Trump will mit pauschalen Zollerhöhungen die Staatskasse füllen und das US-Handelsdefizit senken. Hinter dem Chaos, das er mit seiner Zoll-Offensive an den Finanzmärkten angerichtet hat, steckt ein spezielles Kalkül.
Am 2. April 2025 ließ sich Donald Trump im Rosengarten des Weißen Hauses feiern. Es sei der „Liberation Day“, der Beginn der industriellen Wiedergeburt Amerikas. Tatsächlich verkündete Trump an diesem Tag neue Zölle gegen mehr als 100 Länder, griff tief in globale Lieferketten ein und markierte den tiefsten Einschnitt in der US-Handelspolitik seit Jahrzehnten. Was manchen Beobachterinnen und Beobachtern wie ein rücksichtsloser und willkürlicher Rundumschlag erschien, hat ein klares Ziel: Trump will das US-Handelsdefizit reduzieren¹ und die heimische Wirtschaft strukturell neu ausrichten.
Die Vereinigten Staaten importieren deutlich mehr Waren, als sie exportieren². Kleidung kommt oft aus Vietnam, Autoteile aus Mexiko, die Smartphones aus China. Dank der importierten Waren floriert der Binnenkonsum. Seit dem zweiten Quartal 2020 ist das US-BIP um fast 50 Prozent gestiegen. Gleichzeitig nahm aber auch die Staatsverschuldung massiv zu, um rund 65 Prozent. Das Wachstum ist also teuer erkauft. Für Trump ist indes weniger die Staatsverschuldung als das Handelsdefizit der USA ein Symptom für eine Schieflage. Dass andere Staaten weniger in den USA einkaufen als umgekehrt, nennt er unfair. Mit Schutzzöllen will er das ändern.
Die Höhe seiner Zollsätze folgt dabei nicht der klassischen Handelstheorie, sondern einer simplen Rechenformel³. Trump vergleicht nicht die tatsächlichen Zölle, die andere Länder auf US-Waren erheben, sondern setzt das Handelsdefizit der USA ins Verhältnis zu den Importen aus dem jeweiligen Land. Beispiel China: Die USA kaufen für 440 Milliarden Dollar Waren aus China, verkaufen aber deutlich weniger dorthin. Das Handelsdefizit beträgt 295 Milliarden Dollar – das entspricht rund 67 Prozent der US-Importe aus der Volksrepublik. Die Hälfte davon sind die neuen Zölle gegen China, die er auf einer großen Tafel vor dem Weißen Haus präsentierte: rund 34 Prozent. Für die EU ergab die Berechnung einen Satz von 20 Prozent. Die Methode klingt technokratisch. Sie ist aber vor allem politisch motiviert. Und sie birgt erhebliche Risiken.
Selbstversorgung zu jedem Preis
Der Binnenkonsum ist das Rückgrat des US-Wachstums. Günstige Importe und moderate Inflation beflügeln die Kauflust der Amerikanerinnen und Amerikaner. Trump will nun die heimische Produktion wieder ins Zentrum der US-Wirtschaft rücken und träumt von einer Reindustrialisierung. Dafür braucht es Kapital, qualifizierte Arbeitskräfte und vor allem Zeit. Schon jetzt fehlen in den USA Fachkräfte in der verarbeitenden Industrie. Gleichzeitig wächst die Unsicherheit auf den Märkten. Unternehmen überdenken Investitionen, Verbraucherinnen und Verbraucher kämpfen mit steigenden Preisen, während sich die Inflationsaussichten weiter verdüstern⁴.
Trumps Streben nach industrieller Unabhängigkeit gefährdet also den Binnenkonsum. Und genau hier liegt die Schwachstelle seiner Argumentation: Denn ausländische Importe stützen die inländische Kaufkraft. Die heimische Produktion dürfte deutlich teurer werden, ressourcenintensiver und kurzfristig kaum realisierbar sein. Der angestrebte Gleichklang zwischen Selbstversorgung und Konsumstärke könnte sich als wirtschaftlich unhaltbar erweisen.
Die unmittelbaren Auswirkungen der Zollankündigungen bekommen Investorinnen und Investoren bereits zu spüren. Am Aktienmarkt hat die Volatilität deutlich zugenommen. Noch drastischer fielen die Reaktionen an den Anleihemärkten aus: Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen kletterte kurzfristig auf 4,5 Prozent – ein abrupter Richtungswechsel, nachdem sie zuvor unter vier Prozent⁵ gefallen war. Der Ausverkauf bei US-Treasuries setzte die US-Regierung unter akuten Handlungsdruck. So musste der US-Präsident reagieren – und setzte die Einführung eines Großteils der geplanten Zölle bereits nach einer Woche wieder aus, mit Ausnahme der Maßnahmen gegen China. Das sieht allerdings weniger nach ökonomischer Entschlossenheit als nach Schadensbegrenzung aus.
Fazit
Donald Trump will die starke heimische Industrie der Vergangenheit mit dem konsumorientierten Binnenmarkt der Gegenwart verbinden. Doch dieser Spagat könnte ihm zum Verhängnis werden, denn das wirtschaftliche Fundament dafür ist äußerst wackelig. Sein groß angelegtes Zollexperiment hat die weltweiten Kapitalmärkte sofort erschüttert. Und schon wieder einen Teilrückzug erzwungen.
Quellen:
¹ https://www.nbcnews.com/business/economy/trade-deficit-what-does-it-mean-for-economy-trump-tariffs-rcna199999
² https://www.nytimes.com/2025/02/05/business/economy/us-trade-deficit-2024-record.html
³ https://www.bbc.com/news/articles/c93gq72n7y1o
⁴ https://finance.yahoo.com/news/feds-waller-warns-high-tariffs-could-push-inflation-near-5-while-economy-slows-to-a-crawl-180032161.html
⁵ https://edition.cnn.com/2025/04/11/business/bond-market-trump-treasury-yield-rates/index.html
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