Carsten Roemheld: Die Klimakrise wird teuer. Laut einem Bericht der Weltorganisation für Meteorologie haben allein schon extreme Wetterereignisse zwischen 2010 und 2019 weltweit Schäden in Höhe von rund 1,4 Billionen Euro angerichtet. Die Kosten des Klimawandels für Deutschland schätzt derselbe Bericht für die Jahre 2000 bis 2021 auf mindestens 145 Milliarden Euro. Und bis 2050 könnten sie auf bis zu 900 Milliarden Euro ansteigen. Das sind gewaltige Zahlen, und dabei sind gesundheitliche Schäden, Todesfälle, Verluste von Artenvielfalt und die schlechtere Lebensqualität noch nicht eingerechnet und es fehlen auch die Verluste, die der Umbau zu einer dekarbonisierten Wirtschaft und Gesellschaft unserer Volkswirtschaft zufügen könnte. Denn hinter Schlagwörtern wie Energiewende oder grüne Transformation verbirgt sich die Sorge, dass Deutschlands Wohlstand schrumpfen könnte. Der basiert schließlich nicht zuletzt auf kohlenstoffintensiven Industrien wie Chemie, Kohle, Stahl oder der Automobilindustrie. Ist Klimaschutz also für Deutschland ein großes Verzichtsprogramm? Vernichten wir damit Arbeitsplätze? Droht uns die häufig zitierte Deindustrialisierung? Angesichts der aktuell ohnehin angespannten Lage der hiesigen Wirtschaft drängen solche Fragen gerade wieder ziemlich stark in den Vordergrund.
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert befasst sich bereits seit vielen Jahren mit den Kosten einer verschleppten Klimapolitik und den Chancen und Risiken für unseren Wirtschaftsstandort. Sie leitet die Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, in Berlin, ist Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Leuphana Universität Lüneburg und hat ihren eigenen Klimapodcast.
Aber heute, am 8. August 2024, ist sie dankenswerterweise mein Gast im Fidelity Kapitalmarkt Podcast. Mein Name ist Carsten Roemheld, ich bin Kapitalmarktstratege bei Fidelity und ich freue mich sehr auf die kommenden 45 Minuten mit Claudia Kemfert. Herzlich Willkommen, Frau Professor Kemfert.
Claudia Kemfert: Guten Tag, Herr Roemheld, Hallo, danke für die Einladung.
Carsten Roemheld: Sehr gerne. Lassen Sie uns jetzt einfach mal im Hier und Jetzt beginnen. Die Konjunktur in Deutschland lahmt und viele sehen uns mal wieder als den kranken Mann Europas. Nicht wenige Ökonomen warnen auch davor, dass diese Wirtschaftsschwäche nicht nur konjunkturell bedingt sein könnte, sondern tiefe strukturelle Ursachen haben könnte. Mal ganz pauschal gefragt, wie geht es der deutschen Industrie gerade aus ihrer Sicht?
Claudia Kemfert: Ja, ich würde mal sagen, solala. Auf der einen Seite sehen wir erhebliche Probleme, die aber auch noch immer verschuldet sind durch die verschleppte Energiewende, noch immer hohe Preise für fossile Energien, das war ja die Hauptursache, warum wir auch in diese schwierige wirtschaftliche Lage geschlittert sind und die Industrie nicht rechtzeitig dekarbonisiert hat, also wirklich sich vorbereitet hat für die moderne Wirtschaft der Zukunft. Und das merken wir jetzt an allen Ecken und Enden. Wir haben zu wenig investiert in der Vergangenheit, das sehen wir an der Infrastruktur, Digitalisierung, aber eben auch in der Industrie, die eben nicht sich ausreichend modernisiert hat und auch nicht ausreichend investiert hat in die entsprechenden Bereiche, die enorm wichtig sind: weg von der fossilen Energie, hinzu mehr erneuerbaren Energien, Energiesparen, grüner Stahl und so weiter. Da ist ja einiges zu nennen, wo die Wirtschaft enorme wirtschaftliche Chancen hat. Das zeigen wir in unseren Studien ja schon über zwei Jahrzehnte, dass es da enorme Chancen gibt und die Wirtschaft aber trotzdem immer noch zögerlich ist, auch eben durch solche Diskussionen, die wir heute jetzt wieder führen. Dass man immer wieder die Frage stellt, was kostet uns denn das, wenn wir dekarbonisieren. Dabei sehen wir: Die hohen Kosten entstehen durch die verschleppte Energiewende, durch die hohen Kosten, durch den Klimawandel. Und das belastet die Wirtschaft eben auch. Also da gibt es einige Bereiche, die gut sich aufstellen im Moment. Das sind aktuell teilweise der Automobilsektor, also zumindest die Sparten, die schon investiert haben. Oder eben auch im Bereich der Energiewendesektoren, Umweltschutztechnologien, da sind zwei Millionen Jobs entstanden. Da sind wir immer noch gut. Aber es geht eben anderen nicht so gut. Und das liegt daran, dass sie zu abhängig waren und noch immer sind vom fossilen Erdgas oder von den fossilen Industrien insgesamt. Und die machen im Moment Probleme.
Carsten Roemheld: Also Sie denken, dass die Situation deutlich besser wäre aktuell, wenn die Unternehmen frühzeitiger begonnen hätten, in die Energiewende zu investieren. Dann wären sie jetzt schon an ganz anderen Punkten und dann glauben sie, dass auch das Wachstum oder die aktuelle wirtschaftliche Lage besser wäre. Das habe ich richtig verstanden?
Claudia Kemfert: Genau, das haben Sie richtig verstanden. Und das glaube ich nicht nur, sondern wir zeigen das wirklich so in unseren Studien seit über zwei Jahrzehnten. Und wir sehen es doch im Moment: Die fossilen Energien sind in den Händen von autokratischen Regimen, die die Marktmacht ausnutzen, das fossile Erdgas macht erhebliche Probleme, wir müssen es importieren. Und hätten wir früher investiert, wären wir weniger abhängig von solchen fossilen Energien. Wir wären weniger vulnerabel auch von geostrategischen Risiken weltweit, und wir hätten sogenannte erneuerbare Energien, Freiheitsenergien, wie manche Politiker sie zu Recht nennen. Denn sie führen eben dazu, dass wir eben solche Risiken, denen wir jetzt ja ausgesetzt sind, nicht mehr ausgesetzt wären. Also, das Abwürgen der Energiewende von vor über zehn, zwölf, fünfzehn Jahren, das hat eben dazu geführt, dass wir jetzt in dieser schwierigen Lage sind und die Industrie auch schwächelt.
Carsten Roemheld: Und wenn ich jetzt mal auf die Menschen komme und nicht so sehr die Unternehmen weiter beachte, dann ist ja Klimaschutz bei vielen irgendwie mit dem Verzicht auf vieles verbunden. Man fürchtet Wohlstandsverluste, man fürchtet Einschränkungen von persönlichen Freiheiten. Sie, Frau Professor Kemfert, argumentieren ja, dass wir als Gesellschaft durch beherzten Klimaschutz und eine schnellere Energiewende sehr viel gewinnen würden. Wie genau ist das zu verstehen und was gewinnen wir denn, wenn wir das schneller und beherzter tun, wie sie es vorgeschlagen haben.
Claudia Kemfert: Ja, also insgesamt ist es eben so, dass wir von diesen Narrativen geprägt sind, von Verzicht und Wohlstandsverlusten. Und wenn wir mal uns ehrlich machen würden, sehen wir, dass im Moment wir verzichten müssen oder Wohlstandsverluste haben, weil wir die Energiewende eben nicht gemacht haben oder nicht Klimaschutz gemacht haben. Sie haben ja eingangs zu Recht die horrenden Kosten schon genannt, die der Klimawandel jetzt hervorbringt. Und das ist erst der Anfang. Wir stehen vor einem fundamentalen Wandel. Das wird uns alle massiv beeinträchtigen, nicht nur eben gesundheitliche Folgen oder die Dinge, die sie aufgezählt haben, sondern auch ökonomisch. Was gewinnen wir, wenn wir die Energiewende schneller umsetzen? Das sind vor allen Dingen vier Dinge:
Das ist erstens Freiheit, die Unabhängigkeit von weniger fossilen Schurken sage ich mal, wie auch Russland, in der Welt. Je weniger wir importieren müssen, desto mehr Sicherheit haben wir. Wir haben heimische Energien, wir müssen weniger importieren, denn die fossilen Energien sind ja zumeist in Händen von autokratischen Regimen, die eben uns nicht sehr gerade wohlgesonnen sind. Und die weniger abhängig wir da sind, desto eher geht es in Richtung Freiheitsenergie, die ich schon genannt habe.
Das zweite würde ich sagen, ist, dass wir auch Demokratie stärken können durch eben Partizipation. Erneuerbare Energien sind Mitmachenergien, sie sind Bürgerenergien. Die Energiewende ist ja gelebte Partizipation und schafft auch Akzeptanz, kann auch Vorteile schaffen, wenn man eben diese Vorteile auch ermöglicht. In dem Sinne würde sie auch die Demokratie an sich stärken können.
Als drittes würde ich aufzählen, was wir eben schon kurz tangiert haben: Das ist die volkswirtschaftliche Effizienz. Dass eben die erneuerbaren Energien viel, viel effizienter sind, weniger Energie verbraucht wird, wir weniger verschwenden, so wie als wir es im Moment bei konventionellen Kraftwerken machen oder bei Verbrennungsmotoren. Dass die Kosten geringer sein können, wenn wir die Effizienz so umsetzen.
Und als viertes würde ich auch nennen, was wir eingangs ja schon als wichtig erachtet haben, das sind die Emissionen, die dadurch sinken, wenn weniger Kohle verbrannt wird, wenn wir weniger Öl und Gas verbrennen. Dann schaffen wir auch noch die Klimaziele. Und dann haben wir volkswirtschaftliche Kosten, die deutlich gesenkt werden können. Also ich sehe es als Win-Win-Win-Win-Situation, die Energiewende. Mehr win geht nicht, würde ich sagen an der Stelle und insofern wundere ich mich, dass wir uns mit der Diskussion im Kreis drehen. Ich persönlich höre jetzt schon seit über 25 Jahren diese Fragen über Verzicht und Wohlstandsverlust. Und dabei haben wir im Moment den Wohlstandsverlust nur deswegen, weil wir eben nicht rechtzeitig gehandelt haben. Wenn wir das seit 25, 30 Jahren machen würden, wären wir heute in einer ganz anderen Situation.
Carsten Roemheld: Wie sie gerade gesagt haben: Das klingt ja alles sehr überzeugend. Und warum verfängt dieses Narrativ nicht? Warum sind die Menschen davon nicht zu überzeugen? Es wird ja in dieser Diskussion, wie auch in vielen anderen Diskussionen sehr polarisiert argumentiert, einerseits vielleicht die Aktivisten mit ihren Methoden, andererseits die Gegner oder die Klimagegner, wie man sie so schön nennt, was ja ein paradoxer Begriff ist. Und es scheint irgendwie keine richtige Schnittmenge zu geben, aber warum kommen die Vorteile und die Dinge, von denen der Mensch profitieren kann, so wenig zur Sprache? Wie können wir erreichen, dass die Menschen diese Argumentation auch nachvollziehen können? Warum kommt das so selten zur Sprache?
Claudia Kemfert: Die Frage stelle ich mir auch schon immer seit 20 Jahren, warum drehen wir uns da immer im Kreis und da ist ja jetzt auch wieder die erste Frage, ist das alles Verzicht, ist es alles Wohlstandsverlust, so entstehen eben die Narrative auch im Kopf und man kommt gar nicht mehr durch in der Argumentation, uns wirklich ehrlich zu machen und die wahren Kosten der Energiewende oder der auch des Klimawandels, die wir im Moment ja zahlen müssen, nicht wirklich adressieren. Da wird mit Billionen hantiert, die wir dann angeblich zahlen müssen, aber sie haben ja eingangs zu Recht die hohen Kosten des Klimawandels aufgezählt, die wir nie erwähnen und auch nicht den Nutzen, den wir haben, wenn wir rechtzeitig investieren. Investitionen schaffen Wertschöpfung, schaffen Arbeitsplätze, reduzieren die Energiekosten, gerade wenn wir den Ökostrom effizient nutzen, in der Wärmepumpe, in der Elektromobilität - und reduzieren den Primärenergieverbrauch massiv, wir machen uns weniger abhängig von Autokraten, von den ganzen Schurken in der Welt, und das sind so viele Vorteile, die wir nicht müde werden, immer wieder aufzuzählen und da auch das belegen können, dass eben die volkswirtschaftlichen Vorteile enorm sind, aber auch für die Menschen an sich, und da geht es auch um positive Bilder, die wir brauchen. Dass zum Beispiel die Städte grüner werden, dass es weniger Emissionen gibt, dass sie leiser werden, dass wir insgesamt viel mehr Wohlbefinden schaffen und damit letztendlich auch volkswirtschaftlichen Wohlstand, wenn wir eben aus dieser Polarisierung rauskommen, die uns ja auch nur belasten, auch gesellschaftlich belasten. Sondern diesen Common Sense in der Mitte finden und die Mitte auch wirklich stärken. Und da kommen wir mit der Energiewende aus meiner Sicht sehr viel weiter, wenn wir eben weniger diese Schwierigkeiten haben, gerade im Energiesystem, die die fossile Wirtschaft belastet. Und eben auch die Atomenergie beispielsweise, genauso. Wo es ja auch enorme Interessen darin gibt. Und das ist, glaube ich, so ein bisschen die Antwort auf ihre Frage: Dass es enorme Interessen dahinter gibt, die dieses Narrativ auch verfangen sehen wollen in der öffentlichen Diskussion. Und durch ganz gezielte PR-Strategien immer wieder uns in die Köpfe metern, dass wir da eben nur Nachteile haben, wenn wir Klimaschutz machen. Dabei ist es umgekehrt richtig. Da gilt es eben aufzuklären. Das ist ja auch unser Job aus der Wissenschaft heraus: Die Studien vorzulegen, zu diskutieren und auch in der Öffentlichkeit zu erläutern, warum es eben auch viele Vorteile gibt.
Carsten Roemheld: Vielleicht ist auch ein Problem, dass viele Leute sich fragen, ob wir den Energiebedarf, den wir haben, tatsächlich in absehbarer Zeit mit nachhaltigen Energien decken können. Gibt's denn da auch Rechnungen, die das aufzeigen, dass man im Prinzip damit gut klar kommt, die Klimaziele zu erreichen? Es muss ja auch sozusagen einen realistischen Hintergrund haben. Denn es gibt ja oft auch Berechnungen, die sagen, wir müssten so und so viele Windparks im Jahr errichten, so und so viele Solarfarmen aufstellen, was einfach von der Umsetzung her etwas abenteuerlich erscheint. Insofern die Frage: Ist es realistisch, dass diese Klimaziele mit dem Strombedarf, den wir haben, umgesetzt werden können? Oder ist auch ein gewisser Verzicht notwendig, sozusagen, um nicht alle Wachstumsprojekte, die wir uns jetzt vielleicht vorstellen, umsetzen zu können?
Claudia Kemfert: Ja, also unsere Studien zeigen sehr deutlich, dass wir das umsetzen können, alles mit 100 Prozent erneuerbaren Energien. Aber da sind zwei zentrale Punkte sehr wichtig, die ich gerne hier erläutern würde, weil es da dieses große Missverständnis gibt, dass man immer von dem heutigen Primärenergieverbrauch, also dem, was das Energiesystem heute braucht, das eins zu eins umrechnet, wie auf einem Bierdeckel. Oder manche da irgendwie populistisch in der Öffentlichkeit irgendwas vorrechnen, was so nicht umsetzbar sein kann und damit argumentieren, so, die Energiewende geht nicht. Dabei ist es umgekehrt richtig, und dazu sind zwei Punkte wichtig, die man verstehen muss. Das eine ist, das ich eben schon kurz angesprochen habe, dass das jetzige Energiesystem mit den Fossilen, seien es Kraftwerke oder Verbrennungsmotoren, einen sehr hohen Primärenergieverbrauch hat. Das heißt, es gibt bessere Wirkungsgrade, wenn wir zum Beispiel den Ökostrom direkt nutzen in der Elektromobilität, in der Wärmepumpe. Das mittels Digitalisierung optimieren, auch gerade was den Einsatz angeht: Wenn Solarenergie beispielsweise über die Mittagszeit viel da ist, das zu kombinieren mit der Windenergie, und dann eben die Autos zu laden. So kann das Energiesystem entlastet werden. Sprich: das erste ist Effizienz. Das ist sehr zentral. Sie benutzen ja immer das Wort Verzicht. Hier geht es aber darum, Suffizienz und Konsistenz ins Energiesystem reinzubringen, und das senkt sogar auch die Kosten, optimiert das Energiesystem und macht es wirkungsvoller und schafft eben auch die Möglichkeit, dass wir 100% erneuerbare Energien haben in Deutschland mit eben nicht diesen horrenden Zubau von Windenergieanlagen. Obwohl die Solarenergie auf allen Dächern nicht schadet, würde ich sagen. Aber damit können wir es schaffen und damit auch unseren Bedarf, unseren effizienten Ökostrombedarf, wenn wir wirklich die Effizienz, Suffizienz, Konsistenz da im Vordergrund haben und eben nicht verschwenden. Verschwendung wäre zum Beispiel sehr viel Wasserstoff zu nutzen, der teuer hergestellt werden muss, mit sehr vielen Windanlagen und sehr viel Solarenergie, fünf- bis achtmal so viel, als wenn man den Ökostrom direkt nutzen würde. Wenn wir das so umsetzen, dann schaffen wir das auch wirklich mit sehr geringen volkswirtschaftlichen Kosten und das zeigen unsere Studien, aber es gibt jetzt viele Metastudien mit 100-Prozent-Erneuerbarem, für Deutschland, für Europa, auch für die Welt, die das genauso belegen. Weil es eben wichtig ist zu sehen, wenn wir weniger Primärenergieverbrauch haben, ist es sehr viel leichter, das auch mit erneuerbaren Energien abzudecken. Aber dazu gehört eben die gesamte Sektorenkopplung im Bereich Verkehr mit mehr Elektromobilität, weniger Fahrzeugen, mehr Mobilitätsdienstleistungen. Mit einer Digitalisierung, die diese Effizienz auch ermöglicht, und eben auch die energetische Gebäudesanierung mit einer Elektrifizierung, zum Beispiel durch die Wärmepumpe, aber weniger Energieverbrauch. Das heißt hier der Energieverbrauch, den Runterzubringen über die Energiewende ist der zentrale Schlüssel, um es erstens umzusetzen, zweitens effizienter zu gestalten und drittens volkswirtschaftlich effizient, und das heißt geringere Kosten, als wir heute haben. Und das ist das Missverständnis, was eben auch gezielt aus meiner Sicht, immer als Narrativ genannt wird, um eben dann wieder in dieser merkwürdigen Verzichts- und Geht-nicht-Debatte enden, aber die volkswirtschaftlichen Studien, auch unsere, die energiewirtschaftlichen Studien, zeigen das Gegenteil.
Carsten Roemheld: Die Effizienz ist das Stichwort. Sie haben ja einige dieser Aspekte auch in ihrem aktuellen Buch „Schockwellen - Letzte Chance für sichere Energien und Frieden“ dargestellt. Da haben sie einerseits die hohen Kosten der verschleppten Energiewende erwähnt. Andererseits kritisieren sie auch die Politik und die Industrie scharf dafür, dass sie die Energiewende verzögern. Sie haben vor allem auch Unternehmen genannt, RWE, EON und auch BASF, die natürlich dann entsprechende Kritik äußern. Befürchten sie, dass in irgendeiner Art und Weise der Wettbewerb beeinträchtigt wird, wenn wir, sag ich mal, im Vergleich zu anderen Staaten strengere Klimaschutzziele hätten und diesen Weg vielleicht etwa jetzt ausgehend vom jetzigen Status quo sozusagen eingehen würden? Hätten sie da Bedenken, was die Wettbewerbsfähigkeit betrifft, weil Industrie ja wie gesagt aus der Einleitung hervorgehend auch einer der wichtigsten Pfeiler des deutschen Wirtschaftssystems ist.
Claudia Kemfert: Ja, und das würde ich auch teilen. Und die Industrie brauchen wir auch weiterhin, das ist ja auch das nächste Missverständnis, dass man denkt, dass es nicht geht mit erneuerbaren Energien oder mit der Energiewende und der energieintensiven Industrie. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Also dadurch, dass sie eben, ich hatte es ja eben schon gesagt, nicht rechtzeitig investiert haben, und das ist ja auch die große Kritik, die ich in meinem Buch Schockwellen adressiert habe, dadurch verlieren wir die Wettbewerbsfähigkeit. Schauen wir doch in die USA, die massiv investieren durch den Inflation Reduction Act und die ganze grüne Industrie anlocken und wir Gefahr laufen, da nicht hinterher zu kommen.
Die Chinesen investieren massiv in die Elektromobilität, in Solarindustrie. Und da haben wir viele wichtige Jobs verloren, gerade auch in der Solarindustrie, sind da nicht mehr wettbewerbsfähig. Das waren wir mal vor 10, 15 Jahren, in all diesen Segmenten und haben es wirklich absichtlich den Bach runtergehen lassen und sehen eben heute die Folgen, die uns teuer zu stehen kommen, eben dieses vermeintlich billige russische Gas, was es nie war, was auch wirklich absehbar war, dass wir da in diese Falle laufen und wir damit erhebliche Probleme bekommen, das ist hausgemacht durch die Politik, aber eben auch durch die Unternehmen, die sie aufgezählt haben, die uns da in diesen volkswirtschaftlichen Abgrund geführt haben. Und hätten wir das nicht gemacht, hätten wir uns da eben nicht so abhängig gemacht, hätten wir weiter investiert auch in erneuerbare Energien, in die Energieeffizienz, auch in die Elektromobilität, die schon Ende der 1980er Jahre, da war ich auch mal bei großen Autokonzernen hier in Deutschland zu Gast, da rein investiert haben, das alles aufgegeben haben und heute dann mühselig hinterherlaufen und uns die Jobs wegzugehen drohen. Das ist tatsächlich das Problem. Also aus meiner Sicht ist tatsächlich es umgekehrt: So dass, wenn wir nicht rechtzeitig investieren, wir damit die Probleme noch verschärfen. Und jetzt ist höchste Zeit, es ist höchste Eisenbahn, wirklich zu investieren in diese Bereiche, um den Anschluss nicht zu verlieren, um eben gerade auch die wichtigen Industriejobs, die wir in Deutschland haben, nicht zu verlieren und da entsprechend diese Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten können. Und mich erinnert diese Diskussion immer an Täglich grüßt das Murmeltier: Schon tausendmal beantwortet, es wird nie der Nutzen dargestellt, es wird immer so getan, als wenn wir die Vergangenheit konservieren müssen und dann kommen wir nicht weiter. Dabei ist es umgekehrt richtig. Wir verhindern die Modernisierung und argumentieren immer so in so einer Welt wie früher beispielsweise Schreibmaschinenhersteller argumentiert hätten, wir müssen weiterhin Schreibmaschinen in Deutschland bauen und verhindern den Computer. Umgekehrt wäre es ja richtig und, so muss man es irgendwie auch sehen, dass diese Modernisierung wichtig ist, dass wir eben nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen, beispielsweise bei der Solarindustrie. Bei der Batterieherstellung waren wir auch mal führend vor 20 Jahren und damit eben die Modernisierung endlich zulassen, die wir dringend brauchen. Investieren in die Zukunft unserer Volkswirtschaft und damit auch die Modernisierung herbeibringen endlich und wettbewerbsfähig bleiben.
Carsten Roemheld: Hören wir also weniger auf die Schreibmaschinenhersteller und vertrauen wir mehr auf zukunftsorientiere Branchen und Industrien. Dieses Plädoyer nehme ich in jedem Fall mit aus dem ersten Teil unseres Gesprächs, liebe Frau Kemfert. Und man merkt ja, wie engagiert und leidenschaftliche Sie bei der Sache sind, wenn es um die Transformation unserer Volkswirtschaft geht. Lassen Sie uns das im zweiten Teil noch einmal vertiefen - und auch darüber sprechen, ob und wie es mit unserem Wachstumsmodell weitergehen kann. Oder ob wir uns alle besser auf eine Zeit vorbereiten sollen, in der sich Wachstum nicht mehr am steigenden Bruttoinlandsprodukt bemisst, sondern an qualitativen Fortschritten. Außerdem interessiert mich, wie wir eigentlich die von Ihnen beschriebenen Fehler der Vergangenheit ausmerzen können. Sind da nicht erhebliche Pfadabhängigkeiten entstanden – und entstehen wieder neue, wenn wir beispielsweise jetzt die Infrastruktur umbauen? Und natürlich sollten wir auch über die Rolle des Kapitalmarkts beim nachhaltigen Umbau sprechen. All das folgt im zweiten Teil unseres Gesprächs. Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung unseres Gesprächs, liebe Frau Kemfert. Und ich freue ich mich über Ihre Anregungen und Kommentare, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Mailen Sie mir gern Ihre Fragen, oder was Sie sonst zu dem Thema beschäftigt. Wo sehen Sie Chancen einer dekarbonisierten Wirtschaft? Und welche Standortrisiken fürchten Sie? Den Kontakt finden Sie wie immer in der Podcast-Beschreibung. Wenn Ihnen unser Podcast gefällt, abonnieren Sie ihn und empfehlen Sie uns weiter. Das geht auch über Likes und positive Bewertungen bei Ihrem Podcast-Programm. Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Rückmeldungen und empfehle schon jetzt den zweiten Teil unserer neuen Podcast-Folge mit Claudia Kemfert. Bis bald. Wir hören uns. Ihr Carsten Roemheld.
TEIL II:
Carsten Roemheld: Kostet Klimaschutz Wohlstand? Allein diese Frage kann Claudia Kemfert ziemlich aufregen, wie wir im ersten Teil des Podcasts mit der renommieren Energiewissenschaftlerin gehört haben. Denn die Antwort steht seit zwei Jahrzehnten fest: Es ist nicht die Energiewende, die unsere Industrie lahmen lässt oder ihre Wettbewerbsfähigkeit zerstört. Es sind im Gegenteil die fehlenden Investitionen in den Klimaschutz aus der Vergangenheit, die uns heute zu schaffen machen – und mit denen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit in manchen Zukunftsfeldern eingebüßt haben. Und nun, sagt Kemfert, ist es höchste Eisenbahn, wirklich zu investieren, um den Anschluss nicht zu verlieren. Damit herzlich willkommen zum zweiten Teil unseres Gesprächs, liebe Frau Kempfert. Die Transformation des Wirtschaftssystems, der Auf- und Ausbau klimafreundlicher Wirtschaftszweige ist also angezeigt, sagen Sie. Zugleich plädieren Sie für etwas, das Sie vorsorgeorientierte Postwachstumsökonomie nennen. Können Sie ein bisschen genauer erklären, was das sein soll? Und wie die Industrie ihren Platz in diesem Modell findet?
Claudia Kemfert: Ja, gerne. Also es geht darum, dass wir wirklich sehen, dass das ungezügelte Wirtschaftswachstum, was wir im Moment haben, zum größten Teil den Planeten zerstört. Wir zerstören unsere Umwelt, wir zerstören unsere Lebensgrundlagen am Ende, statt ihn zu beleben. Und darum geht es bei diesem Konzept. Dass das jetzige Wirtschaftssystem in einigen Teilen so nicht zukunftsfähig ist. Wir bräuchten irgendwie drei weitere Planeten in Reserve, wenn wir das jetzige Wirtschaftssystem so aufrechterhalten. Das geht tatsächlich nicht. Das heißt, wir brauchen eine Veränderung in einigen Bereichen. Es gibt wichtige gute Wachstumsbereiche, die unbedingt wachsen müssen: beispielsweise Vorsorgeeinrichtungen, deswegen auch vorsorgeorientierte Postwachstumsökonomie, aber auch Gesundheit, Bildung, sauberes Wasser, Luft, Umweltschutz. Umweltschutztechnologien in Deutschland by the way haben über zwei Millionen Jobs. Und wir sind da immer noch weltweit führend, beispielsweise in der Recyclingtechnik, Wasseraufbereitung, Entsorgung, effiziente Gebäudetechnik und so weiter. Diese Bereiche, die brauchen wir. Es gibt schlechtes Wachstum und das ist wirklich ein Problem, die eben diese begrenzten Ressourcen zu sehr ausschöpfen und da müssen wir schrumpfen. Beispielsweise beim Überkonsum, wo wir sehen, dass es in eine Richtung geht, die so nicht aufrechtzuerhalten ist. Oder die eben schon erläuterte Suffizienz im Energiesektor. Da geht es aber wirklich ums Sparen, um Energiesparen, was uns stärkt am Ende des Tages, wo wir eine Vollversorgung aus erneuerbaren Energien haben können, wo der Primär-Energieverbrauch halbiert wird. Wenn wir die Energieverschwendung, die wir heute haben, endlich stoppen und der Ökostrom nur da eingesetzt wird, wo er wirklich nötig ist, wie eben bei der Elektromobilität oder Wärmepumpe. Darum geht es. Und zusätzlich um die Kreislaufwirtschaft, wenn die Ressourcen geschont werden sollen. Dass eben weniger Klimaschäden auftreten, weniger Umweltschäden, die Stoffkreisläufe geschlossen werden, die Rohstoffe effektiv genutzt werden. Das ist wirklich kein Hexenwerk, um das es hier geht, sondern um eine Optimierung im jetzigen System, und da spreche ich jetzt nicht von „Green Growth“, also alles so weiter wie bisher. Weil viele Bereiche eben so nicht weitermachen können, sondern wir Veränderungen brauchen, Schrumpfung brauchen, andere aber mehr wachsen müssen. Und da ist es dann auch nicht Degrowth. Es sind aber diese beiden Pole, über die gestritten wird bei den Ökonomen. Sondern es ist der Mittelweg. Das ist eben diese sogenannte vorsorgeorientierte Postwachstumsökonomie, wo wir an einige Stellschrauben wirklich hart ranmüssen, wo wir dann wieder die Diskussion führen müssen, die wirkungsvoll sind, damit wir tatsächlich eine zukunftsfähige Wirtschaft bekommen, denn früher oder später laufen wir so gegen die Wand. Das tun wir aktuell schon mit allen Umweltindikatoren, die wir sehen, die gerissen werden, wo wir so nicht weiterkommen. Aber wo wir Möglichkeiten haben, eben über diesen klugen Ansatz einen Mittelweg zu finden und das Wirtschaftssystem eben nachhaltig auszurichten.
Carsten Roemheld: Das klingt sehr gut. Sie haben ja den Weg schon mehr oder weniger aufgezeigt. Aber wenn wir jetzt mal die Übergangsphase betrachten, wie sehen Sie das? Bisher wurde ja als Brücke für die klimaneutrale Wirtschaft der Ausbau der LNG-Terminals gesehen oder auch der grüne Wasserstoff. Ich weiß, sie sind da kein großer Fan davon. Was ist denn Ihrer Ansicht nach der beste Weg für diesen Übergang, der ja nicht von heute auf morgen funktioniert? Damit auch die deutsche Industrie stabil und nachhaltig mit Energie versorgt werden kann?
Claudia Kemfert: Ja, also wichtig ist tatsächlich der schnellere Ausbau der erneuerbaren Energien. Im Übrigen auch für die Industrie, die dann ja auch Energie sparen kann, großindustrielle Wärmepumpen einsetzen kann, hohe Recyclingquoten durchsetzen kann. Dann kommt man eben zu diesem wirklich nachhaltigen Wirtschaftsbereich. Die Schwerindustrie braucht grünen Wasserstoff, da bin ich sehr dafür, aber der grüne Wasserstoff ist knapp und teuer und kostbar. Wir brauchen sehr viel Ökostrom, um den herzustellen. Und deswegen dürfen wir ihn nicht verschwenden. Manche träumen ja irgendwie davon, Wasserstoff in allen Bereichen, das ist irgendwie das neue Öl: Das ist reine Verschwendung, teuer und ineffizient, und dann kommen wir eben in die Diskussion, die wir eingangs hatten, so viele Windräder auszubauen, die wir wirklich nicht brauchen und auch nicht umsetzen können oder sollten. Das heißt: Da hinzugucken, wo wir es wirklich brauchen. Und für mich hätten wir den Übergang schon vor zehn Jahren schaffen können, wir sind da spät dran. Aber jetzt wieder in fossile Infrastrukturen zu investieren wiederholt die Fehler der Vergangenheit, gerade bei den überdimensionierten LNG-Terminals, die im Übrigen fast gar nicht ausgelastet sind, das haben wir auch prognostiziert. Und das wiederholt die Fehler der Vergangenheit und dann sind wir wieder in der fossilen Falle, haben Verträge über Jahrzehnte abgeschlossen, mit denen wir überhaupt nicht die Klimaziele erfüllen können und uns wieder in diese Lock-in-Effekte hineinbegeben, also fossile Pfadabhängigkeiten schaffen, die uns mehr Probleme machen am Ende des Tages. Das heißt: Warum investieren wir nicht endlich in die Bereiche, die wirklich sinnvoll sind, erneuerbare Energien, Energiesparen, Energieeffizienz, grüner Wasserstoff auch heimisch hergestellt das schafft Arbeitsplätze, Wertschöpfung. Aber eben die Verschwendung vermeiden, wirklich auf Nachhaltigkeit setzen, Recyclingwirtschaft bietet so viele Chancen, an so vielen Stellen. Warum nutzen wir das nicht? An dem Punkt bin ich eben, nicht wieder Investitionen zu verschwenden in Bereiche, die uns in die Vergangenheit bringen und nicht in die Zukunft.
Carsten Roemheld: Schauen wir mal auf die politischen Rahmenbedingungen. Das ist ja immer wichtig, auch für die Unternehmen, die ja öfter schon mal schlechte Planbarkeit beklagen. Auch Sie plädieren natürlich für klare und langfristige politische Ziele. Das mag dann auch manchmal wahrscheinlich an unserem System liegen, dass eine Regierung nur vielleicht so weit schaut, wie sie im Amt ist. Das ist vielleicht auch ein Problem. Aber welche konkreten politischen Maßnahmen empfehlen sie denn hier für einen etwas längerfristigen und einen planbaren Horizont für die Unternehmen?
Claudia Kemfert: Ich verstehe die Unternehmen total, die sich da beschweren, denn Unternehmen brauchen langfristige Planbarkeit und nicht dieses hü und hott. Und wir hatten wirklich jetzt immer wieder die letzten 15 Jahre, auch wo ich das aktiv kommunikativ begleitet habe, dann immer dieses hü und hott, rein in die Kartoffel, raus aus den Kartoffeln, und das ist natürlich total störend und totales Gift auch für die Planbarkeit. Und deswegen haben da Unternehmen wirklich einen wichtigen Punkt. Ich denke, dass man den Unternehmen mehr helfen würde, wenn man wirklich einmal festlegt: Wir gehen die Energiewende, wir brauchen einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Das wäre die erste Maßnahme, die ich auch konkret empfehle: das Deutschlandtempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien anwenden. Weniger Bürokratie, erleichterte Verfahren, mehr Personen in den Ämtern, Digitalisierung, juristische Klarheit, nicht 70 Ordner für eine Windanlage, sondern sieben. Nicht sieben Jahre für eine Windanlage, sondern sieben Monate. Darum muss es gehen, um da schneller zu werden und dann schaffen wir schon mal einen wichtigen Baustein. Das zweite ist tatsächlich dieses Wärmewende-Desaster beenden, also dass man vorwärtskommt mit der energetischen Sanierung, mehr Wärmepumpen einbaut, die sind einfach effizient. Wasserstoff ist reine Verschwendung, ist eben der Champagner unter den Energieträgern, wir müssen so viel Ökostrom einsetzen, um den herzustellen, deswegen besser den Ökostrom gleich direkt nutzen. Und das hilft den Unternehmen auch, weil es die Kosten massiv senkt. Im Übrigen sind wir gerade bei der Wärmewende im europäischen Vergleich irgendwie auf dem vorletzten Platz. Also wir sind wahnsinnig spät dran. Auch bei der Verkehrswende: Zum Beispiel Tempolimit könnte man machen, Steuervorteile auch bei dem Verbrennungsmotor, Stichwort Dieselsteuer, abschaffen. Also das Dieselprivileg abschaffen. Die CO2-Bepreisung geht da in die richtige Richtung, aber dann kommt wieder so ein Tankrabatt, das ist natürlich dann wieder kontraproduktiv. Also das ist zum Thema politische Klarheit. Bei der Industrie geht es um die Förderung der Großindustrie, gerade auch großindustrieller Wärmepumpen. Wir brauchen da Steuer-Strompreisrabatte wirklich für die energieintensiven Branchen. Das können wir empirisch nachweisen, welche das sind. Also nicht mit der Gießkanne an alle, sondern wirklich an die Bedürftigen. Das ist ja empirisch festzustellen und das sollte man auch daran festlegen: Papierindustrie, Chemie, Fahrzeugbau ist hier zu nennen. Und auch messen wirklich die echten Produktionskosten. Und die Förderung von grünem Wasserstoff, wirklich echtem grünen Wasserstoff, das würde uns schon enorm helfen. Und die Industrie braucht ja Klarheit. Ich werbe sehr dafür [31:20 „für“, Schneiden!], dann auch mal sagen, so machen wir das jetzt und da wollen wir hin. Und dass nicht alles ständig wieder in Frage stellen und dann wieder rückabwickeln und dann wieder nach vorne und rückwärts. Drei Schritte vor und zwei zurück ist der falsche Weg.
Carsten Roemheld: Sie haben auch einen weiteren Punkt eben angesprochen schon, und zwar die Bürokratie, die ja ein großes Thema ist. Sie sagten nicht irgendwie 70 Ordner, sondern nur sieben für die Windkraftanlagen. Aber wie kann man denn effektiv diese langwierigen und komplizierten Verfahren in den Griff bekommen, die es zum Beispiel braucht, um eine Windkraftanlage zu genehmigen? Haben wir da nicht eine doch zu große Bürokratie, die uns da im Weg steht, wie können wir es denn schaffen, und auch auf europäischer Ebene, das ganze irgendwie voranzutreiben?
Claudia Kemfert: Ja, also das ist wirklich ein Riesenthema: Bürokratie ist wirklich ein Thema und die Rechtsfragen, auch die Rechtsklarheit, die wir brauchen, um eben diese Transformation auch zu machen. Das sehen wir auch bei der Windenergie, da geht es ja auch in Richtung Artenschutz, dass man nicht alles wieder rückabwickeln muss, sondern wirklich ganz konkrete Klarheit hat. Bürokratie erleichtern, wirklich mal durchforsten: Welche Hinderungsgesetze haben wir denn noch? Das sehen wir auch bei der Verkehrswende, beispielsweise der Straßenverkehrsordnung. Da wurde jetzt ein bisschen angepasst, das geht schon mal etwas in die richtige Richtung. Wo man einfach viele alte Regelungen drin hat, die nur das Automobil bevorteilen und gar nicht in Richtung Mobilität für alle gehen und die Nachhaltigkeit auch nicht drin haben. Das ist so ein Beispiel, wo man erkennt: Das kommt aus einer Vergangenheit, wo wir andere Rahmenbedingungen hatten. Das müsste man alles schrittweise durchforsten, einfacher machen, Bürokratie erleichtern. Da braucht man eben aber auch Mut dafür und Personen, die sich da mal hinsetzen und sagen: Wir haben das und das Ziel, wir streichen jetzt die und die Sachen raus, die wir dafür nicht brauchen. Das wäre wirklich toll, wenn man das mal schaffen würde. Da sollten sich Juristen dransetzen und wirklich mal alles durchforsten. Das wäre so mein Wunsch. Und europäisch: Europa gibt sowieso die Rahmenbedingungen vor. Und die, wenn wir auch den Green Deal angucken, da haben wir nun wirklich echte Ziele, die man umsetzen muss und deswegen ist es wichtig, dass wir da auch vorwärtskommen.
Carsten Roemheld: Da gebe ich Ihnen völlig recht. Also wenn diese Bürokratie abgebaut werden könnte, wäre das wirklich ein großer Segen. Aber jetzt ist es für große Unternehmen und Industrieunternehmen, die wir eben angesprochen haben, vielleicht noch ein bisschen leichter, weil die natürlich auch große Teams haben und viele Leute, die sich mit den Themen beschäftigen, aber das Zentrum, das Epizentrum der deutschen Wirtschaft sind ja auch Klein- und Mittelständler, und die haben vielleicht nicht diese Möglichkeiten, die Ressourcen, um bei dieser Transformation vielleicht entsprechend mitzumachen und gut gewappnet zu sein. Wie kann man verhindern, dass die nicht große Nachteile davontragen?
Claudia Kemfert: Gerade bei den kleinen Unternehmen und Mittelständlern sieht das eben auch völlig anders aus. Sie können diese Teams nicht einstellen. Und das auch zurecht. Das sehen wir ja zum Beispiel auch bei der Bürgerenergie. Ein anderes Beispiel ist bei Windenergieausschreibung, die dann da gar nicht mithalten können. Das ist bei vielen kleinen Unternehmen dann auch so, und die können auch keine Teams einstellen, oder so viele Menschen, die jetzt nur Bürokratie abarbeiten. Deswegen muss man da erleichtern: Digitalisierung ist hier der Schlüssel aus meiner Sicht. Künstliche Intelligenz auch walten lassen, es würde so viel helfen auch bei der Abwicklung, auch solchen Prozessen. Es fehlen ja auch viele Personen in den Ämtern, die sich um die ganzen Angelegenheiten kümmern, um dann eben den Unternehmen auch wirklich zu helfen an der Stelle ist wirklich Bedarf. Und das betrifft ja nicht nur Unternehmen, das betrifft ja alle Menschen in diesem Land, dass wir darunter leiden unter der mangelnden Infrastruktur, nicht nur bei der Bahn, sondern eben auch bei der Digitalisierung. Und da gilt es, dass diese Unternehmen nicht untergehen und die Transformation erleichtert wird: durch klare Rahmenbedingungen, durch weniger Bürokratie, durch Effizienz, durch mehr Digitalisierung, künstliche Intelligenz, um da eben zu helfen. Das ist wirklich machbar. Wir sehen es ja in den anderen Ländern, die sehr viel moderner sind als wir, dass das auch leichter gehen kann.
Carsten Roemheld: Sie haben jetzt einige Wünsche geäußert beziehungsweise einige Dinge aufgezeigt, wie man das hinbekommen kann. Jetzt haben wir gerade die Haushaltsdebatte in der aktuellen Regierung. Sie haben das ja schon mal im ersten Ansatz hier als Turbo-Klimabremse-Programm bezeichnet. Wenn sie es mal auf die aktuelle Entwicklung schauen und das, was die Regierung jetzt gerade beschlossen hat: Was läuft da aus Ihrer Sicht schief oder was entspricht genau nicht dem, was sie gefordert haben? Beziehungsweise: Wo wird das Geld für die falschen Dinge im Moment ausgegeben?
Claudia Kemfert: Ja, das ist wieder so diese Fehler der Vergangenheit wiederholen. Da fühle ich mich wieder in der Endlosschleife, dass man wieder argumentieren muss: Das, was ihr da macht, geht in die falsche Richtung. Das betrifft vor allen Dingen die Fehlinvestitionen, zu viele Gaskraftwerke, zu viele Flüssiggasterminals, die wir nie brauchen, und eben die Lock-in-Effekte für die fossile Industrie wieder einschlagen. Es fehlen Investitionen in die Bahn, es fehlen Investitionen in die Digitalisierung, in die Infrastruktur, was ich eben schon aufgezählt hab und eben auch in die beschleunigte Energiewende. Wir bräuchten heute eine Vervierfachung der Ausgaben in die Schiene, um eben ansatzweise so eine Bahn zu haben, wie in Österreich oder Schweiz oder so, wo das auch wirklich funktioniert. Wir bräuchten eine ÖPNV-Förderung, Neun-Euro-Ticket für immer, Tempolimit wäre leicht durchzusetzen, kostet überhaupt gar nichts, fossile Subventionen abschaffen, Dienstwagenprivileg, Diesel-Steuern, diese Dinge. Oder innerdeutsche Flüge, wenn wir da die Bahn hätten, müsste man sie auch verbieten. Wir brauchen sie nicht. Oder wir verteuern sie so stark, dass es unattraktiver wird. Und auch keine Verschlechterung der erneuerbaren Förderung, was ja jetzt auch in der Diskussion steht. Es fehlt das Klimageld, weil wir auch eine CO2-Abgabe haben. Diese soziale Unwucht, die wir haben, die Ungerechtigkeiten nehmen weiter zu, dadurch auch die Polarisierung, die sie ja eingangs zu Recht angesprochen haben. Die kommen in der Tat daher, dass man eben die soziale Schieflage weiter zulässt. Deswegen sehe ich das als völlig unzureichend an, diese Schuldenbremse, die uns da unnötige Hemmnisse oder Fesseln an die Füße legt. Das ist der völlig falsche Weg. Wir brauchen Investitionen in die Zukunft, in die Modernisierung. Wir könnten da auch zum Beispiel durch mehr Steuergerechtigkeit, indem man Superreiche stärker besteuert, diese Unwucht ausgleichen und sehr viel mehr erreichen für sozialen Wohlstand und mehr soziale Gerechtigkeit. All diese Dinge fehlen. Das heißt, wir wiederholen die gleichen Fehler der Vergangenheit, machen falsche Weichenstellungen, die kosten uns viel Geld. Am Ende müssen wir wieder alles entschädigen, müssen alles rückbauen, wie wir das jetzt auch bei dem Gas gesehen haben. Deswegen bin ich wirklich sehr enttäuscht von diesen jetzigen Entscheidungen.
Carsten Roemheld: Wir haben jetzt viel über Politik und Unternehmen gesprochen, aber sie haben durchaus auch die Rolle des Kapitalmarkts erläutert in der ganzen Diskussion. Vielleicht beginnen wir mal mit Ihrer Sicht im letzten Block, den wir gerade besprechen, mit ihrer Sicht auf den Kapitalmarkt, wie er heute funktioniert. Sie haben ja die Entwicklungen aus den 1980er, 1990er Jahren mal als eine Fehlentwicklung hin zu Raubtier-Wall-Street-Kapitalismus bezeichnet. Das ist ja ziemlich scharfe Kritik. Vielleicht können Sie noch mal erklären, wie aus Ihrer Sicht auch der Kapitalmarkt vielleicht dazu beigetragen hat, dass die Klimakrise vielleicht damit auch befeuert wurde?
Claudia Kemfert: Ja, das ist so ein bisschen diese Gordon-Gekko-Welt, wo im Film Wall Street angepriesen wurde, jede Investition zu tätigen und sich raubtierhaft zu verhalten. Da haben wir uns in einer Welt bewegt, die uns nachhaltig geschadet hat. Da geht es in erster Linie um die Investitionen in die fossile Welt, dass wir eine sogenannte Carbon Bubble aufgebaut haben. Es geht um zu wenig Regulierung. Die Bankenkrise 2008 hat es ja gezeigt, es sind immer noch zu viele Anlageformen da, die auf fossiles Kapital setzen, in den Büchern der Welt, also überall. Auch in den Unternehmen ist noch zu viel fossiles Anlagekapital. Also darum geht es in erster Linie. Wir brauchen Kapital, um in den Klimaschutz zu investieren, in die Elektromobilität, in das Energiesparen, Wärmepumpen. Deswegen sehe ich den Kapitalmarkt als ganz, ganz, ganz zentral an, um einerseits den Klimaschutz voranzubringen, uns zu modernisieren, die Wirtschaft zu stärken. Aber auch gleichzeitig auch, es zu schaffen, wegzukommen von den fossilen Anlageformen in dieser fossilen Welt. Diese Carbon Bubble nicht platzen lassen, sondern rechtzeitig das Kapital da rauszunehmen. Wir sehen doch aktuelle Finanzdaten, die jetzt auch im Mai 2024 erhoben wurden, die belegen, dass die Investoren weltweit immer noch 4,3 Billionen US-Dollar in Anleihen und Aktien von Unternehmen investiert sind, die in fossilen Industrien aktiv sind. Das sind auch Pensionsfonds, das sind auch Versicherungen, Vermögensverwaltungen, Hedgefonds, Staatsfonds, Stiftungsfonds und so weiter. Wo man sieht: Diese 4 Billionen Dollar, das ist immer noch diese Carbon Bubble, die wir platzen lassen müssten, wenn wir die Klimaziele ernst nehmen. Das heißt, hier gilt es darum, dass man die institutionellen Anleger wirklich wachrüttelt, nicht mehr in Kohle, Öl und Gasunternehmen investiert, sondern rechtzeitig aussteigt, die Investitionen wegschiebt von den fossilen Kapitalanlagen, da ein Riegel vorschiebt und eben investiert in die nachhaltigen Bereiche, die wir eingangs alle aufgezählt haben. Die Wirtschaftsbereiche sind ja gigantisch groß, von Elektromobilität, erneuerbarer Energien, Batterienherstellung, Recycling, Umwelttechnologien, gigantische Chancen, die da liegen. Und darum geht es, dass wir das stärker regulieren müssen.
Carsten Roemheld: Also da hat sich ja in den letzten Jahren einiges getan, also gerade in Richtung grüner Investments in unserer Industrie ist der Begriff ESG natürlich seit mehreren Jahren absolut gängig und wurde auch sehr deutlich nach vorne gebracht. Nachhaltigkeit, verantwortungsvolles Management, das dürfte den meisten Anlegerinnen und Anlegern inzwischen ein Begriff sein. Es gibt ja auch spezielle Anlageprodukte, die in nachhaltige Technologien und Unternehmen investieren und auch mit strikten Ausschlusskriterien arbeiten, so wie sie sie gerade auch gefordert haben. Und es gibt grüne Anleihen, die natürlich speziell zur Finanzierung von Projekten ausgegeben werden. Ist das aus ihrer Sicht bisher noch zu wenig? Oder sind wir da schon auf einem richtigen Weg?
Claudia Kemfert: Also ich freue mich sehr über diese grünen Anleihen, unbedingt mehr davon und wirklich kein Greenwashing an der Stelle. Sondern: keine Rüstung, kein Atom, ich weiß, die Diskussion wird im Moment wieder geführt, auch bei Rüstung, ethisch nachhaltig, wirklich mehr als immer nur dieser reine Öko-Ansatz. ESG heißt ja auch, soziale Belange, Governance. Ich bin in Kuratorien auch von solchen nachhaltigen Anlagefonds, wo wir wirklich die Unternehmen durchforsten und gucken, wie hoch ist der Anteil auch weltweit. Frauen in Führungspositionen: Wie gehen sie mit ihren Mitarbeiterinnen um, wie ist die Führung eines solchen Unternehmens? Das gehört ja letztendlich auch dazu. Und ich freue mich, dass das immer mehr wächst und dass hoffentlich auch immer mehr Anleger verstehen, dass das wichtig ist. Aber: Viele gucken eben trotzdem nur auf die reine Rentabilität, auf die Liquidität, und gucken überhaupt nicht aufs Risiko. Man sieht ja auch bei den fossilen Anleihen, wie riskant die letztendlich sind. Aber Risiken werden ja immer eher diesen Zukunftsmärkten zugeschrieben. Insofern wünsche ich mir da mehr Transparenz, mehr Nachhaltigkeit, mehr Information. Ich kann nur berichten: Ich bin auch in Kuratorien von Stiftungen und da ist oftmals nicht so eine breite Information da. Ich bin da auch immer ganz erstaunt, dass, wenn ich das erwähne, und das tue ich ja nun immer und überall, wo ich dabei bin: Zieht euer Kapital raus aus den fossilen Risikobereichen und geht rein in die echte Nachhaltigkeit, da gibt es tolle Anlagefonds, die ich sehr schätze. Das passiert aus meiner Sicht leider immer noch viel zu wenig. Selbst in nachhaltigen Stiftungen, wo man denken würde das ist anders, ist es immer noch so. Und da hat man auch oft die Argumentation, dass das nicht rentabel genug ist. Es geht aber nicht nur um Rentabilität, es geht um sehr viel mehr. Wir haben das alles adressiert: Geldanlegen heißt eben auch, verantwortungsvoll damit umgehen. Es gibt ja auch grüne Girokonten und so weiter. Es geht um Vermögensaufbau, um Altersvorsorge bei jedem Menschen. Und da werbe ich sehr stark dafür, da wirklich zu gucken, dass soziale und ökologische Kriterien mit abgedeckt werden. Ich freue mich, wenn es immer mehr gibt und ich denke, wenn die Nachfrage auch noch mehr wäre, würde das Angebot auch noch weiterwachsen.
Carsten Roemheld: Die Finanzindustrie spielt hier eine ganz entscheidende Rolle. Jetzt hat auch die EU mit der Taxonomie-Verordnung ein Instrument geschaffen, das den Anlegerinnen und Anlegern helfen soll, grüne Investments zu identifizieren und auch messbare Fortschritte zu erzielen. Aber auch das steht stärker in der Kritik. Können Sie vielleicht aus Ihrer Sicht mal die Schwachstellen erläutern und das, was vielleicht noch verändert werden muss?
Claudia Kemfert: Das, was ich da wirklich dran kritisiere, sind wieder die Hintertüren. Also dass die EU-Taxonomie eben doch fossile Investitionen erlaubt, gerade in Gas, und das auch noch auf Druck von Deutschland, obwohl wir es eigentlich besser wissen müssen, wie schwierig das Gasgeschäft sein kann aus volkswirtschaftlicher Sicht. Dann noch in Atomenergie, die auch in keinster Weise nachhaltig ist. Gerade in diesen Zeiten mit geopolitischen Risiken, mit Kriegen, wo doch die Atomenergie auch kritisch zu beurteilen ist, haben wir das immer noch jetzt in diesen Möglichkeiten mit drin. Das heißt, durch die Hintertür kann man eben auch da wieder diese fossilen und atomaren Lock-Ins schaffen, die zu kritisieren sind. Taxonomien sollten wirklich Transparenz schaffen, Orientierung geben für die Kapitalströme, Finanzströme in die nachhaltige, auch in eine klimaschonende Aktivität. Und dass auch die Länder einheitliche Taxonomien haben und nicht unterschiedliche Ansätze. Dass die Transparenz oft gar nicht da ist und die Standards unterschiedlich sind. Das heißt: Da brauchen wir dringend auch eine Harmonisierung, und die sollten eben auch für alle Marktteilnehmer gleich gelten und dass man da nicht diese Unterschiede hat oder auch sehr unterschiedliche Transparenzen oder auch die Auswahlkriterien dann sehr unterschiedlich oftmals sind. Und deswegen gilt es da aus meiner Sicht einerseits klare Rahmenbedingungen haben, wirklich echte Nachhaltigkeit, Transparenz ist wichtig, die Schwellenwerte auch für fossile Energieintensität sich noch mal genau anschauen, ausschließen auch nach ethischen Kriterien, nach sozialen Standards. Das ist, glaube ich, das Zentrale an dieser Stelle und dass wir da eben oftmals Greenwashing wieder erlauben, leider durch die Hintertür, dass manche, also es gibt ja immer schwarze Schafe, aber dass manche einfach ihre fossilen Assets einfach grün anmalen, das sollte wirklich vermieden werden. Und um diese einheitliche Taxonomie geht es, um Nachhaltigkeit und Transparenz.
Carsten Roemheld: Vielleicht können Sie uns zum Abschluss noch mal einen kleinen Ausblick darauf geben, wie der Kapitalmarkt einer zukunftsfähigen Wirtschaft aus ihrer Sicht aussehen müsste. Sie haben ja schon ihre Version der vorsorgeorientierten Post-Wachstumsökonomie aufgezeigt und auch ein bisschen die Rolle des Kapitalmarkts erläutert. Die Ökonomie muss sich ja auch refinanzieren. Vielleicht können sie noch mal ein bisschen zum Abschluss diese Version oder Ihre Version eines solchen Kapitalmarkts aufzeigen und wie es gelingen kann, einen solchen Kapitalmarkt weiter auf und auszubauen.
Claudia Kemfert: Also für mich ist wirklich der Kapitalmarkt das Fundament, das zentrale Fundament für diesen Wandel, auch für die Transformation. Das Gute muss ja wachsen auch in dieser vorsorgeorientierte Post-Wachstumsökonomie, wo wir wirklich diese schlechten Bereiche ausmerzen müssen, sonst schaffen wir es nicht, auf diesem Planeten überlebensfähig zu bleiben. Das schlechte muss schrumpfen, das Gute muss wachsen, aber dafür brauchen wir Kapital. Also keine Investitionen mehr in fossile Unternehmen oder fossiles Kapital, sondern wirklich in diese Bereiche, die notwendig sind. Greening the Brown würde ich es mal nennen. Also wo wir da mit den Kriterien, die wir im Moment haben, mit den ESG-Kriterien, schon einen guten Ansatz haben, der aber auch wirklich mit Leben gefüllt werden muss. Da brauchen wir Investitionen in Klimaschutz, Investitionen in Bildung, in Digitalisierung, in Gesundheit und Forschung, Kultur, in die echte Realwirtschaft. Dass wir diese computergestützte Casino-Mentalität da nicht haben, sondern es wirklich fair zugeht, gerecht, transparent, sozial ausgeglichen, grün und nachhaltig. Das ist meine Wunschvorstellung für diese vorsorgeorientierte Post-Wachstumsökonomie, wo der Kapitalmarkt eine zentrale Rolle spielt, einmal der Investition für diese Transformation, aber auch als Fundament für eine echte, gerechte, auch grüne, nachhaltige Wirtschaft, die wir dringend brauchen.
Das ist doch ein wunderbarer Abschluss. Und dann hoffe ich, dass wir mit diesem Podcast auch mit einigen Missverständnissen, wie Sie sie am Anfang erwähnt haben, aufräumen konnten. Frau Kemfert, ich danke Ihnen vielmals für die spannenden Einblicke und das sehr, sehr interessante Gespräch.
Claudia Kemfert: Ja, vielen Dank Herr Roemheld, war ein spannendes Gespräch. Ich freu mich auch, dass wir viele Zuhörerinnen haben und Ihnen alles Gute.
Carsten Roemheld: Das soll es für heute gewesen sein, auch ihnen, liebe Zuhörer, herzlichen Dank für ihr Interesse. Wir hoffen, dass wir Ihnen heute wieder ein paar spannende Einblicke vermitteln konnten und sehen uns hoffentlich beim nächsten Mal oder in einem der vielen anderen Formate, Blogs oder Webinare, die wir für Sie bereitstellen. Vielen Dank und herzliche Grüße, Ihr Carsten Roemheld.