Im vergangenen Jahr stürzten Technologie-Werte ab, und die jüngste Pleite der Silicon Valley Bank dürfte die Finanzierung von Start-ups erschweren. Zugleich beflügelt der Aufstieg der künstlichen Intelligenz Anlegerfantasien. Die nächste Phase der digitalen Transformation beginnt.
Im Januar 2022 fand der ungebrochene Höhenflug von Big Tech ein abruptes Ende. Der technologielastige NASDAQ-Index erlitt historische Kurseinbrüche. Besonders hart traf es die Mega-IT-Konzerne Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google, kurz die FAANG-Titel.1 Zum massiven Wertverlust gesellten sich Massenentlassungen. Einige Marktbeobachter sprachen bereits von einer „tech-cession“, einer Inflation der zuvor heiß gelaufenen Branche. Andere prophezeiten, die besten Zeiten von Big Tech seien ganz vorüber.
Es brauchte ein volles Jahr, bis sich die Technologie-Werte wieder erholten. Dann, zum Ende des endlich wieder erfreulicheren ersten Quartals 2023, erreichte den US-amerikanischen Technologiesektor die nächste Hiobsbotschaft. Die Pleite der Silicon Valley Bank mag zwar keine systemische Relevanz haben, sie könnte aber zur Innovationsbremse in der kalifornischen Start-up-Hochburg werden. Denn die großzügige Kreditvergabepolitik der SVB hat den Aufstieg manch kleiner und mittlerer Wachstumsunternehmen durch ihre großzügigen Milliardenfinanzierungen erst ermöglicht.
Auch von politischer Seite droht Ungemach: Die Dominanz einiger weniger Giganten ist den Wettbewerbshütern der US-Handelsbehörde schon länger ein Dorn im Auge. Um die Bildung von Monopolen zu verhindern, sollen die großen Technologieunternehmen künftig stärker reguliert werden. Das erfordert Fingerspitzengefühl. Ansonsten könnten ganze Geschäftsmodelle unter Druck kommen.
Trotz der schwierigen Gemengelage hat sich in den vergangenen Monaten ein erstaunlicher Tech-Optimismus breitgemacht. Grund für den Stimmungsumschwung ist vor allem der rasante und medienwirksame Aufstieg der künstlichen Intelligenz – einer Zukunftstechnologie, die bis vor wenigen Monaten noch unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit flog.
Digitale Aufbruchsstimmung
Doch mit dem kalifornischen Start-up OpenAI, das im November 2022 den Chatroboter ChatGPT startete, war KI plötzlich in aller Munde. Der Hype führte zu Kurssprüngen bei vielen Unternehmen, die mit dieser Technologie in Verbindung stehen. Manche wussten das erwachte Interesse der Anleger geschickt zu nutzen: Als das angeschlagene Medienunternehmen BuzzFeed Ende Januar verkündete, einige Artikel würden von einer KI statt von Menschenhand verfasst, vervierfachte sich der Börsenwert vorübergehend.2
Auch Tech-Riesen führen ihre guten Quartalsergebnisse zum Teil auf ihr KI-Engagement zurück. Als einer der größten Investoren von ChatGPT steigerte beispielsweise Microsoft seinen Börsenwert an nur einem Tag um rund 150 Milliarden US-Dollar. Das Unternehmen hatte überraschend hohe Umsätze und Gewinne vermeldet – unter anderem im KI-Segment.3 Google-Mutterkonzern Alphabet plant, in Kürze den eigenen Chatbot LaMDA in seine Suchmaschine einzubauen. Und Apple-CEO Tim Cook kündigte an, die neue Schlüsseltechnologie könne bald in jedem Produkt und Service des Unternehmens integriert sein.4
Fazit
Der Wettlauf von Big Tech um die Vormachtstellung bei der KI erinnert daran, dass wir uns mitten in der digitalen Transformation befinden. Es handelt sich um eine disruptive Technologie, die das Potenzial hat, Wirtschaft und Gesellschaft von Grund auf zu revolutionieren. Die rasante Entwicklung könnte den Tech-Sektor zurück auf Wachstumskurs bringen und neue Investmentchancen eröffnen.
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