Während große Konzerne an der Börse durchstarten, fallen Unternehmen mit geringer Marktkapitalisierung immer weiter zurück. Günstige Bewertungen eröffnen Räume für eine Aufholjagd. Für den Einstieg in Nebenwerte könnte es aber noch zu früh sein.

Zwischen Unternehmen mit hoher und niedriger Marktkapitalisierung tut sich eine immer größere Performance-Kluft auf: Während etwa der US-amerikanische Leitaktienindex S&P 500 in den vergangenen fünf Jahren um 83 Prozent zulegte, verzeichnete der Russell 2000 im selben Zeitraum nur ein Wachstum von bescheidenen 32 Prozent.¹ Bei diesem Index handelt es sich um einen sogenannten Small Cap Index, der ausschließlich die Kursentwicklung von US-Titeln mit geringem und mittlerem Börsenwert nachvollzieht. 

Ganz ähnlich sieht es im Hinblick auf den deutschen Aktienmarkt aus. In den vergangenen drei Jahren hat der DAX, also das Kursbarometer der 40 größten Titel an der deutschen Börse, um 19 Prozent zugelegt, während der Nebenwerte-Index SDAX um sieben Prozent geschrumpft ist.² Dabei waren es gerade die börsennotierten Mittelständler, die deutsche Konzerne über zwei Jahrzehnte in den Schatten stellten.³

Die unterschiedlichen Wertentwicklungen brechen mit einem historischen Trend: Danach wachsen kleinere Unternehmen tendenziell schneller und werfen auch höhere Renditen ab als die Dickschiffe an der Börse. Für tendenziell höhere Kurse mussten Anlegerinnen und Anleger bisher meist eine höhere Volatilität in Kauf nehmen⁴. Aktuell scheinen aber nur wenige Marktteilnehmende bereit zu sein, derartige Schwankungsrisiken einzugehen. Zudem hat die jüngste Aktienmarktrally im Zuge des KI-Booms eindrucksvoll bewiesen, dass auch mit US-amerikanischen Large Caps hohes Wachstum möglich ist. Gleichzeitig spüren kleinere Unternehmen die Last höherer Zinsen früher und härter.  

Denn rund 40 Prozent der Schulden, die die Unternehmen im Russel 2000 in den Bilanzen stehen haben, weisen kurze Laufzeiten auf oder sind variabel verzinst. Beim S&P 500 sind nur sieben Prozent des Fremdkapitals solchen kurzfristigen Zinsausschlägen ausgesetzt.⁵ Erhöhte Kapitalkosten setzen bilanzschwächere Unternehmen massiv unter Druck, sodass die Kurse im Small Cap-Segment äußerst sensibel auf Notenbanksignale reagieren – und zwar in beide Richtungen: Als Fed-Chef Jerome Powell im März 2024 davon sprach, den Leitzins im Jahresverlauf um 75 Basispunkte senken zu wollen, überholte der Russell den S&P noch am selben Tag⁶. 

Einstieg mit Abschlag? 

In den vergangenen Jahren hat sich nicht nur die Performance entlang der Marktkapitalisierung stark auseinanderentwickelt. Auch die Bewertungsschere ging weiter auf. Historisch werden Nebenwerte zu ähnlichen Bewertungsmultiplikatoren gehandelt wie die Titel des Standardwerteindex S&P 500. Investoren waren also in der Vergangenheit bereit, für kleinere Unternehmen im Verhältnis zu Gewinn, Umsatz und anderen finanziellen Kennzahlen ähnliche Preise zu bezahlen. Der jüngste Boom der Schwergewichte hat dieses Verhältnis verzerrt: Small Caps werden am Markt aktuell zu rekordverdächtigen Abschlägen gehandelt⁷.   

Für den Einstieg in die Anlageklasse könnte es trotz der günstigen Bewertungslage zu früh sein. In der Vergangenheit haben sich nämlich Phasen einer beginnenden wirtschaftlichen Abkühlung als bestes Umfeld für Small Caps erwiesen. In den drei Jahren, die auf eine Rezession folgten, überflügelte der Russell 2000 den S&P 500 durchschnittlich gar um 22 Prozent⁸. Angesichts des weiterhin robusten Wachstums in den USA ist man aktuell weit von diesem Szenario entfernt.  

Einen Wendepunkt dürfte dagegen der Ausblick auf neuerliche Zinssenkungen markieren. Die Europäische Zentralbank hat im Juni bereits den ersten Zinsschritt vollzogen. Ob die Währungshüter aus den USA ihrem Beispiel in absehbarer Zeit folgen, hängt von der Inflation ab, die sich bislang hartnäckig hält. Nimmt hier der Druck ab, könnten Small Caps zu den Gewinnern zählen. 

Fazit 

Das aktuelle Zinsniveau in den USA bremst kleinere Börsenunternehmen, die performance-technisch zurückfallen, sodass Durchhaltevermögen gefragt ist. Angesichts der günstigen Bewertungslage mag ein Engagement im Small Cap-Segment verlockend erscheinen. Doch solange keine großen Zinssenkungen in Aussicht stehen, sollten Anlegerinnen und Anleger vorsichtig bleiben.

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Holger Schwarze

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Head of Institutional Asset & Pension Management Marketing