Neue Inflationsrisiken stellen die US-Notenbank vor Herausforderungen, der Zinssenkungszyklus könnte bald schon wieder vorüber sein. Im Westen würde sich die Fed damit zum geldpolitischen Alleingänger entwickeln.
Nach der Entscheidung im Rennen um das Weiße Haus hat die US-Notenbank Fed die Zinsschraube weiter gelockert. Die Währungshüter senkten den Leitzins um weitere 0,25 Prozentpunkte, sodass er sich nun in einer Spanne zwischen 4,50 und 4,75 Prozent bewegt¹. Dieser Schritt war zu erwarten, denn die Federal Reserve hatte den Zinssenkungszyklus erst im September mit einem doppelten Zinsschritt eingeleitet und dabei klar einen neuen geldpolitischen Kurs in Aussicht gestellt.
Bis 2026 sollte der Leitzins danach, gemäß den Prognosen der Fed, auf rund drei Prozent sinken, was Kürzungen um insgesamt 250 Basispunkte bedeutet hätte². Damit, so das Kalkül, würde sich der Ziel-Zins wieder auf einem neutralen Niveau einpendeln, der das US-Wirtschaftswachstum weder gezielt fördert noch bremst.
Doch nach der Wahl zweifeln einige Marktteilnehmer und -teilnehmerinnen diesen Kursverlauf bereits wieder an. An den Zinsmärkten werden nur noch zwei weitere Senkungen erwartet³. Bereits Mitte 2025 könnte ein Zinstief erreicht sein, das dann um etwa einen Prozentpunkt höher liegt als³ bisher erwartet.
Kluft in Notenbankpolitik
Tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass die Fed schon bald wieder etwas auf die Bremse treten wird. Der erste Grund: Die Wirtschaftsdaten aus den USA fielen zuletzt positiver aus als erwartet. Die US-Wirtschaft ist im dritten Quartal solide gewachsen, statt Rezessionssorgen zeichnet sich eine sanfte konjunkturelle Landung ab⁴. Ein aktives Gegensteuern der Notenbank wäre in diesem Szenario nicht unbedingt notwendig.
Der zweite Grund: Die Inflation in den USA könnte unter Donald Trump schon bald wieder Fahrt aufnehmen. Auf der Agenda des künftigen Präsidenten stehen nämlich traditionell inflationsfördernde Maßnahmen wie Schutzzölle und Protektionismus, Steuersenkungen und neue Staatsschulden. All das soll die heimische Industrie fördern, würde aber gleichzeitig die Preise in die Höhe treiben. Trumps restriktivere Einwanderungspolitik verknappt außerdem das Angebot auf dem Arbeitsmarkt, was zu Lohnsteigerungen und höheren Produktionskosten führen könnte. Womöglich wäre die Fed dann sogar gezwungen, den Kurs zu ändern und die Zinsen wieder anzuheben, um die Inflation in den Griff zu bekommen.
Damit würde die US-Notenbank zum geldpolitischen Geisterfahrer des Westens. Denn in der Eurozone und in Großbritannien setzen die Zentralbanken derzeit alles daran, das schwache Wirtschaftswachstum durch Zinssenkungen und weitere geldpolitische Lockerungen anzukurbeln. Die Lage könnte sich in Europa noch verschärfen, wenn Teile des US-amerikanischen Absatzmarkts aufgrund höherer Importzölle wegbrächen und die Unternehmen auf Produktionsüberschüssen sitzen blieben. Sollte sich die Geldpolitik in Europa und den USA tatsächlich in entgegengesetzte Richtungen entwickeln, wäre das ein echtes Kuriosum in der jüngeren Finanzmarktgeschichte. Kurzfristig dürfte dann vor allem der US-Dollarkurs kräftig zulegen. Ein erster Anstieg ließ sich bereits in den Tagen nach der Wahl beobachten.
Für die Fed könnten damit schwierige Zeiten anbrechen. Trump hat den Wählerinnen und Wählern niedrigere Zinsen versprochen und möchte Einfluss auf künftige Zinsentscheidungen⁵ nehmen. Fed-Chef Jerome Powell machte in der Novembersitzung allerdings deutlich, dass er die Unabhängigkeit der US-Notenbank verteidigen werde⁶. Spekulationen über die Fiskalpolitik des neuen Präsidenten etwa würden die Fed bei ihren Entscheidungen keineswegs leiten, betonte er: Ein klares Signal an Trump, dass die Fed ihren geldpolitischen Kurs weiterhin ohne politischen Druck bestimmen will.
Fazit
Die Fed könnte bald gezwungen sein, gegen den Strom zu schwimmen: Während andere Notenbanken die Zinsen senken, droht in den USA eine höhere Inflation, woraufhin die Währungshüter die Zinsen stabil halten oder sogar anheben müssten, um sie wieder einzudämmen. Damit würden USA und Eurozone nicht nur beim Wirtschaftswachstum, sondern auch geldpolitisch auseinanderdriften. Die Folgen: Der US-Dollarkurs dürfte weiter steigen. Außerdem würden die wachsende Kluft zwischen den Wirtschaftsräumen und eine unklare Richtung der US-Notenbank zu Verunsicherung und entsprechend höherer Volatilität an den Finanzmärkten führen.
Quellen:
¹ https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/fed-leitzinssenkung-usa-powell-100.html
² https://www.marketwatch.com/livecoverage/fed-meeting-today-wall-street-on-edge-over-historic-interest-rate-decision/card/fomc-projects-2-9-fed-funds-rate-by-2026-lIAYH6RQxDIgiydyKN9N
³ https://www.reuters.com/markets/rates-bonds/federal-reserve-seen-shallower-rate-cut-path-after-trumps-election-2024-11-06/
⁴ https://www.reuters.com/markets/us/us-economy-posts-solid-growth-election-eve-2024-10-30/
⁵ https://www.nbcnews.com/politics/2024-election/trump-promised-lower-interest-rates-will-largely-control-rcna179285
⁶ https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/fed-leitzinssenkung-usa-powell-100.html#:~:text=Kurz%20nach%20dem%20Sieg%20von,50%20bis%204%2C75%20Prozent
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