Von der Weltpolitik zur betrieblichen Altersversorgung: Auch in diesem Jahr spannte die Villa Mumm Konferenz wieder den Bogen von der Strategie in die Praxis. Der exklusive Rahmen sorgte für offene Gespräche – und erstaunliche Erkenntnisse.
Das schwierigste Szenario für den Ausgang der US-Wahlen Anfang November beginnt für den Journalisten Prof. Dr. Claus Kleber nicht mit T, sondern mit K. Es ist das knappe Ergebnis, das der langjährige Moderator des heute journals mehr fürchtet als den Gewinn des einen oder der anderen Kandidatin. Denn dann, sagte Kleber bei seinem Vortrag zum Auftakt der 18ten Ausgabe der Villa Mumm Konferenz in Kronberg, drohte den USA möglicherweise ein langwieriges juristisches Gezerre darum, wer die Wahl denn nun für sich entschieden hätte. Noch schlimmer: Es könnte sein, dass sich Amerika über Monate als nicht regierbar erweist. Und das, sagt Kleber, können wir uns in der aktuellen Weltlage eigentlich nicht leisten.
Klebers Impuls eröffnete die renommierte Pensionskonferenz, zu der sich jedes Jahr ein Kreis ausgewählter Expertinnen und Experten in der historischen Villa Mumm - dem Deutschlandsitz von Fidelity International - versammelt. Auch wenn – oder gerade weil – sich das Publikum im Alltag größtenteils mit höchst praktischen Altersvorsorgefragen befasst, bildete der Vortrag des weitgereisten Journalisten einen herausragenden Auftakt in den Konferenztag.
Richtungswahl und neue Supermacht
Beim Blick auf das weltweite Marktgeschehen, den Fidelity Kapitalmarktstratege Carsten Roemheld anschließend lieferte, bildeten die USA vor der Richtungswahl und nach Einleitung der Zinswende logischerweise ebenso die Ausgangslage für die Analyse. Ähnlich wie Kleber betonte auch Roemheld im Anschluss, dass es im November keinesfalls nur um die nächste Regierung der Vereinigten Staaten geht, sondern zum Ende eines Superwahljahres auch um die künftige Weltordnung. Roemheld und Kleber blickten dabei vor allem auf die Schwellenländer -und allen voran auch China. Und beide sehen darin nicht nur eine neue Wirtschaftssupermacht, sondern auch den Aufstieg eines Staatswesens und Gesellschaftsmodells, das sich als Alternative zum Westen präsentiert und positioniert.
Eintauchen ins Sozialpartnermodell
In guter Tradition verlagerte die Konferenz im Anschluss den Fokus weg vom übergeordneten Lagebild hin zu einem für das Publikum ebenso bedeutsamen und zudem überaus praktischen Thema: Es ging um Beweggründe und Ausgestaltung des Sozialpartnermodells für die betriebliche Altersversorgung (bAV). Denn so wie sich die Weltlage womöglich gerade im Übergang zu einer neuen Ordnung befindet, so sehr könnte dieses innovative Modell die bAV in den kommenden Jahren prägen und für eine weitere Verbreitung sorgen. Das jedenfalls hoffen die, die es neuerdings alternativ zu anderen bAV-Durchführungswegen anbieten. Verbunden ist dies mit dem deutlichen Hinweis darauf, dass das Sozialpartnermodell durch Verzicht auf Leistungsgarantien deutlich höhere Renditechancen erwarten lässt und damit in der Lage sein kann, Renten künftig auch weit über den Kaufkraftverlust hinaus ansteigen zu lassen.
In der chemischen und pharmazeutischen Industrie ist das Modell bereits erfolgreich angelaufen, wie sich in der Gesprächsrunde zum Thema zeigte. Zu Gast waren mit Elvira Wittke von der IGBCE und Lutz Mühl von dem BAVC die entscheidenden Tarifpartner für die Geburt der neuen ZielrenteCHEMIE. Mit Jürgen Rings von der Höchster Pensionskasse und Niklas Jörger von Fidelity International waren zudem auch die Dienstleister vertreten, die das junge Angebot umsetzen und am Markt platzieren.
Die Gesprächsrunde war sich darüber einig, dass der Gesetzgeber sich bei dem Thema zuletzt zwar in die richtige Richtung bewegt hat – dass es aber noch ein weiter Weg sein dürfte, die neuen Verträge nun auch in der Breite zu verankern und noch mehr Vertrauen zu schaffen. Auch die Aufsichtsbehörden, so wurde deutlich, sind den neuen Konzepten gegenüber zum Teil noch skeptisch eingestellt.
Langzeitkonten und ein neues Führungskräfteprogramm
Im Anschluss an das Gesprächsquartett kamen dann Unternehmensvertreter zu Wort, die aus der bAV-Praxis berichteten: Zunächst stellte Marcus Müller von Kunststoffproduzenten Covestro die strategische Neuausrichtung der Langzeitkonten im Unternehmen vor. Dabei hat Covestro unter anderem die Umwandlungsregeln verschlankt, die alten Garantiezinsmodelle durch neue flexible Spartöpfe ergänzt, eine digitale Plattform geschaffen, die zunehmend das Antragspapier ersetzt und ein Opt-Out-Modell etabliert.
Anschließend berichtete Sebastian Klasmeier über die Einführung eines neuen Fondspensionsplans für Führungskräfte beim Industriekonzern ABB. Klasmeier schilderte, wie es gelungen ist, in rund einem Jahr das neue Angebot zu konzipieren, die nötigen Verfahren zu gestalten, die nötigen IT-Schnittstellen bereitzustellen und die Mitarbeiter über ein neues Portal anzubinden. Sein Fazit: Die enge Kommunikation zwischen den vielen Prozessbeteiligten war erfolgsentscheidend für den schnellen Prozess.
Zum Abschluss die Zukunft umarmen
Nach einer angeregten Fragegrunde zu den beiden Erfolgsbeispielen gab es zum Abschluss des Konferenztages dann noch einmal „food for thoughts“. Dr. Feiyu Xu, mehrfach ausgezeichnete Forscherin für Künstliche Intelligenz (KI) und frühere KI-Topstrategin beim Softwarekonzern SAP, gab einen kurzen Überblick darüber, welche Kompetenzen sich in aktuellen starken KI-Systemen gegenüber früheren schwachen Modellen unterscheiden. Auch erläuterte sie, warum es eine wirksame Regulierung braucht, damit die KI nicht außer Kontrolle gerät. Sie stellte heraus, dass KI keine Magie ist und wir Menschen ganz besonders gefragt sind, die wirklich sinnvollen und weniger sinnvollen Anwendungsfelder dafür zu identifizieren.
Dann, ergänzte Xu zum Abschluss, dass es uns auch gelingen kann, mit den Unsicherheiten zu leben, die uns noch erwarten. Zukunftsoffen - so wie wir ja auch Kinder in die Welt begleiten, ohne vorher zu wissen, was aus ihnen wird.