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Risiken effektiv abschätzen mit Risikomaßen

Sie möchten sich noch intensiver mit dem Thema Risiken beschäftigen? Erfahren Sie alles rund um Risikomaße und wie man diese einfach und effektiv einsetzt.

Value at Risk: Ein Maß für den Worst Case

In der Finanzwelt existieren verschiedene Indikatoren, auf die Berater zurückgreifen können, um ihren Kunden das Risiko eines Investments zu erklären. In einer Serie stellen wir die wichtigsten Risikomaße vor. Mit dem Maß Value at Risk (VaR) lassen sich Verlustwahrscheinlichkeiten bewerten.

Wie hoch ist der größtmögliche Verlust, den Aktien und andere Wertpapiere in den nächsten 24 Stunden erleiden könnten? Diese Frage beschäftigte den damaligen Vorsitzenden der US-amerikanischen Investmentbank J. P. Morgan, Dennis Weatherstone, so sehr, dass er ein eigenes Team damit beauftragte, eine Antwort darauf zu finden. Jeden Tag um Punkt 16.15 Uhr legten ihm seine Mitarbeiter einen Bericht vor, der das Risiko für das Portfolio der Bank in Worte fasste. Darin enthalten: Beta-Faktoren und Volatilitäten, Gearing Factors, Deltas, Gammas und viele weitere Indikatoren, praktisch für jede Position im Portfolio ein eigenes Maß. Doch Weatherstone träumte von einem einheitlichen Maß für alle Finanzinstrumente. So entwickelte J. P. Morgan im Jahr 1994 eine Methode zur Risikomessung, die sich auf alle Anlageprodukte gleichermaßen anwenden lässt und die als Value at Risk (VaR) weltweit zum Standard bei der Risikobewertung gehört.

Der größtmögliche Verlust

Der Value at Risk, zu Deutsch etwa der „Wert im Risiko“, beziffert die maximale Verlusthöhe eines Portfolios oder auch eines Investmentfonds innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Dabei geht es nicht um den theoretisch immer möglichen Fall des Totalverlusts, sondern darum zu bewerten, welcher höchste Verlust mit einer einigermaßen hohen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Der VaR lässt sich sowohl in Geldeinheiten als auch in Prozent angeben. Um den VaR berechnen zu können, sind zwei Vorgaben notwendig: Erstens muss man die Zeitspanne festlegen, für die man das Verlustrisiko bewerten will. Üblich sind zehn Handelstage. Zweitens braucht es ein sogenanntes Konfidenzniveau. Das ist ein Maß für die Restwahrscheinlichkeit, mit der ein Verlust doch noch höher ausfällt als angegebenen.

5 Prozent Restrisiko

Ein Beispiel: Ein VaR von 100 Euro bei einer Haltedauer von zehn Tagen und einem Konfidenzniveau von 95 Prozent bedeutet, dass der Verlust einer Position, also beispielsweise einer Aktie, mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent nicht über 100 Euro liegt. Anders ausgedrückt: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 Prozent wird die Aktie in den kommenden zehn Tagen über 100 Euro an Wert verlieren.

Analytische Methode und Simulation

Wer den VaR bestimmen will, muss die wichtigsten Risikofaktoren und ihre Verteilung kennen, also die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmtes negatives Ereignis eintritt. Das lässt sich analytisch schließen oder durch Simulation ermitteln. Bei der analytischen Methode wird eine Auftrittswahrscheinlichkeit anhand bekannter Zusammenhänge zwischen einzelnen Risikofaktoren bewertet. So sind Risiken beispielsweise oft normalverteilt, was bedeutet, dass durchschnittliche Ereignisse deutlich wahrscheinlicher sind als extreme Ereignisse. Grafisch lässt sich eine solche Verteilung in einer sogenannten Glockenkurve darstellen. Simulationen dagegen basieren auf konkreten Daten aus der Vergangenheit. Dabei wird in der Regel unterstellt, dass Risikofaktoren in Zukunft den Wert der Anlage gleichermaßen beeinflussen werden wie in der Vergangenheit.

Möglichst geringes Restrisiko

Bei einem Konfidenzniveau von 95 Prozent, wie im obigen Beispiel, bleiben sämtliche Risikofaktoren unberücksichtigt, die nur mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 5 Prozent zu einem höheren Verlust als 100 Euro führen. Weil Anleger in der Regel aber ein geringeres Restrisiko haben wollen, wird meist ein höheres Konfidenzniveau gewählt. Weatherstone entschied sich einst für einen Wert von 99 Prozent, der bis heute für die meisten Banken und Analysehäuser bei der Bewertung von Geldanlagerisiken als Standard gilt.

Trügerische Sicherheit

Die Sicherheit, die ein solch hohes Konfidenzintervall signalisiert, ist jedoch immer nur relativ. Schließlich sind es gerade unerwartete – und unwahrscheinliche – Ereignisse, die fatale Auswirkungen auf die Märkte haben können, sogenannte schwarze Schwäne. Die sehr seltenen Tiere erlangten durch den gleichnamigen Bestseller des Ex-Wall-Street-Händlers Nassim Nicholas Taleb weltweit Berühmtheit und sind eine Metapher für das, was Statistiker das „Tail Risk“ nennen: Es geht um Ereignisse mit überaus geringer Eintrittswahrscheinlichkeit, die lange von keinem Akteur richtig wahrgenommen werden. Wenn sie dann aber auftauchen, können sie enorme Schäden anrichten. Dies geschah beispielsweise am 15. September 2008, als die US-Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz anmeldete. Die Folgen für Anleger waren damals verheerend, denn die Lehman-Pleite setzte eine Kettenreaktion in Gang und löste eine weltweite Finanzkrise aus. Bei VaR-Betrachtungen ist ein solches Ereignis aufgrund seiner äußerst geringen Auftrittswahrscheinlichkeit vermutlich nie berücksichtigt worden.

In der folgenden Abbildung wird der Value at Risk der prozentualen Wertentwicklung einer Geldanlage dargestellt. Von den simulierten Vermögenswerten liegen 95 Prozent in dem Intervall zwischen –0,82 und 6 Prozent Rendite, 5 Prozent liegen darunter. Das heißt, in lediglich 5 Prozent aller Fälle wird die Anlage im gehaltenen Zeitraum um mehr als 0,82 Prozent an Wert verlieren.

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