Fidelity Podcast
Thema: Energiewende: Sind Städte der entscheidende Faktor? – Teil 2
Carsten Roemheld: Herzlich willkommen zum zweiten Teil der neuen Ausgabe des monatlichen Kapitalmarkt-Podcasts der Fondsgesellschaft Fidelity International. Mein Name ist Carsten Roemheld, ich bin Kapitalmarkt-Stratege bei Fidelity und ich suche an dieser Stelle einmal im Monat Antworten auf eine entscheidende Frage: Was bedeuten die wirtschaftlichen Entwicklungen von heute für die Anlagestrategie von morgen?
Für diesen Monat habe ich mich mit Rana Adib verabredet. Sie ist Exekutivdirektorin der politischen Initiative „Renewable Energy Policy Network for the 21st Century”, kurz REN21, mit Sitz in Paris. Und sie vertritt die These, dass die Energiewende uns nur gelingen kann, wenn die Städte sich dafür engagieren. Der Anfang dazu ist gemacht, berichtete sie im ersten Teil unseres Podcasts. Ende 2020 lebten mehr als eine Milliarde Menschen, ein Viertel der städtischen Bevölkerung der Welt, in einer Stadt, die ein Klimaziel ausgegeben hat. Im zweiten Teil haben wir nun darüber gesprochen, was wir als Bürger tun können, um die Energiewende in den Städten weiter voranzubringen, und auch, was wir als Investoren erreichen können. Rana Adib ist zuversichtlich, dass Veränderungen im Konsumverhalten und nachhaltige Inventionen der Energiewende einen kräftigen Schub verleihen können.
Außerdem haben wir uns über Chinas Motivation für mehr Klimaschutz unterhalten und über die Rolle der Staaten. Die haben in der COVID-19-Pandemie ihre Handlungsstärke unter Beweis gestellt, sagt Rana Adib. Sie plädiert dafür, den Weg aus der Krise mit einem drastischen Strukturwandel zu verknüpfen. Weg von den fossilen Energieträgern Kohle, Gas und Öl.
Viel Spaß beim zweiten Teil unseres Gesprächs zur Rolle der Städte bei der Energiewende.
Carsten Roemheld: Ich möchte mal gerne auf den einzelnen Bürger eingehen, weil natürlich der Bürger auch sehr viel Einfluss hat auf die Städte, auf die Kommunen und eben auch vielleicht auf eine lokale Energiewende. Wie kann der Bürger sich beteiligen? Welche Macht, welche Kraft geht da auch von der Bevölkerung aus, diese Energiewende zu beschleunigen?
Rana Adib: Ich denke, der Bürger kann sich insgesamt schon mal beteiligen, indem er erst mal die Frage stellt, wo kommt meine Energie denn her. Und dann rausfindet, wo kann ich denn erneuerbare Energien herkriegen. Und ich glaube, das ist tatsächlich dieses Bewusstsein, das muss geschaffen werden. Der andere Aspekt ist allerdings auch, dass Bürgerinnen und Bürger – und ich glaube das ist, wie gesagt, Fridays for Future ist dann immer ein gutes Beispiel, wir sehen aber auch tatsächlich jetzt gerade die Rechtsentscheidungen, die gefällt wurden, auch in Deutschland, was Shell angeht usw. –, dass Bürger in der Kollaboration, also in der Vernetzung, über NGOs ganz klar Einfluss nehmen können.
Der andere Aspekt ist, auch zu fragen, wo kommt das Geld her und wo geht das Geld hin, was ich ausgebe. Und ich denke, hier sehen wir tatsächlich, dass der Finanzsektor zum Beispiel heute auch soziale und Umweltaspekte in die Entscheidung mit reinnimmt und die Transparenz hier bringt, sodass Bürger auch Entscheidungen fällen können. Und dann ist natürlich die nächste Etappe, dass Bürger entweder alleine oder auf einer Stadtviertelebene zum Beispiel oder in einer Nachbarschaft gemeinsame Projekte anstossen und investieren können in erneuerbare Energien – und hier auch dann wirtschaftlich beteiligt sind an der Energiewende. Und ich glaube, das ist tatsächlich heute eine echte Stärke der erneuerbaren Energien, die auch in den politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen abgebildet sein muss. Weil sie auch dazu führt, dass Bürgerinnen und Bürger die Energiewende entsprechend mit unterstützen.
Das ist heute sicherlich eine der großen Herausforderungen. Weltweit gibt es Unterstützung für erneuerbare Energien, wir sehen aber, dass es lokal ganz klar auch einen Push-Back gibt. Von daher die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende, wirtschaftlich, aber auch in der Demokratie, ist einfach sehr wichtig.
Carsten Roemheld: Sie haben gerade schon den Finanzsektor angesprochen, da kann ich natürlich eine Menge dazu sagen. Können wir später noch mal kurz darauf kommen, auf den Finanzsektor, weil der sicherlich auch eine wichtige Rolle spielt. Noch eine Frage zu den Städten: Inwiefern spielt denn die Größe der Stadt oder der Kommune eine Rolle, wenn es um die Bereitschaft geht, eben diese Energiewende auf lokaler Ebene voranzutreiben?
Rana Adib: Die Realität ist tatsächlich, dass kleinere und mittlere Kommunen hier weniger Ressourcen haben. Und hier geht es nicht nur um die Finanzressourcen, sondern es geht häufig einfach um die Ressourcen überhaupt. Also energieintegrierte Planung, Städteplanung ist hochkomplex und bedeutet auch die Einbindung sehr vieler Akteure und hier bedarf‘s einfach Ressourcen. Entsprechend ist das sicherlich eine größere Herausforderung für kleine und mittlere Kommunen in Vergleich zu größeren Kommunen.
Was wir allerdings sehen, wenn wir uns die Kommunen angucken, die Erneuerbare-Energie-Ziele haben, ist, dass die kleinen und mittleren Kommunen sehr viel ambitionierter sind. Und dies hat sicherlich was damit zu tun, dass einfach eine lokale Verankerung, ein lokales Bewusstsein häufig auch stärker ist; die Integration in ein ökologisches Umfeld auch präsenter ist als in Großstädten und die Bürger noch mal ein Stück weiter auch an den Kommunen dran sind.
Ganz klare Möglichkeiten, diese Kommunen zu unterstützen, muss natürlich zum einen durch nationale Regierungen geschaffen werden; dass die Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, noch mal Zugang zu Finanzierungen, aber eben auch Zugang zur Expertise. Was wir allerdings auch sehen, ist, dass einfach solche Kommunen sehr, sehr stark in Städtenetzwerken zusammenarbeiten. Und das ist heute wirklich ein sehr wichtiger Hebel – nicht nur, um die Energiewende lokal voranzubringen, sondern auch auf Städteebene.
Und hier möchte ich zwei konkrete Beispiele nennen: In Südkorea und in Japan haben ganz klar Städte im Städteverbund und nicht nur die Energiewende auf Städteebene, sondern auch auf der nationalen Ebene, vorangebracht. Das sind Städte, die selber Klimaziele hatten, und ganz klar Einfluss genommen haben auf die nationale Regierung, dass sie ambitionierter wird. Und dies funktioniert einfach sehr gut, weil entsprechend ein stetes Sprachrohr existiert, aber eben auch die Städte – ich glaube, 80 % des Bruttoinlandprodukts global liegt in Städten. Städte sind verantwortlich für etwa drei Viertel des Energieverbrauchs, sie sind verantwortlich für drei Viertel der CO2-Emissionen und das bedeutet natürlich, das sie extrem relevant sind für die nationalen Regierungen, die Energiewende voranzutreiben und die Klimaziele zu erreichen. Und so was funktioniert dann im Verbund sehr viel besser, als wenn eine Stadt einzeln agiert.
Carsten Roemheld: Was auch sehr wichtig sein dürfte für diese Überlegung ist das Land China und wir haben schon in vielen anderen Podcasts in der Vergangenheit über China gesprochen, weil’s einfach sehr, sehr interessant ist, über das Land zu sprechen und die Entwicklungen dort zu verfolgen. China ist ja nach wie vor einer der größten Umweltverschmutzer der Welt und hat aber trotzdem sich jetzt Klimaziele gesetzt. Bis 2060 will China auch klimaneutral werden und ist jetzt sehr stark und sehr motiviert dazu übergegangen, diese Ziele zu verfolgen. Vor einigen Jahren war das noch relativ egal, sage ich mal – flapsig gesagt: Wachstum um jeden Preis. Was hat sich auch in China geändert, dass eben diese Ziele und diese Ambitionen jetzt so eine große Rolle spielen?
Rana Adib: Was sehr interessant ist und, ich denke, das zeigt eben auch, dass auf der Städteebene häufig Klima nicht der Haupt-Driver ist für die Energiewende, ist wirklich das Thema Luftverschmutzung – ist in China extrem präsent in den Städten. Ich glaube, 80 % der am meisten – nageln Sie mich nicht darauf fest –, aber der Städte mit der höchsten Luftverschmutzung liegen im asiatischen Raum. Und dies bedeutet natürlich ganz klar Konsequenzen für die Umwelt, Konsequenzen für die Gesundheit und extrem hohe Kosten für die Volkswirtschaft. Und das ist ein Hauptmotor gewesen für die Energiewende in China.
Wo China sehr interessant ist, ist, dass es hier tatsächlich eine Kopplung gibt von Klimazielen, von Zielen, was zum Beispiel die Luftqualität angeht, aber auch mit der industriepolitischen Entwicklung. Also hier geht es darum, auch einfach einen Wirtschaftszweig aufzubauen, und das sieht man dann natürlich auch, wenn man sich die Erneuerbare-Energie-Zahlen – also, was die Kapazitäten angeht, Investitionen etc. – anguckt, ist China hier einfach ein Leader weltweit.
Carsten Roemheld: Ja, absolut. Eine wichtige Rolle spielen auch die energieintensiven Sektoren und Unternehmen und die Energiewirtschaft selbst. Welche Rolle spielen die aus Ihrer Sicht bei der Energiewende? Sind sie eher ein Teil des Problems oder auch ein Teil der Lösung?
Rana Adib: Ich glaube, es gibt nie Schwarz und Weiß, von daher sind sie beides. Sie sind ein Teil des Problems, vor allem, wenn es um die energieintensiven Industrien geht, weil es Sektoren sind, wo die Energiewende sehr viel komplizierter ist voranzubringen. Also, wenn wir uns den Stromsektor angucken oder auch den Gebäudesektor, Transportmittel, Elektromobilität, gibt es hier einfach technische Lösungen, die heute schon existieren und eigentlich nur – „nur“ – verbreitet werden müssen. Wenn wir uns tatsächlich energieintensive Industriezweige angucken, gibt es hier Lösungen und wir sehen, dass das Innovationspotenzial auch enorm ist. Also, wenn man sich die erneuerbaren Energien vor 20 Jahren anguckt im Vergleich zu heute, gibt es so viel Innovation, ist die Kostensenkung so drastisch gewesen, dass ich auch denke, dass es auch für die energieintensiven Sektoren Lösungen gibt.
Was interessant ist, dass natürlich diese Sektoren heute auch ganz klar solche Themen wie erneuerbare-Energien basiert auf Wasserstoff mitentwickeln und hier Investitionen mit reinbringen, die es eben auch ermöglichen, neue innovative Technologien zu entwickeln. Hier möchte ich aber noch mal unterschreiben, dass es extrem wichtig ist, wieder nicht zu vergessen, dass natürlich diese Lösungen erneuerbare-Energie-basiert sein müssen. Das bedeutet, wenn wir Grünen Wasserstoff haben möchten, dann müssen parallel hierzu die Erneuerbare-Energie-Kapazitäten im Stromsektor ausgebaut werden.
Was die Städte angeht, um noch mal den Link zu machen zwischen Industrie- und dem Gebäudesektor, ist es tatsächlich so, dass hier die Tendenz eher ist, zu sagen, für den Gebäudesektor gibt es sehr, sehr viele Technologien, die heute schon existieren. Sei es die Elektrifizierung des Sektors oder auch thermische Lösungen oder eben auch Versorgungsnetzwerke, also Fernwärmenetzwerke. Die ermöglichen, erneuerbare Energien auch heute schon umzusetzen. Also die Message hier ist: Auf der Städteebene brauchen wir nicht zu warten, dass erneuerbarer Wasserstoff existiert, bevor wir die Energiewende umsetzen können. Im Gegenteil: Wir müssen heute damit anfangen, die existierenden Lösungen zu installieren.
Carsten Roemheld: Ich möchte mal kurz auf den Finanzsektor eingehen, natürlich auch als Repräsentant des Finanzsektors, und über die Lenkungswirkung des Kapitels. Denn in der Finanzwirtschaft ist es tatsächlich inzwischen absoluter Usus bei Investments auf Nachhaltigkeitskriterien, bei uns vor allen Dingen eben, zu achten und als aktiver und engagierter Investor aufzutreten und die Unternehmen auch zu begleiten bei dieser Transformation. Wie groß ist Ihr Vertrauen, dass diese Nachhaltigkeit auch nachhaltig passiert? Wie groß ist Ihr Vertrauen in die Kräfte des Kapitalmarkts? Wie groß ist Ihr Vertrauen, dass das jetzt sozusagen eine endgültige Zeitenwende bedeutet und nicht wieder irgendwann eine Rückkehr zu alten Standards erfolgen wird?
Rana Adib: Also ich würde sagen insgesamt, glaube ich, ob es Markt oder Kapitalmarkt ist, es ist wichtig, zu sehen, dass es hier wahnsinnig viele Gelegenheiten gibt, aber die Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, damit der Markt auch korrekt funktioniert. Das ist einfach schon mal die erste Realität. Wir sehen, dass einfach seitens der Investoren und Aktionäre hier ein großes Interesse existiert an nachhaltigen Investitionen. Wenn man sich die Investitionen in Nachhaltigkeitsfonds anschaut, sind die zum Beispiel in 2020 um 300 % gestiegen. Und das ist ein Zeichen, dass es hier ein Interesse gibt und der Markt auch ein Stück weit sich mitreguliert und die Kapitalmärkte mitregulieren.
Was hier, glaube ich, sehr wichtig ist zu sagen: Wenn man sich den Privatsektor anguckt, gibt es ganz klar ein Einverständnis, dass heute die Investitionen in Nachhaltigkeit eigentlich notwendig sind, um mittel- und langfristig, in diesen Märkten zu überleben. Weil es einen Druck gibt seitens der Konsumenten, auf der einen Seite. Der andere Aspekt ist aber eben auch, dass wir sehen, dass große Banken, Investitionsbanken, Entwicklungsbanken heute ganz klar sich zurückziehen aus Investitionen in fossile Energieträger, weil sie, dass es zu „stranded assets“ führt und hier große Risiken behaftet sind mit diesen Investitionen. Und ich denke, um gerade noch mal auf China zurückzukommen als Beispiel, China hat … oder auf der chinesischen Seite wird immer wieder kritisiert, was China im Bereich Kohle und Kohleinvestitionen außerhalb Chinas macht, und 2020 war das erste Jahr, wo die Investitionen außerhalb von China in erneuerbare Energien höher waren als in fossile.
Und ich denke, dass es hier einen Wechsel gibt. Deswegen ist Nachhaltigkeit, das Nachhaltigkeitsreporting meiner Ansicht nach hier extrem wichtig, weil es einfach auch den Aktionären und Konsumenten die Möglichkeit gibt, mitzuentscheiden, wie das Geld genutzt wird und wie die Energiewende gesteuert wird.
Carsten Roemheld: Ich würde mal gerne auf die Pandemie kurz eingehen und inwieweit die jetzt bestimmte Entwicklungen beschleunigt haben könnte. Die Emissionen sind der Krise teilweise drastisch zurückgegangen, dann gab es eben diese Pakte, die wir vorhin schon angesprochen haben, die geknüpft sind an bestimmte Bedingungen, was Umwelt- und Klimainvestitionen betrifft. Glauben Sie, dass die Pandemie in der Form eine gewisse Entwicklung in diese Richtung beschleunigt hat, oder glauben Sie, dass das ohnehin auch ohne Pandemie so gekommen wäre, wie wir es jetzt gerade vorfinden? Wir hatten vorhin auch schon mal überlegt oder gesagt, dass diese Instrumente nicht so effektiv eingesetzt werden, wie sie eingesetzt werden könnten, aber vielleicht haben Sie dazu noch ein, zwei Punkte für uns.
Rana Adib: Ich denke, die Pandemie hat wirklich eine „disruption“ gebracht insgesamt. Und hat auch dazu geführt, dass wir auf einmal feststellen, dass die Realität anders sein kann als die Realität, die wir leben. Und in vielen Städten sieht man tatsächlich, dass die Luftqualität so dramatisch hochgegangen ist – das ist sicherlich eine Realität vor allem in Industrieländern eher –, dass hier ein anderes Bewusstsein geschaffen wurde. Also: Das ist eine sehr positive Sache.
Ich glaube, ein anderer Aspekt ist auch, dass wir natürlich in der Pandemie gesehen haben, dass Regierungen tatsächlich in der Lage sind, massiv zu mobilisieren und auch Leadership zu zeigen. Mit mehr oder weniger Erfolg, aber hier hat es starke Entscheidungen geben müssen und auch eine Mobilisation oder eine Mobilisierung von hohen Investitionen. Entsprechend haben wir hier Referenzfälle. Heute, wie ich vorher gesagt habe, sind leider die Ausschüttungen der Coronahilfen nicht genutzt worden, um wirklich strategisch zu shiften. Und es gibt hier Nachholbedarf seitens der Regierungen, dass hier umgelenkt wird. Das ist ein Aspekt.
Der andere Aspekt ist, dass 2020 der Energiebedarf runtergegangen ist und die CO2-Emissionen entsprechend auch runtergegangen sind, der Anteil von CO2 in der Atmosphäre hat aber nie eine höhere Konzentration gehabt als Ende 2020. Und wir sehen, dass auch der Energieverbrauch zum Ende des Jahres hin wieder hochgegangen ist. Das ist wieder ein Zeichen: Es ist möglich, viele Dinge zu machen, aber es zeigt auch, dass ein struktureller und ein drastischer Strukturwandel hier notwendig ist. Ganz klar weg von den fossilen Energieträgern, hin zu effizienten, Erneuerbaren-basierten Energie- und Wirtschaftssystemen.
Carsten Roemheld: Ich glaube, das können wir auf jeden Fall mitnehmen, dass wir in diese Richtung auf jeden Fall weiter operieren und argumentieren müssen. Ich möchte trotzdem am Schluss des Gesprächs noch mal auf einen anderen Aspekt eingehen, der vielleicht eine andere Begleiterscheinung darstellt. Denn wir haben ja sicherlich in Zukunft möglicherweise mit höheren Strompreisen zu rechnen insgesamt durch den Energiemix, den wir in Zukunft planen, CO2 wird teurer und muss auch teurer werden, ganz klar, insofern sind sozusagen Begleiterscheinungen dieser Energiewende auch tatsächlich höhere Kosten. Wie stark, glauben Sie, wird dieser Aspekt in Zukunft eine Rolle spielen? Ist das etwas, worüber wir uns stark Gedanken machen müssen, weil Strompreise doch drastischer steigen werden in Zukunft? Oder wie sehen Sie diesen Aspekt der Kosten dieser Politik?
Rana Adib: Die Realität ist, Strompreise werden tatsächlich hochgehen. Aber Strompreise werden hochgehen, ob es mit erneuerbaren Energien ist oder mit fossilen. Weil die Realität auch ist, dass heute, wie ich’s vorher gesagt habe, die fossilen Energieträger subventioniert werden, das ist der eine Teil, aber die negativen Auswirkungen der Nutzung fossiler Energieträger nicht in die Preise einkalkuliert sind – weder auf Umwelt- noch auf Gesundheitsebene noch auf sozialer Ebene. Das bedeutet, so oder so muss man davon ausgehen, dass die Energiekosten hochgehen werden.
Es geht nicht nur darum, Kapazitäten aufzubauen, sondern wir brauchen auch die Infrastruktur. Das ist eine Realität, die muss aufgebaut werden. Hier ist auch wieder klar, dass die Infrastrukturen, die aufgebaut werden müssen für erneuerbare Energien, andere sind, als wenn wir über zentrale fossile Energieträger und Netze denken. Und hier glaube ich tatsächlich, dass wir über die nächsten 10 Jahren noch völlig andere Konzepte sehen werden, mit einer echten, massiven Dezentralisierung. Und hier sieht man ganz klar, also Hamburg ist ein Beispiel, wo es eine Kommunalisierung des Distributionsnetzes gegeben hat. Wir sehen, dass es hier ein extrem hohes Potenzial gibt in Entwicklungs- und Schwellenländern, die noch keine Infrastruktur haben, viel dezentralere Infrastrukturen aufzubauen. Wo tatsächlich die unterschiedlichen Erneuerbare-Energie-Quellen mit Digitalisierung, mit „storage“, also Batterien, hier zu lokaler Produktion für lokalen Verbrauch aufgebaut werden. Und vielleicht gibt es ja In-frastrukturen, die gar nicht so drastisch ausgebaut werden müssen.
Es sind sicherlich auch Aspekte, die hängen von den lokalen Rahmenbedingungen ab. Also in Europa, wo wir ein sehr stark vernetztes Distributions- und Transmission-Distribution-Netzwerk haben, gibt es hier eine Flexibilität, die genutzt werden sollte, weil die Infrastruktur schon existiert. In anderen Ländern können einfach die Lösungen sehr anders aussehen. Und hier spielt die Politik und die regulatorischen Rahmenbedingungen auch wieder eine Rolle. Wenn wir uns angucken „carbon pricing“, die Bepreisung von CO2, ist heute global noch nicht ausreichend stark verankert. Und wenn man sich hier auch die politischen Entwicklungen anguckt, ist das leider ein Thema oder eines der politischen Instrumente, die heute hintenanstehen. Die Pandemie zeigt, dass Volkswirtschaften heute anfangen müssen, die weiteren volkswirtschaftlichen Wirkungen, die negativen Wirkungen zu bepreisen, also Umweltverschmutzung muss bepreist werden und entsprechend muss es hier politische Instrumente geben.
Carsten Roemheld: Das war doch schon mal ein wunderbares Schlusswort. Wir sind auf dem richtigen Weg, wir haben, glaube ich, inzwischen einiges auf den Weg gebracht, aber Sie haben wunderbar selbst gesagt, es gibt noch einiges zu tun und noch einige Dinge liegen auf dem Weg, die wir sicherlich in Zukunft angehen müssen.
Das war’s schon wieder, die Zeit ist, glaube ich, wie im Flug vergangen. Frau Adib, ich möchte Ihnen sehr, sehr herzlich danken für das Gespräch und die tollen Einsichten, die wir von Ihnen bekommen haben – zu einem Thema, was uns, glaube ich, alle beschäftigt, alle umtreibt, an dem wir alle großes Interesse haben.
Vielen Dank auch an alle Zuhörer für Ihr Interesse, bleiben Sie uns gewogen, ich freue mich schon jetzt auf das nächste Mal. Viele Grüße und bis bald, Ihr Carsten Roemheld.
Rana Adib: Vielen Dank.