In mehr als 60 Ländern wird in diesem Jahr gewählt. Rund 3,6 Milliarden Menschen¹, etwa 45 Prozent der Weltbevölkerung, entscheiden über die Zukunft ihres Landes. Keine Wahl dürfte aber so sehr im Fokus der Öffentlichkeit stehen wie die US-Präsidentschaftswahl, bei der sich der aktuelle Amtsinhaber Joe Biden und sein Vorgänger Donald Trump erneut als Kontrahenten gegenüberstehen.

Für viele Anlegerinnen und Anleger ist die bevorstehende Präsidentschaftswahl in der weltweit größten Volkswirtschaft Anlass zur Sorge. Immerhin entscheidet sich dabei, welcher politische und wirtschaftliche Kurs in der nächsten Legislaturperiode eingeschlagen wird. Selten waren die beiden Lager weiter voneinander entfernt als dieses Mal. In den Monaten vor dem Wahltag steigt daher regelmäßig die Nervosität – und damit womöglich auch die Schwankungen an den Aktienmärkten. Die Unsicherheit über den Wahlausgang führt nicht nur zu parteipolitischen Debatten, sondern beeinflusst auch Anlageentscheidungen. So lässt sich jede öffentliche Äußerung eines Kandidaten während des US-Wahlkampfs zum Gegenstand umfassender Marktanalysen machen. Das Ergebnis: Laut einer Umfrage der US-Finanzplattform FinanceBuzz wollen 45 Prozent der Nutzer² beider politischen Lager wichtige finanzielle Entscheidungen lieber erst nach der Wahl treffen.

Keine großen statistischen Ausreißer

Ein Blick in die Historie zeigt Erstaunliches: Demnach sind Wahljahre für die Börsen weitaus häufiger positiv als negativ. In den vergangenen 100 Jahren hat sich der US-amerikanische Leitaktienindex S&P 500 selbst in heißen Wahlkampfphasen meist gut geschlagen; seit 1928 schloss er in 20 von 24 Wahljahren³ im Plus. Die durchschnittliche Rendite in Wahljahren lag bei beachtlichen 7,5 Prozent⁴. Mit durchschnittlichen Indexgewinnen von acht Prozent war die Performance in Jahren ohne Wahlkampftrubel nur unwesentlich besser. 


Riskant wird es erst, wenn Anlegerinnen und Anleger auf den Sieg eines Kandidaten spekulieren und ihr Portfolio auf vermeintliche Gewinner-Positionen ausrichten. In den vergangenen 50 Jahren wäre man damit jedenfalls schlecht gefahren. Historische Daten zeigen keinerlei Muster⁵, mit denen sich etwa die Performance bestimmter Sektoren nach dem Sieg von Demokraten oder Republikanern vorhersagen ließe. 

Das belegen auch die Amtszeiten der aktuellen Kandidaten. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass ausgerechnet unter Donald Trump, der sich nie als Fürsprecher der Energiewende hervorgetan hat, grüne Werte zu den Gewinnern gehören? Das lag eben weniger am US-Staatschef als an der boomenden ESG-Bewegung. Genau umgekehrt verhielt es sich unter Joe Biden. Bei ihm haussierten wegen der vielen Kriege und Krisen die großen Ölkonzerne. In beiden Fällen hätten Erwartungen eines politischen Richtungswechsels wohl zu einem unterlegenen Portfolio geführt.

Fazit

Ein Wahljahr kann die Börsenstimmung erheblich anheizen. Historisch gesehen halten sich die Auswirkungen auf die Aktienmärkte aber in Grenzen. Anlegerinnen und Anleger sollten Investmententscheidungen nicht von Schlagzeilen und Wahlkampflärm abhängig machen, und schon gar nicht auf die vermeintlichen Gewinner eines bestimmen Wahlausgangs setzen. Besser ist es, sich an den Fundamentaldaten zu orientieren: Inflation, Zinsentwicklung und US-Konjunktur dürften die Aktienperformance in diesem Jahr weitaus stärker beeinflussen als die Entscheidung am 5. November.

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