Ein Crash hat die Rekordserie am japanischen Aktienmarkt abrupt beendet. Die Suche nach der Ursache führt in den internationalen Devisenhandel. Zudem spricht einiges dafür, dass nach enormen Kurssteigerungen eine Korrektur fällig war.

Am 5. August brach der japanische Leitaktienindex Nikkei 225 um mehr als zwölf Prozent ein.¹ Dies war der größte Tagesverlust an Japans Börse seit dem „Schwarzen Montag“ im Jahr 1987. Mitte der 1980er-Jahre befand sich Japan auf dem Höhepunkt seiner Wirtschaftsmacht. Gegen Ende der Dekade begann eine Phase des Niedergangs, die von wirtschaftlicher Stagnation und Deflation geprägt war. Mehr als drei Jahrzehnte lang mieden Anlegerinnen und Anleger weltweit den einst größten Aktienmarkt der Welt. 

Inzwischen hat Japan als Anlageregion ein spektakuläres Comeback erlebt. Spätestens seit Investment-Legende Warren Buffett vor rund fünf Jahren begann, in großem Stil in Japan zu investieren, ist ein Nachfrageboom bei privaten und institutionellen Anlegern zu verzeichnen. Im vergangenen Jahr legte der Nikkei dann um beeindruckende 30 Prozent² zu. Im Juli 2024 durchbrach der Index schließlich die Marke von 42.000 Punkten.³ 

Umso größer war die Bestürzung, als einen Monat später der Crash folgte. Böse Erinnerungen an die Vergangenheit wurden wach. Schon zuvor hatten einige Ökonomen die Befürchtung geäußert, dass sich am japanischen Aktienmarkt eine Blase bilde, die jederzeit platzen könne.⁴ Vieles deutet jedoch darauf hin, dass der Kurssturz die kurzfristige Folge riskanter Wetten war.

Carry-Trades: Stabilität verzockt?

Der Ursprung des Einbruchs ist offenbar am internationalen Währungsmarkt zu finden. Investoren hatten zuvor in großer Zahl die Schwäche des japanischen Yen und das niedrige Zinsniveau des Landes genutzt, um hochriskante Carry-Trades abzuschließen. Das bedeutet: Sie leihen sich in Niedrigzinsländern wie Japan Geld, um es weltweit in höher verzinste Anlagen zu investieren – häufig in US-Staatsanleihen. So können sie vom Zins- und Währungsgefälle profitieren. Während der jüngsten Bullenrally flossen die geliehenen Yen aber zunehmend auch in den japanischen Aktienmarkt.

Bei Carry-Trades kann einiges schiefgehen. Im Juli erhöhte die Bank of Japan ihre Leitzinsen zum zweiten Mal, nachdem sie im März in einem schwierigen Umfeld den ersten Zinsschritt gewagt hatte. Derweil stellt die US-Notenbank Zinssenkungen in Aussicht, da die jüngsten Arbeitsmarktdaten auf eine konjunkturelle Schwächephase hindeuten. In der Folge wertete der Yen deutlich auf. Dies löste eine Welle an sogenannten Margin Calls aus. Trader mussten ihre Positionen auflösen und begannen, Vermögenswerte abzustoßen. Mit dem Erlös kauften sie Yen nach, um ihre Verluste zu reduzieren. Die Folge war ein globaler Ausverkauf am Aktienmarkt und ein enormer Anstieg der Volatilität.  

Inzwischen hat sich die Lage wieder beruhigt. Einen Tag nach dem Crash stieg der Nikkei bereits wieder um 9,4 Prozent⁵ – der größte Tagesgewinn seiner Geschichte. Auch der breiter gefasste Topix-Index legte um 9,3 Prozent zu. Das überrascht kaum, denn die wirtschaftlichen Fundamentaldaten und Wachstumsaussichten haben sich nicht verändert. Anlegerfreundliche Corporate-Governance-Reformen und Aktienrückkäufe werden weiterhin viele globale Investoren nach Japan locken. Die Ankündigung von Japans Notenbankchef Kazuo Ueda, vorerst auf weitere Zinserhöhungen zu verzichten, dürfte für mehr Gelassenheit sorgen.

Fazit

Spekulationsgeschäfte am globalen Devisenmarkt sorgten für einen vorübergehenden Absturz japanischer Aktien. Dem historischen Einbruch folgte jedoch eine ebenso spektakuläre Erholung. Ob sich die Aktienmarktrally in der zweiten Jahreshälfte im gleichen Tempo fortsetzen wird, bleibt abzuwarten. Die strukturelle Wachstumsstory Japans ist jedenfalls intakt.

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