Kryptowährungen wie Bitcoin sind erst der Anfang. Spätestens in fünf Jahren wird die Blockchain unser Wirtschaftssystem völlig umgekrempelt haben. Davon ist Isabell Welpe überzeugt, eine der führenden deutschen Forscherinnen für die Auswirkungen dieser brandneuen Technologie. Im Oktober hat Fidelity Kapitalmarktstratege Carsten Roemheld in seinem Podcast ein intensives Gespräch mit der Digital-Expertin zu der Frage geführt, welche radikalen Veränderungen uns bevorstehen und welche faszinierenden Chancen das eröffnet. Welpe erzählt, wie Smart Contracts unseren Alltag revolutionieren werden, warum das Web 3.0 wieder dezentral organisiert wird und was das alles mit der Tokenisierung zu tun hat.
Sie verstehen nur Bahnhof? Keine Sorge: Welpe erklärt auch komplexe Sachverhalte mit griffigen Beispielen, sodass selbst Blockchain-Einsteiger mühelos folgen können. Als erste Übersicht hier die wichtigsten Begriffe aus dem Podcast und der Blockchain-Welt:
Blockchain
Die Blockchain kann man sich wie eine gut sortierte Datenbank vorstellen, die Informationen in sogenannten Blöcken ablegt. Die Art der Daten ist zweitranging und kann im Prinzip alles sein –Kontoinformationen, Paragrafen eines Testaments, Kaufverträge und so weiter. Der Clou: Jeder neue Block enthält die Informationen aller älteren Blocks in Form des sogenannten Hashwerts. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus Zeichen und Zahlen, die sich anpasst, sobald sich auch nur das kleinste Detail ändert. Diese Verkettung führt dazu, dass bei einer Änderung in und an einem einzigen Block alle späteren Blocks umgehend alarmiert werden und ebenfalls Änderungen vornehmen müssen. Dies macht es praktisch unmöglich, Daten aus der Blockchain nachträglich zu manipulieren, ohne dass es auffällt. Zugleich bleibt die komplette Historie aller Veränderungen im Protokoll erhalten.
Bitcoin
Der Bitcoin ist die älteste und mit Abstand bekannteste Kryptowährung der Welt. Er existiert rein virtuell seit 2009, als eine Abfolge von Zahlen und Buchstaben. In den ersten Jahren galten die digitalen Münzen als Währung für Exoten. 2017 erlebte der Bitcoin dann seinen ersten großen Börsen-Hype. Mittlerweile ist die Digitalwährung zu einer eigenen Asset-Klasse avanciert, die auch bei Profi-Investoren immer beliebter wird.1
Creator Economy
Eine DJane, die sich beim Auflegen auf der Streaming-Plattform Twitch filmt und über Nacht Tausende Euro Gage von ihren Zuschauern bekommt. Ein Künstler, der mit dem Programm Paint eine Collage aus Miniatur-Bildern zaubert und für Millionensummen verkauft. Beides sind Beispiele für die sogenannte Creator Economy, in der Kreative die schier endlosen Möglichkeiten des Internets nutzen, um mit ihren Talenten Geld zu verdienen. Mit der Verbreitung der Blockchain hat diese sogenannte Creator Economy einen Schub erfahren. Die Technologie liefert Käufern nämlich einen fälschungssicheren Eigentumsnachweis für digitale Güter und ermöglicht es den Urhebern damit, ihre Arbeit zu monetarisieren (NFT).
DeFi
Das Kürzel DeFi steht für Decentralized Finance, also für dezentralisierte Finanzmärkte. Mit DeFi verlagern sich klassische Bank- und Finanzdienstleistungen in die Blockchain, wodurch viele neue Möglichkeiten entstehen. Ein Beispiel: Wer bei einer Bank einen Kredit unterzeichnen will, muss in der Regel über ein eigenes Konto verfügen, braucht auch einen festen Wohnsitz. Für einen DeFi-Kreditvertrag benötigen Kunden dagegen lediglich eine Wallet und eine Internetverbindung. Der Vertrag wird direkt zwischen den Beteiligten über Smart Contracts abgewickelt.
Dezentralität
Einer der Vorteile der Blockchain, der immer wieder genannt wird, ist die Dezentralität. Aber was heißt das eigentlich konkret? Nun: In einem dezentralen System braucht es keinen Intermediär, keine zentrale Instanz, die zwischen den Parteien vermittelt und Geschäfte abwickelt. Stattdessen interagieren Vertragspartner, Käufer und Verkäufer direkt miteinander. Das senkt Kosten und erhöht die Transparenz, weil jeder Teilnehmer im Netzwerk die Transaktionen dank der Blockchain zweifelsfrei und anonym nachvollziehen kann.
NFT
NFT steht für Non Fungible Token, zu Deutsch: nicht austauschbarer Token. Ein Token, das ist die digitalisierte Version eines Vermögenswerts, also etwa eines Kunstwerkes. Wer ein NFT kauft, erwirbt eine Art virtuelles Eigentumszertifikat, das auf einer Blockchain gespeichert und somit fälschungssicher und einzigartig ist. Der Käufer sichert sich also sämtliche Rechte am Original und kann das Werk nach Belieben weiterverkaufen. Die Blockchain speichert sämtliche Informationen zu vorigen Transaktionen ab.
Smart Contracts
Ein herkömmlicher Vertrag enthält Vereinbarungen zwischen mehreren Personen. Er soll dafür sorgen, dass alle Parteien auf ihren Anspruch bestehen können. Smart Contracts tun im Prinzip dasselbe, nur, dass es sich dabei um Programme handelt, die auf einer Blockchain laufen. Die Vertragsbedingungen werden dort in Form einer einfachen Wenn-Dann-Funktion hinterlegt. Der Vorteil gegenüber herkömmlichen Verträgen: Smart Contracts führen die vorab definierten Aktionen wie Auszahlungen automatisch anhand von hinterlegten Regeln aus, sobald eine Partei die Bedingungen erfüllt hat. Damit wird auch kein Intermediär gebraucht, der die Anfrage überprüft und die Aktionen anstößt.
Tokenisierung
Rohstoffe, Oldtimer, Kunst: Alternative Investments sind bei Investoren beliebt. Die Eintrittsbarrieren sind aber in der Regel hoch. Der Handel ist oft umständlich, die entsprechenden Märkte sind wenig liquide. Die Tokenisierung macht solche Investments deutlich leichter zugänglich: sie werden über die Blockchain digital abgebildet und quasi in Einzelteile „zerstückelt“, die sich einzeln kaufen und verkaufen lassen. Für diese werden sogenannte Security Token ausgegeben, die je einen bestimmten Anteil des zugrunde liegenden Vermögenswertes abbilden. Käufer erwerben also ein Teileigentum am Asset. Über die Blockchain können Investoren dann auch gleich Historie, Vorbesitzer sowie Lagerort des tokenisierten Assets nachvollziehen.
Web 3.0
Nach dem Social Web (Web 2.0) gilt das sogenannte semantische Web oder auch Web 3.0 als die nächste große Evolutionsstufe. Das Web 2.0 lebt davon, dass Nutzer nicht mehr nur konsumieren, sondern selbst als Content-Produzenten aktiv werden, also Fotos und Videos erstellen oder Texte schreiben. Um die Inhalte zu verbreiten, braucht es jedoch stets Mittelsmänner – also zum Beispiel soziale Netzwerke wie Facebook oder Youtube. Das Web 3.0 macht diese Intermediäre überflüssig und das Internet wieder dezentral. Statt den jeweiligen Plattformen sorgt die Blockchain-Technologie für die nötige Sicherheit und Transparenz.
Wallets
Jeder, der Kryptowährungen kaufen oder damit bezahlen möchte, braucht ein digitales Portemonnaie, eine Wallet. Darin lassen sich die digitalen Münzen sicher lagern. Es gibt verschiedene Arten von Wallets. Sogenannte Hot Wallets sind mit dem Internet verbunden und werden meist direkt von den Handelsplattformen angeboten. Das macht sie besonders für Einsteiger attraktiv. Web Wallets sind ebenfalls dauerhaft online, die Verwaltung übernimmt aber in der Regel ein Drittanbieter. Wer seine virtuellen Münzen besonders sicher speichern möchte, setzt auf Hardware Wallets. Das sind spezielle Geräte, die weder am Internet hängen noch permanent an einen PC angeschlossen sein müssen.
Isabell M. Welpe
Prof. Dr. Isabell M. Welpe ist seit 2009 Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München und seit 2014 Wissenschaftliche Leiterin des Bayerischen Staatsinstituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF).
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