Fidelity Podcast
Thema: Die Zukunft der Blockchain: Warum neue Anlageklassen für alle entstehen — Teil 2
Carsten Roemheld: Die Blockchain-Technologie macht uns alle souveräner: als Staatsbürger, Konsumenten und Produzenten. Davon ist Prof. Isabell Welpe überzeugt, eine der führenden deutschen Forscherinnen für die Auswirkungen dieser brandneuen Technologie auf Wirtschaft und Gesellschaft. Welpe ist zudem Mitherausgeberin der Sammelbände „Der Blockchain-Faktor“ und „Die Zukunft ist dezentral“, die sich mit den radikalen Veränderungen befassen, die uns bevorstehen.
Im zweiten Teil unseres Podcasts spreche ich mit ihr über die Macht der dezentralen Steuerung. Darüber, warum Digitalisierung gar kein rein technologisches Phänomen ist, sondern ein Mittel zum Zweck für bessere Angebote zur Lösung individueller Probleme. Wir sprechen über eine Welt, in der man mit der Tasse Kaffee auch gleich einen Eigentumsanteil an dem Kaffeehaus erwirbt. Und Sie erfahren, was das alles mit der sogenannten Tokenisierung zu tun hat.
Viel Hörvergnügen beim zweiten Teil unseres Blockchain-Podcasts.
Carsten Roemheld: Jetzt kommen wir mal auf nicht unbedingt die Unternehmensebene, sondern vielleicht auch die Staatsebene: Sie haben ja in Ihrem Buch verschiedene Finanzexperten zu Wort kommen lassen, die auch die Technologie und die Wirkung auf die Gesellschaft untersucht haben. Und einer der Gastautoren, der Schweizer Politiker Martin Würmli, hat dabei die Frage aufgeworfen, ob der Nationalstaat in seiner heutigen Form überflüssig werden könnte. Wie sehen Sie das? Welche Veränderungen könnte das mit sich bringen? Weil ja tatsächlich einige Behörden, wie Sie auch vorhin schon gesagt haben, das Verwaltungssystem, zum großen Teil vielleicht einfach auch durch diese Technologie umgangen werden kann. Ist eine etwas zynische Frage oder eine etwas pointierte Frage: Müssen wir uns bald von der Bundesrepublik Deutschland verabschieden oder wie sehen Sie diese staatliche Entwicklung?
Isabell Welpe: Ich finde das ist eine total gute Frage von Ihnen, denn in der Tat: Es ist ja so, dass wir innerhalb der Wirtschaft Marktmechanismen haben, die auch oft gut funktionieren, aber Monopole ein Problem sein können. Und vielleicht fragen wir mal rhetorisch: Wer oder was ist denn das größte Monopol? Ist das Google? Ist das Amazon? — Ich würde sagen nein, das größte Monopol ist das für sie zuständige Kreisverwaltungsreferat. Denn dem entkommen Sie nicht, da müssen Sie hin, wenn Sie einen Personalausweis wollen. Und Sie haben keine Chance, zur Konkurrenz zu gehen, wenn Ihnen der Service da nicht gefällt. Und das ist eben so in staatlichen Strukturen.
Wir sind geboren in einem bestimmten Land und sind dann Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in dem Land. Und die Trends, die man erkennen kann, also einmal auch die, ich sage mal, die Vordenker-Trends und dann auch gestützt durch die technologischen Möglichkeiten der Blockchain-Technologie gehen ja alle in die Richtung, zu sagen, die nächste Stufe der Digitalisierung wird sein, dass eben staatliche und Verwaltungsinstitutionen mit erfasst werden und derart erfasst werden, dass eine “Marktisierung” stattfindet, indem sie, was jetzt nicht der Fall ist, in einen Wettbewerb gehen, und zwar in einen Wettbewerb um Bürgerinnen und Bürger.
Das ist ja eigentlich ein schöner Gedanke, wenn Sie jetzt innerhalb von einer Stadt halt zwischen Kreisverwaltungsreferaten wählen könnten, dann hätten die vielleicht auch einen Anreiz, bestimmte Dinge zu verändern oder es gäbe eine Art von Rückmeldung, was ja jetzt nicht der Fall ist. Oder auch zwischen Staaten. Also es gibt sozusagen die ausgesprochene Vision in einem Buch, das schon aus den 70er Jahren stammt und bislang die Entwicklung sehr gut vorhergesagt hat; das heißt, das „Sovereign Individual“, das souveräne Individuum, und die letzte Stufe in dem Buch, die auch beschrieben ist, die noch fehlt, ist folgende: dass Staaten beginnen werden, um ihre Bürger in ähnlicher Weise zu konkurrieren und zu werben, wie es heute schon Unternehmen um ihre Kunden tun. Und wenn Sie mich fragen, ich finde das einen schönen Gedanken.
Carsten Roemheld: Ja, wunderbar! Es ist revolutionär. Wie auch andere Aspekte, die wir vorhin erwähnt haben. Also das ist ganz klar eine völlige Neudefinition im Prinzip staatlicher Servicegesellschaft.
Isabell Welpe: Ja! Und das ist aber auch, wenn man sich jetzt die Politik anguckt, ja. Corona ist ja nach wie vor ein schwieriges Thema. Und was soll jetzt eine Regierung tun?! 50 % der Bürger sagen, auf jeden Fall A, und die andere Hälfte sagt, auf keinen Fall A. Da gibt‘s nichts mehr zusammenzuführen. Vielleicht muss man da erlauben, dass Menschen sich dann unterschiedlichen Regeln zuordnen zum Beispiel; sagen: Für mich passt das besser und für dich das. Das ist ja denkbar, dass nicht „one size fits all“ immer das Beste ist.
Carsten Roemheld: Genau. Wir haben ja jetzt über den Finanzsektor mal gesprochen, dann jetzt über den Staat ein wenig, jetzt würde ich mal gerne wissen, wie es in der Wirtschaft insgesamt aussieht. Da könnten ja auch Mittelsmänner, Mittelsfrauen durch die Blockchain-Technologie ersetzt werden. Was bedeutet die Blockchain-Technologie für Unternehmen?
Isabell Welpe: Also wie jede neue Technologie ist es für Wirtschaftsunternehmen erst einmal wichtig, zu verstehen, welche neuen und besseren Möglichkeiten ergeben sich durch die Nutzung dieser Technologie, Kundinnen und Kunden bessere Angebote zu machen. Darum geht es. Werden sich Kundinnen und Kunden auch zukünftig für meine Produkte und Dienstleistungen entscheiden oder für die Produkte und Dienstleistungen von konkurrierenden Unternehmen?
Und das ist oft missverstanden in Deutschland, das man meint, Digitalisierung sei etwas Technologisches. Die Technik ist Mittel zum Zweck, und zwar Mittel zum Zweck, Kunden bessere Angebote machen zu können. Und ein besseres Angebot ist immer etwas, was individuell und personalisiert zugeschnitten ist und das Menschen dann erreicht, wann und wo sie diese Lösung, diese individuelle Lösung, für ihre Probleme brauchen. Und das ist ja klar, dass das auch nur mit einem datenbasierten Ansatz funktioniert. Also eine Firma, die ungefähr weiß, wann ich eine Versicherung brauche oder einen Kredit brauche oder gerade Hunger auf Pizza habe oder ein Auto brauche oder eine Transportmöglichkeit, die macht natürlich bessere Angebote als eine Firma, die zwar ein gutes Produkt herstellt, aber in dem Sinne ein „dummes Produkt“, das gar nicht weiß, wann ich was wo brauche. Und das wird nur funktionieren, indem man Daten hat und Daten auch auswertet in diesem Sinn.
Also das wäre Punkt 1, dass die Wirtschaft sozusagen das Potenzial neuer Technologien für einen besseren Kundenservice versteht. Und natürlich braucht es dann auch ein Umdenken, welche Talente ich ins Unternehmen holen muss, und die muss es auch erlauben als Unternehmen, dass Talente von außen, die vielleicht meine Industrie auch gar nicht kennen, einen kritischen Blick werfen darauf, wie wir Arbeit und Zusammenarbeit und Wertschöpfung eigentlich organisieren, und dann sozusagen zustimmen, dass diese auch hinterfragt und gegebenenfalls verändert werden.
Und es gibt viele, also total spannende Sachen an der Blockchain. Was ich besonders spannend finde, ist zum Beispiel die Möglichkeit, über „Smart Contracts“ an einem sogenannten „After Market“ für immer zu partizipieren. Was, wenn ich etwas kreiere, bislang, also ob es ein Künstler ist oder ein Auto, ja, also jede Schöpfung bislang, die kann ich verkaufen. Und wenn sie dann aber wieder verkauft wird, dann profitiere ich eigentlich nicht davon. Also ein Künstler, der sein Bild verkauft und jetzt nehmen wir mal an, das Bild steigt dann im Wert und wird noch mal verkauft, dann hat der Käufer einen Gewinn gemacht, der das damals als Erster kaufte, aber der/die Künstler, der es ursprünglich erschaffen hat, ist an der weiteren Wertsteigerung nicht mehr beteiligt. Und dafür versprechen sozusagen die Blockchain-Technologien eine Lösung, dass man nämlich einen Vertrag schreiben könnte und sagen: Also ich bin an jedem zukünftigen Verkauf und der damit vielleicht einhergehenden Wertsteigerung auch beteiligt. Und das sind schöne Aussichten für alle die Firmen und Individuen, die etwas originär herstellen.
Carsten Roemheld: Wunderbare Aussichten, ja, finde ich auch.
Isabell Welpe: Ich finde auch, es müsste Deutschland in die Hände spielen, denn wir sind ein Land von Schöpfern. Wir sind weniger gut als Plattformunternehmer, sondern hier wird noch produziert, hergestellt und etwas geschaffen.
Carsten Roemheld: Aber auch jetzt mal abseits von den Künstlern oder denen, die etwas kreieren. Es ermöglicht ja auch die einfache Verbindung oder vertragliche Konstellation zwischen zwei Privatpersonen. Heißt das, dass ich in Zukunft theoretisch auch den Solarstrom von meinem Nachbarn anzapfen kann oder mein Haus ohne Makler, ohne Notar verkaufen kann, quasi direkt in einer Transaktion zwischen zwei Privatleuten?
Isabell Welpe: Ja, auch, also klar, genau darum geht‘s. Wir haben ja solche „Smart Contracts“ auch schon ganz, ganz bildlich gesprochen in jedem Verkaufsautomaten, wo sie sich eine Cola kaufen. Da schmeißen Sie 2 € rein, dann tippen sie eine Nummer ein, welche Cola oder Fanta Sie wollen, drücken Enter und dann wird die Cola rausgeschoben.
Carsten Roemheld: Hoffentlich!
Isabell Welpe: Was anderes ist ein „Smart Contract“ auch nicht, nur digital letztendlich. Also was ich auch sehr spannend finde, ist die sogenannte Tokenisierung. Also, dass man alle Vermögensgüter, Assets, ob es jetzt Häuser sind oder Kunst oder andere Anlagemöglichkeiten, dass man die sozusagen tokenisiert und damit eine neue Anlageklasse schafft, die mehr Menschen Zugang zu bestimmten Anlageklassen überhaupt erst verschafft.
Also ich zum Beispiel kann mir keinen Andy Warhol kaufen, auch wenn ich glaube, dass das vielleicht ein gutes Investment wäre und vor Inflation schützen würde, weil ich mir die 6 Millionen € nicht leisten kann, die so ein Warhol kostet. Und jetzt haben die ersten Auktionshäuser angefangen, solche Kunstgegenstände zu tokenisieren und dann könnte ich zum Beispiel einen Anteil, einen kleinen Anteil an dem tokenisierten Kunstwerk erwerben, was es mir erlauben würde, an der Wertsteigerung zu partizipieren. Oder für viele ist es auch nicht möglich, sich ein ganzes Appartement zu kaufen in München oder in anderen Städten, obwohl natürlich Immobilien eine attraktive Anlageklasse sind, gerade in Zeiten von Inflation. Und durch die Tokenisierung wird es aber möglich. Bei uns in Europa ist die Gesetzgebung da noch — man muss sagen: leider — sehr restriktiv, aber in den USA kann ich mich mit 50 $ beteiligen an Wohnungen und Häusern und sollte der Wert steigen, sozusagen an dieser Wertsteigerung partizipieren.
Das, finde ich, ist ein ganz wichtiges demokratisches Element dieser Technologie. Und eine Vision hat einer der Winklevoss-Brüder mal formuliert, der sagte: Bald in der Zukunft wird man in der Lage sein, in den lokalen Nachbar-Kaffeeladen zu gehen, dann eine Tasse Kaffee zu kaufen und gleichzeitig mit der Tasse Kaffee einen sogenannten „Ownership Stake“ im Kaffee-Shop. Also das macht aus Konsumenten Eigentümer und was Besseres kann uns ja auch gar nicht passieren, auch in den kritischen Diskussionen, die es weltweit gibt, zum Thema Kapitalismus, wie muss man ihn verändern. Dass man die Menschen, die in einem Viertel konsumieren, auch zu dem Viertel beitragen, dass man die mehr beteiligt, ja, an ihrem, sozusagen, an ihrem Anteil, ja, dieses Viertel zu erhalten und in diesem Viertel zu leben.
Carsten Roemheld: Es klingt wirklich fantastisch. Also wie Sie schon sagten, eine Demokratisierung, eigentlich viel mehr auch der Ermöglichung von kleineren Stückelungen und von Anlageklassen, die sonst eben nur den ganz Reichen und Vermögenden vorbehalten sind, finde ich einen wunderbaren Gedanken. Eine Sache sollten wir vielleicht auch noch mal besprechen, und zwar ist ja eine Kritik vor allen Dingen an der Kryptowährung Bitcoin eben der hohe Energieaufwand, da wird immer sehr viel darüber gesprochen, wird sehr viel Strom verbraucht und so weiter. Die Frage ist: Gilt das auch für die Blockchain? Ist im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatten so etwas zukunftsfähig und man braucht viel Energieleistung, man braucht viel Serverleistung oder ist das eine Frage, die an dem Kern grundsätzlich vorbeigeht?
Isabell Welpe: Ja, es gibt daran immer wieder Kritik, das stimmt. Man muss allerdings auch sagen, dass dadurch auch Anreize geschaffen werden, Energiequellen zu nutzen, die sonst einfach ungenutzt blieben. Also es setzt schon Anreize, zu überlegen, wo kann ich denn noch Energie abschöpfen, auf welche kreative Art und Weise. Und insofern trägt es dann auch wieder bei zur nachhaltigen Energienutzung.
Und man muss, wenn man den Vergleich fair diskutieren will, man darf nicht das vergleichen, was sind die Energiekosten, wenn ich meine Kreditkarte durchs PIN-Gerät ziehe, versus Blockchain- oder Bitcoin-Energiekosten. Ich muss schon das gesamte Finanzsystem, also die Gebäude, ja, die Gebäude, die in der City in Frankfurt stehen, der Beton, der wieder gebaut wurde, die Commutes, die Leute, die hinfahren; das ermöglicht, dass ich eine Kreditkarte durchziehen kann. Um es fair zu halten, muss man schon dies beides vergleichen und da schneidet Bitcoin nicht schlecht ab.
Carsten Roemheld: Ja, Sie haben es vollkommen richtig gesagt. Das ist ansonsten ein Vergleich von Äpfeln und Birnen. Kommen wir vielleicht mal auf das internationale Umfeld. Sie haben am Anfang schon einen Aspekt erwähnt, den ich sehr, sehr spannend und sehr nachdenkenswert finde: nämlich, dass die Blockchain durchaus das Machtmonopol großer Tech-Konzerne gefährdet, sagen wir mal, weil die ja besonders stark von der Zentralisierung des Internets profitiert haben und weiterhin profitieren. Sie sagten ja eben, das ist dann eher eine dezentrale Art der Organisation. Was glauben Sie, wie die Zukunft dieser Tech-Konzerne aussehen wird?
Isabell Welpe: Na ja, die sind ja so jung, dass die noch sich alle gut erinnern in persona, wie das war, als sie selber die Platzhirsche diskutiert haben. Also das ist bei denen präsent, weil die sind ja so jung, Facebook und Google und diese Firmen. Und ich denke, dass die natürlich völlig auf dem Schirm haben, welche Chancen und Gefahren neue Technologien fürs eigene Geschäftsmodell darstellen und sicherlich versuchen werden, die Transformation mitzugestalten und mitzugehen.
Es ist eine Chance, weil ein neuer Technologiezyklus beginnt, und man müsste sozusagen diese Technologie nutzen, um sich sozusagen an die Spitze zu setzen. Es macht wenig Sinn heute, ein neues Betriebssystem zu etablieren, da sind die Claims und Felder abgesteckt. Aber man könnte hergehen und sagen, wir überspringen quasi den jetzigen Technologiezyklus und versuchen, uns vor die jetzt dominierenden Firmen und Konzerne zu setzen. Und besonders spannend oder besonders schade finde ich, dass sozusagen Europa bei der Frage der Betriebssysteme ja gar keine Rolle spielt. „Apple Car Play“ sagt alles in deutschen Autos. Und das Betriebssystem ist deswegen von allerhöchster strategischer Bedeutung, weil es das Zusammenspiel „Hardware — Software“ steuert, weil sie dort Kundendaten abgreifen, weil sie bestimmen, welche Software-Anwendungen laufe, und es wäre von allergrößter strategischer Bedeutung, dass es ein europäisches Betriebssystem gibt, das sich durchsetzt, um diesen sozusagen Verlust — da haben wir den Wettbewerb ein Stück weit verloren in der Digitalisierung —, um dem entgegenzuwirken.
Carsten Roemheld: Bin ich vollkommen bei Ihnen. Das führt mich zu der Frage: Wie weit sind wir denn in Europa überhaupt bei dem Thema? Wir haben ja einige Rückstände in den Bereichen Technologie, das kann man jetzt schon sehen. Aber wie ist es beim Thema Blockchain? Können wir das irgendwie messen? Hilft uns die Anzahl der Start-ups zum Beispiel im Vergleich zum Rest der Welt oder ähnliche Vergleiche?
Isabell Welpe: Ja, also, es gibt — Sie können das versuchen natürlich, überschlagsmäßig zu schätzen, wie viele Lehrstühle gibt es, die sich mit dem Thema befassen in Deutschland — ganz wenige. Also es gibt Lehrstühle, auch meiner gehört, glaube ich, dazu, die befassen sich damit, aber aus Eigenantrieb, das ist gar nicht Teil meines Lehrstuhlnahen … oder der Denomination. Und so könnte ich Ihnen einige nennen, die das tun, aber aus eigenem Antrieb quasi; also da gibt es wenig. Es ist heute noch so, wenn man jetzt als Regierung sagen würde, wir richten auch nur zehn Professuren ein in diesem Bereich, dann würde man sich, glaube ich, in Europa sofort an die Spitze setzen, weil so wenig offizielle Aktivität vorhanden ist.
Und in England, USA ist das ein bisschen mehr der Fall, auch da sicher noch nicht mainstream, aber es ist ein bisschen stärker der Fall, auch was sozusagen Sichtbarkeit von Zentren angeht, die diese Thematiken bearbeiten. Also Europa hat ja zwei Sachen, die wirklich für Europa sprechen: Einmal die Qualität der Ausbildung ist schon sehr gut und dann haben wir hier den Rechtsstaat und wir haben viele kreative Ideen, die in vielen Schubladen schlummern. Und ich bin ganz sicher, wenn die Zeiten es erfordern und die Not groß genug ist, dann werden wir auch auf diese Ideen wieder zurückgreifen und sie im Markt platzieren, wie wir das in früheren Zeiten auch schon gemacht haben.
Carsten Roemheld: Diesen Optimismus lob ich mir. Das finde ich hervorragend. Kommen wir mal — Sie haben gerade schon von anderen Supermächten gesprochen — kommen wir mal zum Thema China, denn die Blockchain dürfte ja für China eher von der Technologie her als dezentrale Technologie vielleicht ein wenig eine Gefahr bedeuten. Was glauben Sie, wie China in diesem Bereich mit diesem neuen Zukunftsmodell umgeht?
Isabell Welpe: Ja, also was wir bis jetzt sehen, dass China fremdelt mit dem Handeln von Tokens und auch dem Mining, also Bitcoin-Mining-Verbot, Trading-Verbot von „Digital Currencies“. Ich denke nicht, dass es entscheidend ist, und kein Land alleine kann auch die Entwicklung aufhalten. Das ist ja das Schöne an einer dezentralen Technologie. Also man wird sehen. In der Vergangenheit gab es da keinen klaren Kurs und da wurden Dinge mal so, mal so kommuniziert. Also ich bin selber gespannt, wie sich Chinas Haltung auch im Abgleich zu den USA zu diesem ganzen Space, den Kryptowährungen, auch entwickelt.
Carsten Roemheld: Okay. Wir müssen leider schon zur letzten Frage kommen, aber die ist auch besonders spannend, weil ja Blockchain so ein bisschen als dezentrales System auch Regulierung vielleicht benötigt. Die Debatte ist im Bezug auf digitale Währung schon sehr intensiv oder Kryptowährungen insbesondere. Und die Frage ist, wie wäre denn eine solche Kontrolle erreichbar in einem dezentralen System, was ja gerade darin eine Stärke aufzeigt, ohne bestimmende Autorität auszukommen?
Isabell Welpe: Also eine gewisse Regulierung braucht es bestimmt, um Mainstream-Konsumenten zu erreichen. Die gibt es ja aber auch schon, diese Art von Regulierung. Also Sie haben ja heute keine anonymen Exchanges mehr, Sie müssen sich registrieren; also es gibt da eine Nachverfolgung. Und Deutschland hat auch schon erste ganz weitreichende Schritte dahingehend unternommen, die Verwahrung von Kryptowerten zu regulieren. Also die EU hat mit „MiCA“ europaweite Regularien für Kryptowährungen angekündigt und Kontrolle ist beispielsweise bei zentralen Gatekeepern wie Kryptobörsen wie Coinbase oder Kraken auch durchsetzbar.
Am Ende ist es eine politische Frage und vor allem auch eine rechtliche. Sind bestehende Regulierungen und Gesetze für die Blockchain gültig? Sie können ja viele Verträge jetzt als „Smart Contracts“ aufsetzen. Es gibt viel Unsicherheit, inwieweit die dann rechtlich bindend und anerkannt sind, und in Bezug auf die Gerichtsbarkeit von solchen Verträgen wäre Regulierung sicher sehr begrüßenswert. Um auch zu klären, wer ist verantwortlich und, ja, welche rechtliche Gültigkeit weisen Ländern in der EU Blockchain-basierten Verträgen und Transaktionen zu.
Carsten Roemheld: Sehr schön. Sie haben heute wirklich sehr, sehr spannende Einblicke geliefert, Frau Professor Welpe, ich danke Ihnen sehr für die wirklich tollen Erkenntnisse, die uns in nicht allzu ferner Zukunft wohl viel mehr beschäftigen werden, als wir vielleicht heute schon ahnen. Wir haben einen kleinen Vorgeschmack darauf geben wollen, was uns erwarten könnte bzw. welche Auswirkungen wir in unserem Alltag haben werden.
Ihnen also erst mal herzlichen Dank noch mal für Ihre Teilnahme und auch Ihnen, liebe Hörer, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Aufmerksamkeit. Wir hoffen, dass wir einige interessante Aspekte hier zur Anregung von Nachdenken bei Ihnen hervorgerufen haben und genau das wollen wir ja auch erreichen. Bleiben Sie gesund, machen Sie es gut und vielleicht sehen wir uns demnächst beim R³-Webinar von mir, das kommt alle zwei Wochen am Dienstag oder beim nächsten Mal beim nächsten Podcast. In der Zwischenzeit können Sie gerne auch unsere Blogs zu aktuellen Marktthemen lesen, die wir auf der Website für Sie bereitstellen.
Vielen Dank und viele Grüße, Ihr Carsten Roemheld.
Isabell Welpe: Herzlichen Dank, Herr Roemheld. Alles Gute, tschüs!
Carsten Roemheld: Danke, Frau Professor Welpe!