Der Einsatz reiner Beitragszusagen in der betrieblichen Vorsorge löst hitzige Debatten aus. Dabei geht die Diskussion um den Risikotransfer an der eigentlichen Sache vorbei.

Das Sozialpartnermodell in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) wurde in den vergangenen Jahren oft kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite stehen die Befürworter der reinen Beitragszusagen, die darauf verweisen, dass damit langfristig höhere Renditen erzielt werden könnten. So ließen sich Hemmnisse in der betrieblichen Altersversorgung überwinden – ganz im Wortsinne des Betriebsrentenstärkungsgesetzes, das den Umstieg ermöglicht. Zugleich könnte Deutschland seinen internationalen Sonderweg damit beenden.

Auf der anderen Seite sehen Kritiker zum Teil jede Form der Spekulation mit Rentenbeiträgen als schädlich an. Sie betonen statt neuer Chancen die Risiken insbesondere für die Beitragszahlenden. Darüber hinaus bezweifeln sie, dass reine Beitragszusagen überhaupt mit den aktuellen verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen vereinbar sind.

Wenn wir beide Perspektiven etwas genauer betrachten, ist rechtlich mehr möglich als manche Gewerkschaft offensichtlich erlaubt. So gibt es sechs Jahre nach Einführung der sogenannten Nahles-Rente, die das Sozialpartnermodell erstmals ermöglichte, durchaus erfolgreiche Pionierprojekte, zum Beispiel von Uniper, die im September 2022¹ als erste starteten. Gleichzeitig zeigt eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge² jedoch auch, dass die Umstellung von leistungs- auf beitragsorientierte Zusagen in anderen Ländern zu teils deutlichen Schwankungen bei den Rentenhöhen geführt hat. Es lässt sich also nicht leugnen, dass hier ein Risikotransfer auf die Beitragszahlenden und späteren Rentenbezieher stattfindet. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass das Sozialpartnermodell im Gegensatz zu den Modellen in anderen Ländern über Mechanismen verfügt, um Schwankungen in der Auszahlungsphase zu vermeiden.

Was sind gerechte Renten? 

Leider rückt bei den Diskussionen aber ein viel entscheidenderer Faktor allzu oft in den Hintergrund: Nämlich die notwendige Debatte über den Umbau der sozialen Sicherungssysteme hin zu mehr Kapitaldeckung – für die das Sozialpartnermodell geradezu idealtypisch stehen kann. Denn die Frage, was eine „gerechte Rente“ in Zukunft ausmachen kann, ist nicht allein damit zu beantworten, wer das Anlagerisiko trägt, das grundsätzlich mit jeder Form von Investitionen in Risikoanlagen einhergeht.

Aktuelle Forschungsliteratur zum Thema weist inzwischen eindeutig auf die demografischen Herausforderungen hin, die aus ganz unterschiedlichen Perspektiven für den Einstieg in neue Vorsorgeformen sprechen. So hat das Institut der deutschen Wirtschaft kürzlich³ die prekäre Lage des gesetzlichen Rentensystems so eindringlich wie simpel beschrieben: „Die Alterung der deutschen Bevölkerung führt in der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung zu höheren Beiträgen bei sinkendem Sicherungsniveau.“ 

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hatte in einem viel beachteten Arbeitspapier⁴ bereits im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass „die demografiebedingte Anspannung“ im Rentensystem zunehmen wird und daher auf „ergänzende Vorsorge mit Kapitaldeckung besonders geachtet“ werden solle. Dabei sind aber auch große sozialethische Fragen zu beantworten: etwa die nach der Generationengerechtigkeit und Zukunftssicherheit der Rente insgesamt. 

Fazit

Bei aller Kritik kann das Sozialpartnermodell in der bAV als Ergänzung zur staatlichen Vorsorge dazu beitragen, das Versorgungsniveau hochzuhalten und die Sozialsysteme zu entlasten. Dieser Aspekt sollte die Parteien, die über das Für und Wider bei der Risikoverteilung streiten, besser schnell versöhnen. Denn die demografische Entwicklung schreitet schnell voran.

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