mehr als ein Prozent verlor.⁶ Als die Volatilität damals ein Jahr später zurückkehrte, war die Bestürzung umso größer. Dabei war 2018 eigentlich kaum volatiler als ein durchschnittliches Börsenjahr.

So könnte es auch diesmal sein. Nach einer Hausse vergessen wir allzu schnell, dass Finanzmärkte von Natur aus schwanken. Der Grund: Bei jeder Aktienmarktrally entstehen Übertreibungen und Bewertungslücken, Ineffizienzen, die irgendwann Korrekturen erfordern und an anderer Stelle neue Chancen eröffnen. Dann ist es oft besser, langfristig investiert zu bleiben und keine überstürzten Anlageentscheidungen zu treffen. Ganz so, wie Starinvestor Peter Lynch einst treffend bemerkte: „Es wurde weit mehr Geld von Investoren verloren, die versuchten, Korrekturen zu antizipieren, als durch die Korrekturen selbst.“⁷

Fazit

Anlegerinnen und Anleger sollten sich wieder auf stärkere Kursschwankungen einstellen. Eine Rückkehr der Volatilität wäre dabei eine Rückkehr zur Normalität, bei der die enorme Risikofreude der vergangenen Monate defensiveren Ansätzen und neuen Chancen weichen dürfte. Diversifizierte Portfolios, Value-Aktien und Wachstumstitel mit angemessenen Bewertungen könnten sich in einem solchen Marktumfeld langfristig bewähren.

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