Schneller und deutlicher als von vielen erwartet steht fest: Donald Trump wird erneut Präsident der USA. Was seine Wiederwahl für die weltweiten Kapitalmärkte bedeuten dürfte, kommentieren unsere Expertinnen und Experten.

Salman Ahmed, Global Head of Macro and Strategic Asset Allocation

Während Umfragen vor dem Wahltag noch auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hingedeutet hatten, zeigte sich am Wahltag, dass Donald Trump in nahezu allen Bundesstaaten zwei bis drei Prozentpunkte besser abschneiden konnte als bei seiner Niederlage im Jahr 2020. Mit seiner Rückkehr ins Amt wird er erhebliche Veränderungen in der US-Wirtschaftspolitik einläuten. Die wichtigste und unmittelbarste Neuerung wird in der Anwendung höherer Zölle liegen, denn in diesem Feld besitzt er als Präsident erhebliche Exekutivbefugnisse. 

Nimmt man ihn beim Wort, sind universelle Zölle in Höhe von 10 Prozent und Sonderzölle in Höhe von 60 Prozent auf Waren aus China zu erwarten. Das wären bedeutendere Handelsschranken als während der ersten Trump-Regierung. Der effektive Zoll würde fast versechsfacht und auf den höchsten Stand seit der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg steigen. Ein solcher Schritt wäre mit einem Schock auf die Kerninflation verbunden und würde das Wachstum der USA langfristig beeinträchtigen. 

Wir gehen daher nicht davon aus, dass Trump seine Vorschläge für die Handelspolitik sofort vollständig umsetzen wird. Vielmehr wird er sie voraussichtlich als Drohung einsetzen, um die Richtung der Politik vorzugeben und bessere Abkommen auszuhandeln. China, Europa und Mexiko, die die größten Handelsdefizite mit den USA aufweisen, wären für die neuen Zolle am anfälligsten – und somit Ziele solcher Verhandlungen. Wir halten also ein schrittweises Vorgehen bei den Zöllen für wahrscheinlicher. Die Ernennung des neuen Finanzministers wird für die konkrete Ausgestaltung dieser Politik von entscheidender Bedeutung sein. 

Für die weitere Finanzpolitik wird die Kontrolle über den Kongress wichtig sein. Wir müssen hier möglicherweise noch einige Tage warten, bis wir das Ergebnis des Repräsentantenhauses kennen. Der Senat ist inzwischen bereits rot gefärbt – die Demokraten haben hier also die Mehrheit verloren. Die Haushaltspläne werden sich bei einem roten Durchmarsch durch beide Parlamentskammern erheblich unterscheiden von den Plänen in einem geteilten Kongress. Im ersten Fall gehen wir von einer deutlich expansiveren Politik aus. Mit einer Neuverschuldung von bis zu zwei Prozentpunkten mehr würde sich das US-Haushaltsdefizit dann noch schneller vergrößern. Denn neue Zölle könnten die Zolleinnahmen zwar um bis zu 1,3 Prozent (gemessen am BIP) steigern. Das wäre allerdings weitaus weniger, als Trump im Wahlkampf an Steuererleichterungen und Staatsausgaben versprochen hat. Das neue Haushaltsdefizit könnte damit unterm Strich auf über 8 Prozent des BIP steigen, wenn der „Tax Cuts and Jobs Act“ bis Ende 2025 verlängert wird. Zum Vergleich: Vor der Pandemie lag das Defizit im Schnitt bei 3,8 Prozent des BIP. Somit wird die Fiskalpolitik wahrscheinlich weiterhin das Wachstum zulasten deutlich höherer Staatsschulden ankurbeln. 

Wir erwarten somit einen kurzfristigen Aufschwung beim nominalen BIP-Wachstum, erneut zunehmenden Inflationsdruck und weitere Reflationsrisiken. Dies alles wird auch die geldpolitische Ausrichtung im kommenden Jahr wahrscheinlich erheblich verändern. Vorerst dürfte die US-Notenbank Fed im November an einer Zinssenkung festhalten. Erst wenn sich die Ausgestaltung von Trumps Wirtschaftspolitik klärt und die Frage der Mehrheitsverhältnisse im Kongress beantwortet ist, lässt sich die weitere Zinspolitik ernsthaft prognostizieren. Auch die Frage der Zinserhöhungen könnte dann wieder auf den Tisch kommen.
 
Trump hat strengere Einwanderungskontrollen angekündigt, was möglicherweise das Arbeitskräfteangebot und die Gewinne aus der sich abschwächenden Inflation während der zurückliegenden Quartale bremsen könnte. Auch in diesem Politikfeld gilt es, die Rhetorik und die konkreten Handlungen genau zu verfolgen. Grundsätzlich werden kommende Nachwahl-Entscheidungen und der Ausgang der Kongresswahlen erhebliche Auswirkungen auf die Binnen- und Weltwirtschaft haben.

Niamh Brodie-Machura, Co-Chief Investment Officer, Aktien

Das positive wirtschaftliche Umfeld bietet derzeit eine solide Basis für die US-Märkte. Da niemand unter Trump ernsthaft mit Steuererhöhungen oder einer Senkung der Staatausgaben rechnet, gehen wir davon aus, dass die geplante Neuverschuldung weiterhin über neue Staatsanleihen zu finanzieren sein wird. Das alles ist unterm Strich vorteilhaft für Aktien, auch wenn es in einigen Teilen des Marktes inzwischen Bedenken wegen hoher Bewertungen gibt. 

Wir beobachten zwei Themen sehr genau. Erstens die Zölle und jene Regionen, die besonders unter höheren Zöllen leiden würden. Beim Blick auf China ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass die Staatsführung ihrerseits noch keine nennenswerten fiskalpolitischen Impulse gesetzt hat, so dass ihr Spielräume bleiben, Maßnahmen zu ergreifen, um Auswirkungen eines Anstiegs von Zöllen auf den Welthandel und die globale Nachfrage zu kontern. Das wiederum könnte weitreichende Folgen für eine Reihe von Vermögenswerten haben – von chinesischen Aktien über den Dollar bis hin zu Staatsanleihen.

Zweitens die Ankurbelung der Wirtschaft. Das wäre zwar gut für Unternehmen, aber nur so lange, wie die Konjunktur nicht überhitzt. Eine solche Phase haben wir in der Zeit nach der Pandemie erlebt. Es besteht die Gefahr, dass wir erneut in ein solche Situation geraten. 

Marty Dropkin, Head of Equities, Asia-Pacific

Aus Sicht der asiatischen Märkte bleibt der Blick auf Fundamentaldaten auch nach der Wahl entscheidend, denn längerfristige Renditen sind wichtiger als vorübergehende Marktschwankungen. Wir fokussieren uns dazu auf die Sektoren mit den größten organischen Wachstumschancen und auf Unternehmen in Geschäftsfeldern, in denen die Binnennachfrage steigt, auch wegen entsprechender politischer Initiativen der entsprechenden Regierungen. Gesundheitswesen und Technologie liefern hier interessante Gelegenheiten. Der Vorstoß zum Aufbau neuer Technologie-Lieferketten wird zudem auch dem Infrastruktursektor Vorteile einbringen. 

In Gesprächen mit Portfoliomanagern ging es zuletzt viel um die Innenpolitik in China und darum, welche Hebel die Staatsführung nun in Bewegung setzen muss – unabhängig vom Ausgang der Wahl in den USA. Zölle von bis zu 60 Prozent auf Importe aus China, wie Trump sie im Wahlkampf angekündigt hatte, wären für China natürlich ein Problem, aber die Regierung hat viele Instrumente, die sie einsetzen kann, um darauf zu reagieren. Chinas Unternehmen haben zudem schon früher mit Zöllen zu kämpfen gehabt, und die neuen Handelshemmnisse sind bereits weitgehend in die Aktienkurse eingearbeitet.

Steve Ellis, Global Chief Investment Officer, Fixed Income

Auch wenn die Politik beider Präsidentschaftskandidaten im Ergebnis wahrscheinlich inflationär gewirkt hätte, nehmen Marktteilnehmer seit einiger Zeit Trumps politische Agenda als noch expansiver wahr. Sein Wahlsieg dürfte somit zu einem noch schwierigeren Umfeld für die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere beitragen. So hatte Trump zuletzt verlauten lassen, er strebe eine schwächere Währung an. Die kommende Zeit wird zudem von den sich verändernden Zinsunterschieden geprägt sein, sowie von deutlichen Veränderungen bei den Handelszöllen. All das wird sich auf die Kapital- und Warenströme zwischen den Volkswirtschaften auswirken. 

Höhere Zölle würden längerfristige Wachstumsrisiken mit sich bringen. Selbst das Szenario einer Stagflation, also steigender Teuerungsraten gepaart mit wirtschaftlichem Stillstand, wird wahrscheinlicher, so dass die US-Notenbank Fed die Zinssätze womöglich senken muss, weil ein Großteil der Wirtschaft Unterstützung benötigt, während neue Zölle die Preise in die Höhe treiben.

Relevant für die Anleihemärkte werden zudem die Aussichten für die nächsten Haushaltsplanungen und das Volumen der kommenden Anleiheemissionen. Das Problem steigender Staatsverschuldung wird Trump kurzfristig wahrscheinlich nicht bekämpfen, und das könnte die Schuldenmärkte verunsichern. Zwar wird die Kreditwürdigkeit der USA wohl nicht in Frage gestellt werden. Aber wir haben bereits in diesem Jahr erlebt, wie nervös Marktteilnehmer auf Bedenken hinsichtlich des Angebots reagieren.

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