Arbeitswelt im Wandel: Wie wird der Arbeitsmarkt gerechter?
Carsten Roemeld: Unsere Arbeitswelt steht vor einer Phase der tiefgreifenden Transformation. Die demografische Entwicklung verschärft den Fachkräfte- und den allgemeinen Arbeitskräftemangel. Zugleich betritt eine neue Generation von Arbeitskräften den Arbeitsmarkt. Der Nachwuchs tritt deutlich selbstbewusster auf. Man formuliert individuelle Ansprüche an das „Wie“ der Arbeit und erwartet weitaus flexiblere Jobmodelle. Die Digitalisierung kommt als Veränderungsfaktor hinzu.
Das Ergebnis: Der Anteil derjenigen, die in unbefristeten Vollzeitjobs arbeiten, schrumpft, während der Anteil der sogenannten „nicht Normalarbeitsverhältnisse“ steigt.
Das alles bedeutet nicht nur ein Umdenken der Arbeitgeber im Umgang mit vor allem jungen Beschäftigten. Es stellt sich auch die Frage nach der Generationengerechtigkeit. Also nach der Verantwortung für unser Sozialsystem und den Erhalt unseres Wohlstands.
Denn wenn etwa bei jungen Menschen um die 4-Tage-Woche gerungen wird oder allgemein um Arbeitszeitverkürzung, dann steht damit ja automatisch auch die Frage im Raum, was das eigentlich für die Renten bedeutet. Und wie kommen wir als Gesellschaft dauerhaft damit klar, wenn einerseits Menschen im Schnitt weniger arbeiten wollen, andererseits aber das Arbeitskräftepotenzial schrumpft? Zugleich bleibt weiterhin eine Gerechtigkeitslücke zwischen Männern und Frauen bestehen. Denn Frauen verrichten immer noch deutlich mehr unbezahlte oder schlecht bezahlte Care-Arbeit als Männer.
Was heißt das für die staatlichen Renten? Können neue Ansätze wie das Sozialpartnermodell, also die sogenannte Nahles-Rente oder eine Aktienrente, Lücken schließen? Und wie schaffen wir einen Ausgleich zwischen Jung und Alt, Frauen und Männern?
Das sind große gesellschaftliche Fragen. Und daher bin ich sehr froh, dass ich heute mit einer ausgewiesenen Expertin nach Antworten suchen kann. Bei mir zu Gast ist Professor Doktor Lena Hipp. Sie ist Soziologin und forscht am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) zum Thema: „Arbeit, Familie und soziale Ungleichheit“. Lena Hipp wurde an der Cornell Universität in New York promoviert und hat vor ihrer wissenschaftlichen Karriere als Arbeitsmarktreferentin im Deutschen Bundestag gearbeitet. Ihre Forschungsergebnisse stellt sie in regelmäßigen Abständen in überregionalen Medien wie der Zeit, dem Tagesspiegel und dem Deutschlandfunk vor.
Heute ist Donnerstag, der 7.März 2024, mein Name ist Carsten Roemheld. Ich bin Kapitalmarkt-Stratege bei Fidelity, und ich freue mich sehr auf das kommende Gespräch mit Lena Hipp beim Kapitalmarktpodcast. Herzlich willkommen, Frau Hipp!
Lena Hipp: Guten Tag!
Carsten Roemheld: Frau Hipp, Sie erforschen die Arbeitswelt von heute. In einer ihrer bekanntesten Analysen haben Sie beschrieben, wie die Corona-Pandemie die Arbeitswelt fast über Nacht völlig neu organisiert hat. Was ist da passiert? Oder was ist davon geblieben?
Lena Hipp: Es ist jetzt mittlerweile vier Jahre her, dass von einem Tag auf den anderen zur Eindämmung der Pandemie Schulen, Kitas und Arbeitsstätten geschlossen wurden. Damit hat sich tatsächlich im Leben von ganz vielen Menschen in Deutschland Grundlegendes geändert. Plötzlich wurde das Büro nach Hause verlegt, man musste sich mit Videotelefonie vertraut machen. Um Homeoffice zu ermöglichen, haben Unternehmen einen riesigen Technologie-Schub erlebt. Cloud-Lösungen wurden etabliert, Videokonferenz-Software angeschafft, die Nutzung von Messenger-Diensten ist in die Höhe gegangen. Und all das ist natürlich auch nach Ende der Pandemie im Arbeitsleben erhalten geblieben.
Gleichzeitig – und das haben auch sehr viele Beschäftigte erlebt – hat man sich plötzlich mit einer Doppelbelastung konfrontiert gesehen. Ich habe nicht nur meine bezahlte Arbeit von morgens bis abends verrichtet, sondern gleichzeitig auch die unbezahlte. Ich habe Homeschooling gemacht, habe die Kinder betreut, und diese wahnsinnige Gleichzeitigkeit hat natürlich die beschäftigten Eltern – Mütter noch mehr als Väter – wahnsinnig unter Druck gesetzt. Und auch das ist tatsächlich was, dass geblieben ist im Arbeitsleben. Wir sehen generell einen hohen Krankenstand, aber speziell im Erziehungsbereich. Fachkräfte fehlen vor allen Dingen in Kitas und Schulen. Diese Doppelbelastung, die wir damals gelernt haben – das ist eine Kompetenz, die viele Beschäftigte heute immer noch anwenden müssen.
Und die vierte Legacy ist, dass sich tatsächlich auch viel im Einzelhandel und im Gastgewerbe verändert hat. Also die großen finanziellen Einbußen, die es in diesen Bereichen gab, haben viele Unternehmen ins Straucheln gebracht. Konsumverhalten hat sich geändert, so dass sich da auch ganz viel neu sortiert. Wenn Sie mich jetzt fragen, was ist geblieben, würde ich auf jeden Fall sagen: Homeoffice. Fast alle Unternehmen haben Betriebsvereinbarungen dazu. Beschäftigte sind es gewohnt, von zu Hause und mobil zu arbeiten, alle sind mit Online-Meetings vertraut. Was natürlich auch bleibt, ist, dass es generell ein größeres Bewusstsein gibt, mit Erkältung beispielsweise nicht mehr ins Büro zu gehen und alle anzuhusten.
Gleichzeitig ist aber eben auch diese Doppelbelastung geblieben, die viele Mütter vor allen Dingen haben: zu Hause die Kinder zu betreuen, weil Kitas geschlossen haben oder zu wenig Personal haben, und gleichzeitig ihre Arbeit zu verrichten.
Carsten Roemheld: Sie haben es schon angedeutet, wenn Sie Bilanz ziehen - die positiven Errungenschaften, die damit einhergegangen sind und die negativen Entwicklungen – wie würden Sie das abwägen gegeneinander? Was halten Sie nach wie vor für gut und was halten Sie für schlecht?
Lena Hipp: Prinzipiell ist die Tatsache, dass Homeoffice einem ganz großen Bereich von Beschäftigten seit dem Ende der Pandemie ermöglicht wird, ein totaler Pluspunkt. Es ist eben nicht mehr so, dass nur die High-Potentials, die es „wirklich verdient haben“, einen Tag von zuhause aus arbeiten können. Es können auch die Assistentinnen und Assistenten von zuhause aus arbeiten, also Personengruppen, die das vor der Pandemie nicht gemacht haben.
Das geht natürlich damit einher, dass die Leute mehr Zeit haben, Arbeitswege fallen weg, und man hat natürlich auch eine größere Flexibilität. Ich glaube auch, dass das, was wir in der Forschung Flexibility-Stigma nennen, abgebaut wurde: Das diejenigen, die von zuhause aus arbeiten kritisch beäugt werden und man sich fragt, was die da machen. Das sind sicherlich positive Errungenschaften.
Die Kehrseite der Medaille ist, dass es zu einer zunehmenden Entgrenzung zwischen Erwerbsarbeit und Privatleben führt. Ich hatte Messenger-Dienste erwähnt, es gibt so einen richtigen Techno-Stress. Man ist eigentlich immer verfügbar, man sieht, wann die Kolleginnen und Kollegen etwas von einem wollen, die Interaktionen mit Kolleginnen und Vorgesetzten fehlen, Teamwork wird schwierig und auch die Erwartung, wie viel man noch arbeitet, wenn man krank ist oder ein krankes Kind zu Hause hat, hat sich geändert. Zumindest auf der Beschäftigten-Seite ist das natürlich auf der Negativ-Seite zu verbuchen.
Carsten Roemheld: Und halten Sie es auch für schwierig, dass dann, wenn man zu Hause arbeitet, die Grenzen zwischen dem Arbeitsleben und dem Privatleben ein bisschen verschwimmen? Dass man nicht mehr klar sagen kann: Ich bin zu Hause, dann leiste ich Hausarbeit, und ich gehe ins Büro, dann leiste ich Arbeit. Stattdessen bin ich, wie Sie beschrieben haben, immer verfügbar. Jederzeit kann ich wieder an den Rechner gehen, so findet eine gewisse Vermengung statt, die eigentlich nicht unbedingt gut ist.
Lena Hipp: Absolut, das ist tatsächlich etwas, dass bei den Leuten zu Stress führt. Es ist unklar: Bin ich jetzt in der Freizeit? Bin ich noch bei der Arbeit? Auch weil wir die Arbeitszeit natürlich etwas flexibler gestalten können. Ich kann vielleicht eine Runde joggen gehen oder mir länger etwas zum Mittagessen machen, wenn ich von zu Hause aus arbeite. Und gleichzeitig führt es eben dazu, dass die Grenzen verschwimmen. Und das ist tatsächlich etwas, das zu psychischem Stress führen kann.
Carsten Roemheld: Wer profitiert denn aus Ihrer Sicht am meisten von dieser größeren Flexibilität? Gilt es eher für den Arbeitnehmer oder auch für den Arbeitgeber?
Lena Hipp: Ich glaube, dass sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren – aber natürlich aus unterschiedlichen Aspekten. Eine größere Flexibilität, eine bessere Vereinbarkeit, weniger Zeit für Arbeitswege und dadurch insgesamt mehr Zeit ist natürlich etwas, dass für Beschäftigte super ist. Wir sehen auch in den Zahlen, dass gerade Menschen mit Behinderung oder gesundheitlichen Einschränkungen extrem davon profitieren, dass Homeoffice jetzt so etabliert ist.
Für Unternehmen ist es natürlich gut, weil sie nicht mehr in gleichem Umfang Büro-Arbeitsplätze zur Verfügung stellen müssen. Es gibt eine ganze Reihe von Studien und auch meine eigenen Arbeiten zeigen, dass die Produktivität nach oben geht, wenn die Leute im Homeoffice bleiben. Es ist da aber noch nicht ausgemacht, ob das auch so ist, wenn wir dauerhaft im Homeoffice bleiben – das nur am Rande. Aber das ist natürlich etwas, dass für Unternehmen gut ist. Und auch, dass es eine geringere Fluktuation gibt und dass sie auch Mitarbeiter rekrutieren können, die gar nicht unbedingt am Arbeitsort, am Unternehmensort leben. Das ist auf jeden Fall ein großer Pluspunkt. Die Hauptprofiteure sind sicherlich Technologieunternehmen, deren Software- und Technik-Lösungen natürlich gefragter sind denn je.
Carsten Roemheld: Sie haben es gerade schon angedeutet. Dieser zunehmende Arbeitskräftemangel hat natürlich auch Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitsumstände. Unternehmen wollen natürlich auch attraktive Arbeitgeber sein und sehen sich fast schon gezwungen, dann auch eine gewisse Flexibilität anzubieten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dem Fall.
Lena Hipp: Auf jeden Fall. Mit dem Fachkräftemangel, der sich jetzt zusehends abzeichnet, wenn die Babyboomer in Rente gehen, verschiebt sich das Machtverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen. Das führt dazu, dass ganz andere Forderungen gestellt werden können und dass diese Forderungen auch erfüllt werden müssen, wenn man die Leute bekommen will.
Carsten Roemheld: Jetzt hatten Sie gesagt, es führt möglicherweise zu weniger Fluktuation. Man kann das Ganze ja auch umkehren und sagen, Arbeitnehmer fühlen sich dann vielleicht immer weniger dem Unternehmen verpflichtet oder sind vielleicht auch mit der Kultur nicht so eng vertraut, als wenn sie jeden Tag ins Büro gehen würden. Also fällt es vielleicht auch leichter, den Job zu wechseln in Zukunft.
Lena Hipp: Das kann gut sein. Ich glaube, da müssen wir sehen, wie sich die Sachen entwickeln. Aber wenn ein Softwarekonzern wie SAP seine Beschäftigten zurück ins Büro holen will, dann spricht es eben dafür, dass man da sieht, dass es tatsächlich auch Probleme gibt und dass es gar nicht so leicht ist, in Teams zu kollaborieren, wenn jeder ganz woanders sitzt.
Carsten Roemheld: Da sehen wir tatsächlich zunehmend etwas mehr Bedarf an den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Office. Jetzt erleben wir seit Kurzem die große Debatte um die Zukunft unserer Arbeitswelt, vor allen Dingen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz (KI). Es scheint noch ein bisschen offen zu sein, wie stark es den Arbeitsmarkt verändern wird, aber dass eine Veränderung stattfindet, dürfte kaum fraglich sein. Wo stehen wir heute? Aus Ihrer Sicht: Wird die KI, die künstliche Intelligenz, jetzt nach der Pandemie die nächste große Transformation im Arbeitsmarkt mit sich bringen?
Lena Hipp: KI und technologischer Wandel sind auf jeden Fall der große Treiber für Veränderung. Wir sind schon mittendrin in der Transformation, würde ich sagen. Sie ist allerdings nicht so disruptiv, wie die Covid-19-Pandemie es war. Wir sehen jetzt im Moment, dass KI in ganz vielen Bereichen schon eingesetzt wird: im Gesundheitswesen, Logistik, Finanzdienstleistungen – das wissen Sie besser als ich –, Bildung. Ganz viele Prozesse werden automatisiert. Sprachverarbeitung ist wichtig, Datenverarbeitung, Überwachungsdinge, Kundenservice – da sind wir schon mittendrin.
Aber Unternehmen probieren im Moment noch extrem viel aus. Kurzfristig wird es nicht so sein, dass künstliche Intelligenz die ganze Wirtschaft umkrempeln wird. Wir werden es eher mit inkrementellen Veränderungen zu tun haben. Nichtsdestotrotz werden sie kommen. Sie werden unterschiedliche Segmente von Beschäftigten unterschiedlich stark betreffen. Was wir aber auch sehen im Vergleich zu früheren technologischen Veränderungen ist, dass sie natürlich auch hochqualifizierte und kreative Bereiche betreffen.
Da haben die Leute auch Angst. Sie haben Angst, dass sie überflüssig werden, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Wir sehen in den USA beispielsweise, dass die Kulturschaffenden in der Filmbranche gerade gestreikt haben, weil sie nicht ersetzt werden wollen. Das ist natürlich etwas, dass man im Kopf haben muss und wo man natürlich auch diese Unsicherheit nehmen muss. Da können wir aber auch sagen, da können wir dank KI gute Angebote machen - zur Weiterbildung, zum Wiedereinstieg, indem wir beispielsweise das Berufsleben nach einer Unterbrechung leichter machen dank KI.
Wie Sie richtig gesagt haben, es gibt unterschiedliche Szenarien. Ich glaube, in manchen Bereichen wird es sogar zu so etwas kommen wie einer Stärkung von professionellen Kernkompetenzen. Es muss halt tatsächlich noch jemand gucken: Läuft es jetzt alles richtig? Macht es so Sinn? Waren die Daten gut genug, um die KI zu trainieren? Da geht es noch in neue Bereiche. Diese Entwicklung zu umarmen und den Leuten die Angst zu nehmen, ist extrem wichtig.
Carsten Roemheld: Ja, das wird eine spannende Entwicklung sein, die wir natürlich sehr genau beobachten werden. Aber sie wird, wie Sie sagen, natürlich länger dauern als bei der Corona-Pandemie, die sozusagen von heute auf morgen Veränderungen mit sich gebracht hat. Hier wird es vielleicht noch ein bisschen dauern.
Kommen wir zum zweiten Themenblock, den wir mal mit Gerechtigkeit überschrieben haben. Gerade wenn von einer neuen Generation der Wunsch besteht, die Arbeitszeit zunehmend mehr zu reduzieren und vielleicht auch den Wunsch nach mehr Freizeit damit umzusetzen – was bedeutet das für unser Rentensystem? Das sind Fragen, die uns natürlich beschäftigen, weil wir natürlich sagen: ja, der Wunsch ist verständlich. Auf der anderen Seite muss aber eine gewisse Produktivität und ein gewisses Wachstum nach wie vor erreicht werden. Wie klappt das denn dann eigentlich?
Lena Hipp: Für das Rentensystem bedeutet das, dass zu den bislang existierenden demografischen Herausforderungen – nämlich auf der einen Seite weniger Beitragszahlende und auf der anderen Seite längere Bezugszeiten der Renten aufgrund der höheren Lebenserwartung – noch ein weiteres Problem hinzukommt. Die umlagefinanzierte Rente, so wie wir sie kennen, wird entweder steigende Beitragssätze haben oder die Renten sinken und koppeln sich immer stärker von den Löhnen ab. Das heißt, man weiß gar nicht mehr, was die Rente ist, wenn man sich seinen eigenen Lohn anguckt. Das ist natürlich etwas, das angegangen werden muss. Der Fachkräftemangel ist nicht nur ein Problem für die Zukunft, sondern es ist auch schon jetzt ein Problem für die Unternehmen, weil überall händeringend Fachkräfte gesucht werden. Und das spiegelt sich dann auch in den Renten wider: geringere Produktivität.
Carsten Roemheld: Ich gehe sowieso davon aus, dass man länger arbeiten wird in Zukunft. Wenn es kürzere Arbeitszeiten gibt, dass man dann sagt, man arbeitet vielleicht weniger in der Woche, dafür aber insgesamt länger im Leben sozusagen, um dann ein Teil dieser Kompensation herbeizuführen. Ist das ein Modell, was möglich ist?
Lena Hipp: Das ist ja sozusagen mit der Anhebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rente in Deutschland schon angelegt. Es ist eine legitime Frage: Wenn wir länger leben und länger gesund leben, ob man diese Phase, in der wir erwerbstätig sind, Erwerbseinkommen beziehen und Rentenbeiträge zahlen können, ob man die nicht verlängert. Das ist angelegt, und ich glaube, wir müssen uns darauf einstellen.
Es ist aber auch wichtig zu gucken, dass es große Heterogenität in der Erwerbsbevölkerung gibt. Also Lebenserwartungen in Deutschland beispielsweise unterscheiden sich immer noch massiv nach Bildungsniveau, auch nach der Art der Tätigkeit, die wir ausüben. Da muss, wenn wir schon beim Thema Gerechtigkeit sind, auch eine gewisse Gerechtigkeit walten.
Das andere ist, wenn wir uns anschauen, wie hoch die Erwerbsquoten in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen sind und wie hoch die durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeiten sind – auch da ist noch Spielraum. Das Rentensystem kann man auch damit stabilisieren, dass man das Erwerbsarbeitsvolumen nach oben setzt, auch wenn weniger Leute da sind. Da gibt es tatsächlich eine Verschiebung.
Den Wunsch nach weniger Arbeitszeit hören wir übrigens nicht nur von jüngeren Menschen. Auch ältere Menschen wollen das gerne. Es ist gar nicht so ein Gen-Z-Phänomen, wie das oft abgetan wird, sondern es ist ein sehr universeller Wunsch. Aber auch da muss man gucken: Wo sind denn Ungleichgewichte zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen? Und da sehen wir tatsächlich, dass vor allen Dingen, wenn aus Männern und Frauen Eltern werden, dass sich die Arbeitszeiten extrem auseinanderentwickeln.
Carsten Roemheld: Wenn sie schon davon sprechen, dass es unterschiedliche Entwicklungen gibt bei der Transformation in der Arbeitswelt: Die findet ja vor allem in den besser bezahlten Berufen statt – mehr im Dienstleistungsbereich als in der Produktion oder im Handel. Sie hatten eben beim Thema KI gesagt, es gibt Berufe, die sich nicht für Homeoffice-Arbeit eignen. Ein Verkäufer, eine Verkäuferin im Supermarkt beispielsweise kann das nicht tun und wird auch weniger produktiv sein, wenn die Person weniger arbeitet. Die Frage ist: Was bedeutet das alles für die Transformation der Arbeitswelt und auch für den Wohlstand, wenn sich da so unterschiedliche Dynamiken ergeben?
Lena Hipp: Ich komme erst mal auf das Beispiel mit der Verkäuferin oder dem Verkäufer zurück. Auch da können wir dank Technologie Produktivitätsgewinne erzielen. In vielen Supermärkten ist es mittlerweile so, dass eine Person nicht mehr an einer Kasse sitzt und die Sachen übers Band zieht, sondern fünf, sechs Kassen, an denen die Kundinnen und Kunden selbst auschecken, und das ist natürlich ein extremer Produktivitätsgewinn.
Aber Sie haben natürlich recht: In vielen manuellen Tätigkeiten, gerade personenbezogene Dienstleistungen im Gesundheitsbereich oder auch im Bildungsbereich, ist es nicht möglich, und da werden wir kaum Produktivitätsgewinne haben.
Um auf die Frage des Wohlstands zurückzukommen: Da muss man differenzieren. Es wird, so sehen die Prognosen aus, wohl zum Wohlstandswachstum durch KI kommen und gleichzeitig aber zu mehr Ungleichheit. Die Einkommensschere zwischen den Hochqualifizierten-Beschäftigen, die Nicht-Routine-Tätigkeiten ausüben, mit Technologie zusammenarbeiten und Fachkenntnisse haben, und denjenigen, die all das nicht haben – also geringqualifizierte Leute, die vielleicht gar nicht die deutsche Sprache sprechen und so weiter – das wird immer weiter auseinandergehen. Das stellt uns als Gesellschaft auch vor eine riesige Herausforderung.
Carsten Roemheld: Und wie würden Sie dieser Herausforderungen begegnen? Denn schon jetzt ist die Schere zwischen Arm und Reich in vielen Ländern in vielen Bereichen sehr hoch und führt schon fast zu sozialen Missständen, die die Leute auf die Straße treiben. Wenn das noch weiter auseinandergeht, dann fragt man sich, wo das am Ende hinführen kann. Insofern muss der Staat sicherlich das als ein großes Problem erachten, ansehen und auch einordnen und Lösungsansätze anbieten. Wie sehen Sie da bestimmte Lösungsmöglichkeiten?
Lena Hipp: Also zum einen ist da das, was schon gemacht wird, dass man unten ein Netz einzieht, was sozusagen ein Mindestsicherungsniveau ist. Aber das ist wirklich der minimale Behelf. Eigentlich sollte es darum gehen, Leute zu qualifizieren und sie an den Arbeitsmarkt heranzuführen, wenn ihre Qualifikation zu gering ist oder eben nicht mehr adäquat ist, beispielsweise weil sie einen Beruf gelernt haben, der durch Technologie und KI in Zukunft ersetzt werden kann. Die Lösung, die eigentlich immer angeführt wird, ist: Bildung, Bildung, Bildung – damit eben dieses Wohlstandsgefälle und damit natürlich auch enorme ökonomische und soziale Kosten, die damit einhergehen, möglichst gering gehalten werden.
Carsten Roemheld: Da kann ich auf jeden Fall nur zustimmen. Bildung ist sicherlich eines der wichtigsten Güter, in die Staaten investieren müssen, um nachfolgende Generationen das zu ermöglichen. Inwieweit spielt der demografische Faktor hier auch eine Rolle? Denn da sind wir ja nicht gerade reichhaltig ausgestattet in unseren westlichen Breitengraden. Wie können wir auf die Weise den Arbeitskräftemangel beheben, da wir immer weniger potenzielle Arbeitskräfte aus der Bevölkerung bekommen? Klar, eine Möglichkeit war, sie länger arbeiten zu lassen, aber das dürfte ja wahrscheinlich nicht ganz reichen.
Lena Hipp: Genau. Die zwei anderen Stellschrauben, an denen zumindest theoretisch gedreht werden kann, ist Einwanderung in den Arbeitsmarkt und Menschen dazu zu bekommen, nicht nur länger, sondern auch mehr zu arbeiten und vor allen Dingen auch mehr Kinder zu bekommen. Und auch da ist der Arbeitsmarkt gefragt. Wenn der Arbeitsmarkt und die Infrastruktur, die Familien zur Unterstützung zur Verfügung steht, nicht so ausgebaut ist, dass wirklich beide Eltern erwerbstätig sein können und zwar in einem anderen Umfang, als wir es jetzt sehen, wird sich da nicht viel ändern. Wo Frauen in Deutschland, sobald sie Mütter werden, eigentlich in Teilzeit mit 20 Stunden arbeiten.
Da sind Unternehmen gefragt, aber da ist vor allen Dingen auch der Staat gefragt und auch auf der Individualebene. Vor wenigen Tagen hat das statistische Bundesamt die neuen Daten zur Zeit-Verwendung herausgegeben, und da sehen wir, dass gerade Mütter mit Kindern unter sechs Jahren heute mehr Zeit auf unbezahlte Arbeit verwenden, als es noch vor zehn Jahren der Fall gewesen ist. Also auch in den Familien selbst muss sich was ändern. Die Frauen können nicht alles schultern und dabei noch länger erwerbstätig sein.
Carsten Roemheld: Ja, da stimme ich Ihnen völlig zu. Eine Frage noch zum Thema Migration, weil das ein absolut valider Punkt ist. Sind wir denn aktuell als Land attraktiv genug für qualifizierte Fachkräfte aus anderen Ländern, um hier den Berufsweg einzuschlagen? Ich habe manchmal das Gefühl, dass es nicht unbedingt so ist, dass die Voraussetzungen hier nicht unbedingt gegeben sind und dass dieser Punkt auch nicht in ausreichender Form adressiert wird. Wie sehen Sie das?
Lena Hipp: Da würde ich Ihnen zustimmen. Was die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen angeht, liegt Deutschland sehr weit zurück, auch was Spracherfordernisse angeht. Man muss erst mal perfekt deutsch sprechen können und hat da ganz hohe Anforderungen. Auch das ist etwas, dass abschreckt. Man darf auch nicht unterschätzen, inwiefern Diskussionen, hohe Wahlergebnisse bei der AfD und so weiter, beeinflussen. Das ist nichts, wo man gerne hinreisen oder einreisen möchte, um zu arbeiten. Das macht den Standort überhaupt nicht attraktiv.
Carsten Roemheld: Kommen wir zu einem anderen Thema. Sie hatten es schon mehrfach angedeutet - das Thema Ungleichverteilung, vor allem bei Frauen und Männern. Frauen haben in Deutschland noch eine deutlich geringere Altersversorgung als Männer, und es gibt auch nach wie vor den Gender Pension Gap, also ungleiches Einkommen im Alter. Der Pension Gap beträgt bei uns fast 30 Prozent. Ohne Hinterbliebenen-Renten ist die Differenz sogar noch größer. Die Zahl stimmt, nehme ich an.
Lena Hipp: Leider ja.
Carsten Roemheld: Woran liegt es und wie sehen Sie diese Lücke sich in Zukunft entwickeln, wird sie kleiner?
Lena Hipp: Den Gender Pension Gap kann man am besten verstehen, wenn wir einen Schritt zurückgehen ins Erwerbsleben. Wir haben einen Gender Pay Gap, also eine durchschnittliche Differenz in den Stundenlöhnen von Männern und Frauen von 18 Prozent. Auch da sind die Zahlen brandaktuell. Der größte Anteil dieses Gender Pay Gaps lässt sich darüber erklären, dass Tätigkeiten, die von Frauen ausgeübt werden, deutlich niedriger entlohnt werden. Also diese berufliche Geschlechtersegregation, dass Männer und Frauen tendenziell in anderen Berufen arbeiten, erklären rund 30 Prozent dieses Gender Wage Gap.
Jetzt kommt noch dazu: Wenn Frauen weniger lange und, wenn sie erwerbstätig sind, in kürzeren Umfang erwerbstätig sind, dann akkumuliert sich dieser Gender Pay Gap in einem ganz hohen Maße bis ans Ende des Erwerbslebens. Dieses länger aus dem Berufsleben aussteigen, weil Kinder kommen oder weil Schwiegereltern oder Eltern gepflegt werden müssen, in Teilzeit arbeiten, weil natürlich nach der Elternzeit die Kinder immer noch betreut werden müssen, und eben die ungleichen Löhne, die Männer und Frauen haben. Das führt dazu, dass es diese große Rentenlücke gibt, und wenn man sich das anguckt im europäischen Vergleich, dann sieht man, dass es nicht unbedingt so sein müsste.
Carsten Roemheld: Das ist nach wie vor erschreckend. Aber lassen Sie uns in diesem dritten Themenblock über Lösungen sprechen. Wir haben schon ein paar angerissen. Vielleicht sollten wir sie mal etwas vertiefen und direkt bei der Frage der Frauen und der Care-Arbeit beginnen. Sie haben schon gesagt, dass wir größere Flexibilität brauchen. Aber wie können wir dieser Ungerechtigkeit als Gesellschaft begegnen? Welche weiteren Lösungsmöglichkeiten können wir denn anbieten?
Es muss wahrscheinlich mehr Druck auf die Arbeitgeber ausgeübt werden, dass man sozusagen die Modelle für Frauen, die sich noch mit der Kindesversorgung beschäftigen, entwickelt, und dass sie dann auch wieder Vollzeitjobs angeboten bekommen. Da muss sicherlich ein bisschen mehr passieren. Was sind denn weitere Lösungsmöglichkeiten?
Lena Hipp: Es ist keineswegs so, dass Frauen – selbst wenn man eine ideale Betreuungsinfrastruktur hätte – Vollzeit arbeiten wollen würden. Das muss man sich auch ehrlich klar machen: Die Zeit, in denen Kinder da sind, ist eine relativ kurze Zeit, und sie ist kostbar. Eltern zu ermöglichen, nicht den wahnsinnigen Stress von der Arbeit zu haben und dann keine Zeit für die Kinder zu haben, das ist tatsächlich notwendig.
Allerdings wäre schon viel geholfen, wenn der Löwenanteil der Betreuungs- und Sorgearbeit nicht allein auf den Frauen lasten würde, sondern wenn es zu einer Umverteilung der unbezahlten Arbeit käme. Das würde dann wiederum auch ermöglichen, dass Frauen ihre Wochenarbeitszeiten erhöhen würden.
Wenn man sich jetzt auf dieses Gedankenspiel einlässt: das typische Paar in Deutschland, da arbeitet er 40 Stunden plus sie 20 Stunden. Wenn wir jetzt sagen, er geht auf 35 Stunden runter und sie geht auf 35 Stunden oder auf 30 Stunden hoch, dann haben wir schon relativ viel gewonnen an Erwerbsarbeitszeit-Volumen und das ist natürlich gut.
Das kriegt man allerdings nicht nur dadurch hin, dass man mehr Flexibilität ermöglicht. Das kriegt man aber damit hin, indem klar gemacht wird, man kann auch mit 35 oder mit 30 Stunden hier im Unternehmen Karriere machen. Wir schätzen das sogar, wenn Mitarbeiter das machen. Das setzt natürlich voraus, dass es eine Betreuungsinfrastruktur gibt, die zuverlässig ist.
Ich werde im Moment nicht müde zu monieren, wie schlecht die Betreuungssituation in den Kitas in Deutschland ist. Nicht nur, dass die Betreuungsschlüssel katastrophal sind in vielen Bundesländern, sondern das Personal ist einfach nicht da. Dieses Personal werden wir nicht kriegen, wenn dieser Beruf nicht aufgewertet wird, finanziell aufgewertet wird, dass die Erzieherin und Erzieher ihre Arbeit professionell machen können. Da braucht es eine ganz massive Aufwertung, und das wird auch viel Geld kosten. Über Bildung haben wir gerade eben gesprochen: Wenn wir das ernst nehmen, dass Kitas eben auch eine Bildungseinrichtung sind, die das Arbeitskräfte-Potenzial für morgen stellen, dann sind das Investitionen, die sich langfristig lohnen, aber natürlich erst mal kosten. Aber die Investitionen sind so notwendig, da kommen wir eigentlich nicht drumherum.
Carsten Roemheld: Sie haben Recht, da haben wir noch einen relativ weiten Weg vor uns, aber in der idealen Form wäre das natürlich toll, wenn man entsprechend die Infrastruktur zur Verfügung hätte. Das würde die Sache erheblich vereinfachen und, glaube ich, auch dann insgesamt eher dem Modell nahekommen, was sie vorgeschlagen haben.
Lassen sie uns ganz kurz noch mal über ein paar finanzielle Punkte sprechen, weil es natürlich auch unsere Hörer ganz massiv interessiert. Die Ampelregierung hat jetzt das Versprechen abgegeben, das sogenannte Generationenkapital wahrzumachen, also Geld am Aktienmarkt anzulegen, dass die Rente insgesamt aufbessert. Das ist jetzt sozusagen das Nachfolgemodell der gestorbenen Aktienrente geworden. Bis zum Jahr 2035 will der Staat 200 Milliarden Euro in der Form angespart haben. Was halten Sie denn davon?
Lena Hipp: Prinzipiell ist es natürlich immer sinnvoll, Risiken zu diversifizieren, und darum ist es natürlich auch gut, dass es da jetzt eine weitere Säule gibt im deutschen Rentensystem. Allerdings, wenn man es sich nominell anguckt, wie viel Geld es nachher für die einzelne Rente ist, ist es nicht so besonders viel. Von daher ist es wahrscheinlich gut, es auszuprobieren, aber ich glaube nicht, dass das jetzt den „Turn“ bringt.
Carsten Roemheld: Sie haben Recht. Es ist natürlich auch eine Frage, wie man das Ganze darstellt. Der Aktienmarkt wird ja oft ein bisschen als Spielcasino dargestellt. Wenn dann Geld, was in die Altersvorsorge fließt, in den Aktienmarkt fließt, hat das keinen guten Ruf. Das ist natürlich fatal, wenn man sich überlegt, wie wenig Kenntnisse auch da sind langfristig Geld am Aktienmarkt anzulegen. Insofern müssen wir auch weiterhin dafür werben, dass dieses negative Bild der Aktienmärkte sich ein bisschen positiver darstellt und man es nicht so negativ ansieht, dort Geld anzulegen.
Aber jetzt gab es noch eine zweite Variante. Die ehemalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hatte eine ähnliche Idee: Betriebsrenten sollten garantierte Leistungszusagen abschaffen und dadurch die Freiheit gewinnen, dass man eingezahlte Beiträge etwas risikoreicher anlegen kann, auch in Aktien. Auch dieses „Sozialpartnermodell“ fand wenig Anklang. Glauben sie, dass es daran liegt, wie ich eben beschrieben habe – dass der allgemeine Ruf oder die Meinung der Bevölkerung, Geld am Aktienmarkt anzulegen, eher negativ behaftet ist?
Lena Hipp: Ich glaube, dass es da tatsächlich Vorbehalte gibt. Wie sicher ist das, ist mein ganzes Geld nachher weg? Das ist sicherlich das eine. Das andere ist Unkenntnis. Und dann glaube ich aber auch, was nicht zu unterschätzen ist, dass selbst Hochgebildete nicht gewillt sind, am Aktienmarkt zu investieren, weil das natürlich auch viel Arbeitszeit ist. Dann habe ich nicht nur meinen Job, meine Kinder und meine Sorgearbeit, sondern dann kostet die Geldanlage auch Zeit, wenn ich es gut machen will und das eben nicht den Bach runtergehen soll. Ich glaube auch, das ist ein Abschreckungsfaktor, den man nicht unterschätzen sollte.
Carsten Roemheld: Wobei das in meinen Augen sehr gut investierte Zeit ist. Sich um die Altersvorsorge zu kümmern und ein bisschen Geld anzusparen, kann man durchaus mit einem gewissen Zeitbudget machen.
Lena Hipp: Das will ich gar nicht bestreiten. Aber auch das ist ein Vorbehalt, den es gibt.
Carsten Roemheld: Wenn ich bedenke, dass unser jetziger Bundeskanzler als früherer Finanzminister gesagt hat, dass er sein Geld bestenfalls auf einem Girokonto liegen hat und damit auch ein bisschen vorgemacht hat, wie teilweise die Regierung mit ihren Geldern umgeht, dann hat das natürlich nicht unbedingt Vorbildcharakter. Welche weiteren Ideen könnte denn die Rente, speziell von Frauen und Arbeitskräften aus dem Niedriglohnsektor verbessern? Wie können wir denn da das Ungleichgewicht in den Griff bekommen?
Lena Hipp: Also, ohne mich jetzt unbedingt wiederholen zu wollen, aber auch da geht es wieder um eine Mindestabsicherung und gleichzeitig darum, Leute aus dem Niedriglohnsektor rauszukriegen. Eine Zeit lang für wenig Geld und prekär beschäftigt zu sein, ist nicht so schlimm, wenn es eine Perspektive gibt, da rauszukommen, und da liegt die Krux wieder im Arbeitsmarkt. Die Leute müssen qualifiziert sein, sie müssen ausgebildet sein, und diese Polarisierung, über die wir vorhin gesprochen haben, die muss reduziert werden. Um eine dauerhafte Absicherung zu geben, muss was im Erwerbsleben passieren.
Carsten Roemheld: Frau Hipp, ich glaube, wir haben eine sehr gute Analyse der Situation vorgenommen, haben die Problemfelder benannt, auch einige Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Dafür danke ich Ihnen sehr, sehr herzlich! Ich habe wieder eine Menge gelernt heute also vielen, vielen Dank schon mal für dieses spannende Gespräch. Ich hoffe, dass die Zuhörer auch einiges mitnehmen konnten für die Dinge, an denen es noch etwas mangelt, und die Dinge, die deutlich verbessert werden könnten.
Wenn wir Gerechtigkeit insgesamt nach oben bringen wollen – die Gerechtigkeit unter den Arbeitskräften, zwischen besser und schlechter bezahlten Jobs, bei den Gendern und ähnlichen Dingen – dann haben wir, glaube ich, ein paar Ansätze mit an die Hand bekommen. Ob die umgesetzt werden können oder werden, das bleibt erst mal dahingestellt – ob wir Regierungsvertreter finden, die sich dafür einsetzen. Wir können es nur hoffen, denn es ist eine Investition in die Zukunft. Sie haben es gerade so schön gesagt, auch Bildung und Erziehung ist eines der wichtigsten Kriterien. Deswegen kann man nur hoffen, dass dafür ein bisschen Geld übrigbleibt.
Das soll es für heute gewesen sein. Auch Ihnen, liebe Zuhörer, herzlichen Dank für Ihr Interesse. Wir hoffen, dass wir Ihnen heute wieder ein paar spannende Einblicke vermitteln konnten. Wir sehen uns hoffentlich beim nächsten Mal wieder oder bei einem der vielen anderen Formate wie Blogs oder Web-Seminare, die wir für Sie anbieten. Vielen Dank noch mal, Frau Professor Hipp, viele Grüße an alle anderen und alles Gute, Ihr Carsten Roemheld!