Der Chemiekonzern Covestro hat sein Langzeitkonto strategisch neu ausgerichtet. Der Umbau kommt Mitarbeitenden gleich dreifach zugute: Sie können leichter einzahlen, vielfältiger entnehmen und ertragreich mit Fonds sparen.
Die Ausgangslage:
Der Kunststoff-Konzern Covestro gehört zu den Vorreitern in Sachen Altersvorsorge in Deutschland. Auch beim Thema Langzeitkonten sind Unternehmen der Chemieindustrie Pioniere, Expert:innen schätzen, dass 70 bis 80 Prozent aller Langzeitkonten deutscher Beschäftigter dort angesiedelt sind.
Entsprechend hoch ist auch die Durchdringung bei Covestro. 5500 von rund 8500 Beschäftigten mit einer Berechtigung für das Modell besitzen auch ein entsprechendes Konto. Insgesamt haben sich derzeit um die 110 Millionen Euro auf den Konten angesammelt, jedes Jahr kommen netto um die zehn Millionen Euro dazu. Um die 70 Mitarbeitende bezogen im Jahr 2023 Leistungen aus einer rentennahen Freistellung, weitere 20 aus anderen Gründen.
Die Grundlagen für die Langzeitkonten sind unter anderem im branchenweiten Tarifvertrag Demografie geregelt. Bei Covestro stammen die Anfänge noch aus der Zeit der Bayer AG, aus der Covestro im Jahr 2015 hervorging. Nach der Abspaltung richtete Covestro seine Altersversorgung grundsätzlich neu aus. 2019 beschloss Covestro, in der Altersversorgung künftig keine neuen lebenslangen Rentenzusagen mehr zu machen, man emanzipierte sich von der Verzinsung der Bayer-eigenen Rheinischen Pensionskasse, plante die Abkehr vom Garantiezins und entwickelte eine eigenständige kapitalmarktorientierte Anlagestrategie.
Die Herausforderungen:
Die neuen strategischen Weichenstellungen offenbarten bei den Langzeitkonten eine Reihe spezieller Herausforderungen. So berichteten die Personaler beispielsweise darüber, dass mit der zunehmenden Verbreitung des Instruments die Mitarbeitenden immer häufiger kleinteilige Summen in ihr Konto einzahlten. Viele wollten individuelle Einmalzahlungen leisten, Anteile von Prämien aus dem Vorschlagswesen oder von Gehaltszuschlägen aus Mehrarbeit einbringen. Das erhöhte nicht nur den Aufwand in der Kontoführung, sondern führte oft auch dazu, dass die Anträge nicht fristgerecht eingingen oder Gehaltsabrechnungen im Nachhinein abgeändert werden mussten.
Als weiteres Problemfeld entpuppte sich der Umgang mit zwischenzeitlichen Entnahmen aus dem Langzeitkonto, beispielsweise für Elternzeitmonate oder in Phasen der Freistellung zur Pflege naher Angehöriger. Denn solche aus dem Langzeitkonto entnommenen Teile des Guthabens sind anders als Gehaltszahlungen nicht versorgungsfähig. Bisher zahlte Covestro daher in Entnahmehasen 20 Prozent auf den Auszahlungsbetrag in einen Rentenbaustein ein. Weil man von den Rentenzusagen wegwollte, suchte man nach einer attraktiven Alternative.
Die dritte Herausforderung lag in der Verzinsung. Denn für die Langzeitkonten galten bis dato Garantiezinsen in Abhängigkeit des Höchstrechnungszinses: Für Beiträge von Ende 2012 gab es 2,75 Prozent, dann bis Ende 2019 1,75 Prozent und schließlich seit 1.1. 2020 noch 0,9 Prozent Garantiezins, jeweils zuzüglich der variablen Überschussbeteiligung der Rheinischen Pensionskasse nach dem jeweiligen Tarif. Vor allem das heutige Niveau erwies sich als kaum rentierlich und damit insbesondere für die langfristige rentennahe Verwendung – also für das Sparen zwecks früheren Ausstiegs aus dem Arbeitsleben im Wege der Freistellung – als kaum mehr attraktiv.
Die Lösung:
Zum 1.1. 2024 entschied sich Covestro beim Langzeitkonto zu einem substanziellen Systemwechsel. Das neue Modell zielt auf größtmögliche Flexibilität im Rahmen der Vereinbarungen der Tarifparteien und der gesetzlichen Vorgaben im SGB IV. Die entscheidenden Neuerungen:
- Das Langzeitkonto wird nahezu vollständig elektronisch geführt. Über ein modernes Portal können alle Mitarbeitenden eigenständig monatlich bis zu 30 Prozent ihres laufenden Entgelts wandeln und diesen Betrag online nun zu jedem Monatsersten neu anpassen. Auch den kurzfristigen (STI) und langfristigen (LTI) Bonus, sowie gewisse tarifliche Sonderzahlungen können sie ganz oder teilweise dort einbringen; sowie, falls es aus betrieblichen Gründen nicht anders möglich sein sollte, bis zu zehn Urlaubstage zum Kurs „Entgelt/250“ umwandeln. Der Resturlaub wird im Januar automatisch auf das Zeitwertkonto gebucht. Und auch etwaige mögliche Förderbeträge des Arbeitgebers fließen direkt automatisiert mit ein.
- Entnehmen Mitarbeitende Gelder zur Pflege naher Angehöriger, für Phasen der Kinderbetreuung, oder um als Schichtarbeiter:innen ihre Belastung zu senken, zahlt Covestro nicht mehr 20 Prozent auf die Entnahmen in einen Rentenbaustein ein, sondern fördert stattdessen das Freistellungsentgelt mit 25 Prozent, übernimmt also ein Viertel. Wer demnach 5000 Euro entnimmt, dem werden jetzt netto nur noch 4000 Euro im Langzeitkonto belastet.
- Zudem können Mitarbeitende seit Jahresanfang auch für ein Sabbatical von bis zu 24 Monaten per Langzeitkonto sparen. Das können sie dann anlasslos beantragen. Scheiden Mitarbeitende aus und liegt noch Geld auf dem Langzeitkonto, können sie es auch weiterhin steuerfrei in ihre betriebliche Altersversorgung einbringen.
- Bei der Kapitalanlage haben die Beschäftigten nur die Wahl zwischen zwei Anlagetöpfen. Grundsätzlich gilt eine Garantie für alle eingebrachten Entgelte. Geld, das sie in den sogenannten „Flexi-Topf“ einzahlen, fließt dabei in den Fidelity Demografiefonds Konservativ, der auf optimierten Kapitalerhalt zielt. Die Alternative dazu ist der „Rentennahe-Topf“, der auf langfristiges Kapitalwachstum ausgerichtet ist. Hier kommt dementsprechend der Fidelity Demografiefonds Ausgewogen zum Einsatz. Das Geld aus dem „Flexi-Topf“ steht fortan für sämtliche Entnahmearten zur Verfügung, vom Sabbatical bis zur Pflegezeit. Der „Rentennahe-Topf“ dagegen ist, wie der Name verrät, den rentennahen Freistellungen vorbehalten. Wer einzahlt, kann in 5-Prozent-Schritten entscheiden, wie viel des Beitrags in welchen Topf fließen soll. Zudem können die Beschäftigten einmal im Jahr beliebig viel Kapital aus dem „Flexi-Topf“ in den „Rentennahen-Topf“ umschichten.
Das Ergebnis:
- Das Interesse am Langzeitkonto ist mit der Einführung des neuen Modells weiter gestiegen.
- Leitende Angestellte bekamen zudem die Möglichkeit, mit ihrer Kapitalanlage im Langzeitkonto vollständig zum neuen Zwei-Topf-Modell wechseln. Etwa ein Viertel der eingezahlten Beträge wurden auf das neue Modell umgebucht, das somit einige Vorschusslorbeeren bekam.
- Für alle, die mit ihrem Bestand lieber beim Garantiezins blieben, gilt: Sollten sie vorzeitig Wertguthaben entnehmen, dann wird zuerst das Guthaben aus dem neuesten Flexi-Topf aufgelöst und später dann die Garantiezinstöpfe. So bleiben die höchsten Zinsen am längsten erhalten.
Hintergrund: Das Unternehmen
Das Unternehmen Covestro, ein DAX-Konzern, entstand im Jahr 2015 durch Abspaltung und Börsengang aus dem Kunststoffgeschäft der Leverkusener Bayer AG. Die wichtigsten Produktsparten sind Polycarbonate zur Produktion von Hartplastik sowie Komponenten für Polyurethane, das sind Schaumstoffe.
Das Unternehmen ist an 48 Produktionsstandorten weltweit vertreten und erwirtschaftete zuletzt mit 17.500 Beschäftigten rund 14,4 Mrd. Euro Umsatz. An den deutschen Standorten in Brunsbüttel, Krefeld-Uerdingen, Dormagen und Leverkusen arbeiten derzeit rund 7800 Angestellte und 500 Auszubildende.