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Ausblick 2025: Eine Welt der Kontraste

Salman Ahmed

Salman Ahmed - Global Head of Macro and Strategic Asset Allocation

Das Jahr 2025 steht im Zeichen der globalen Gegensätze: Der Politikwechsel in den USA, Chinas Reformagenda und Europas strukturelle Herausforderungen treiben die Weltwirtschaft in ganz unterschiedliche Richtungen. Immerhin sind einige große Entscheidungen gefallen.

In Kürze:

  • US-Wachstum mit Risiken: Der Politikwechsel in den USA bringt expansive Fiskalmaßnahmen und Zollerhöhungen mit sich. Das fördert kurzfristiges Wachstum, birgt aber langfristig Inflations-, Schulden- und Stagflationsrisiken.
  • Europas Wirtschaft ohne Kraft: Europa bleibt aufgrund möglicher US-Zölle, sinkender Exporte und politischer Unsicherheit belastet.
  • Chinas Wiederbelebungsversuch: Ein neues Konjunkturprogramm zielt auf ein nachhaltigeres Wirtschaftsmodell ab. Die schwache inländische Nachfrage dämpft jedoch weiterhin Chinas Wachstumsdynamik.

Der klare Wahlsieg der Republikaner in den USA hat die wirtschaftlichen Erwartungen für 2025 stark verändert. Bislang galt ein sanfter Konjunkturabschwung in den USA als wahrscheinlichstes Szenario. Stattdessen könnte nun eine Überhitzung der US-Wirtschaft bevorstehen. Sollte der neu gewählte Präsident Donald Trump seine protektionistischen Pläne umsetzen, könnte sich die Wirtschaft stärker abschotten und ihr Wachstum vor allem nach innen richten. Die Zeiten, in denen das außerordentliche Wirtschaftswachstum der USA als wichtige Stütze der Weltwirtschaft fungierte, wären dann vorbei.

Wir erwarten höhere US-Staatsausgaben bei gleichzeitigen Steuererleichterungen, da die inländische Wirtschaft angekurbelt werden soll. Die enorme Staatsverschuldung der USA bleibt damit ein langfristiger Trend. Wir gehen davon aus, dass die Staatsfinanzen bald an ihre Grenzen stoßen werden. Eine Inflation über dem Zielwert der US-Notenbank dürfte dabei das kleinere Übel sein, wenn zugleich die Schuldendynamik durch niedrigere Zinsen gebremst werden kann. 

Das Risiko einer US-Rezession wäre durch die Konjunkturmaßnahmen geringer, das Ende des Konjunkturzyklus würde sich nach hinten verschieben. Gleichzeitig könnte die Inflation in den USA Fahrt aufnehmen. Ein Szenario mit hohem nominalen Wachstum, das von einer höheren Inflation angetrieben und begleitet wird, bezeichnen Ökonomen als Reflation. Genau das ist unser neues Basisszenario für die USA im Jahr 2025.

Die anderen großen Wirtschaftsräume, allen voran Europa und China, müssen durch die neuen Herausforderungen der US-Handels- und Industriepolitik navigieren. Vor allem Zölle dürften ihr Wachstumspotenzial beeinträchtigen. Zugleich kann eine geringere Nachfrage aus den USA den Inflationsdruck in diesen Regionen verringern, wenn weniger Produkte und Dienstleistungen exportiert werden. Damit laufen dann die Inflationserwartungen weltweit auseinander. 

Neben den großen Unterschieden zwischen den Industriestaaten hinsichtlich Wachstumsaussichten, Inflationsentwicklung und Zinspolitik werden uns 2025 geopolitische Risiken beschäftigen. Wir beobachten insbesondere die anhaltenden Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten, da sie das makroökonomische Umfeld weiterhin herausfordern.

USA: Neues Wachstum, neue Inflation 

Eine expansive Fiskalpolitik und deutliche Zollerhöhungen dürften die Kernthemen der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump sein. Dabei übernimmt er eine Wirtschaft in einem soliden Zustand: Der Konsum ist intakt, die Bilanzen im privaten Sektor sind stabil und der Arbeitsmarkt hat sich zuletzt nur leicht abgekühlt. Das Risiko einer US-Rezession bleibt damit gering. Zugleich könnte der politische Kurs der neuen US-Regierung die zuletzt rückläufige Inflation bereits im zweiten Quartal 2025 wieder deutlich befeuern.

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Anmerkung: Die Prozentangaben zu den Szenarien spiegeln Wahrscheinlichkeiten wider. Die Inflationsrate ist am Kernindex der persönlichen Konsumausgaben in den USA gemessen worden. 
Quelle: Fidelity International, November 2024.

Wir gehen davon aus, dass die viel diskutierten Handelszölle (60 Prozent auf chinesische Produkte und 20 Prozent für den Rest der Welt) Höchstsätze darstellen, die als Ausgangspunkt für Verhandlungen dienen. Sie dürften das Mittel der Wahl der US-Regierung sein, um ihre protektionistischen Ziele möglichst umfassend durchzusetzen. Es ist gut möglich, dass die Zollsätze am Ende niedriger ausfallen. In jedem Fall könnten die Auswirkungen höherer Handelshemmnisse auf die Weltwirtschaft im Jahr 2025 erheblich sein.

In puncto Fiskalpolitik könnte Trump nicht nur sein Steuersenkungsgesetz (Tax Cuts and Jobs Act, TCJA) verlängern, sondern darüber hinaus weitere Senkungen beschließen. Das Haushaltsdefizit könnte damit im Jahr 2025 bemerkenswerte acht Prozent des BIP erreichen. Mit diesem hohen Schuldenstand wird zugleich das nominale BIP-Wachstum voraussichtlich deutlich über dem Trend liegen, sodass sich die Wirtschaftszahlen im Jahresverlauf verbessern. Die langfristige Tragfähigkeit dieser Maßnahmen ist jedoch fraglich. Insbesondere eine aggressive Zollpolitik würde in den kommenden Quartalen das Risiko einer Stagflation, also einer schrumpfenden Wirtschaft bei weiter steigender Inflation, steigern. Eine restriktive Immigrationspolitik würde diese Entwicklung womöglich noch beschleunigen.

Eine Rezession droht allerdings nur, wenn die US-Notenbank einem möglichen Inflationsschock mit weiteren Zinserhöhungen begegnet. Der Ziel-Zins für den aktuellen Lockerungszyklus liegt jedenfalls nach der Wahl bereits höher als erwartet. Bis zum Jahresbeginn 2025 dürften sich die Zinssenkungen fortsetzen. Danach werden die Auswirkungen von Handelszöllen, expansiver Fiskalpolitik und Immigrationsrestriktionen allmählich klarere Konturen bekommen.

Europa: Strukturelle Herausforderungen 

Seit 2023 wächst die Wirtschaft der Eurozone kaum noch. Sie hat mit verschiedenen zyklischen und strukturellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Für das Jahr 2025 rechnen wir mit einer wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung, wenn sinkende Inflationsraten und niedrigere Zinssätze die Investitionsbereitschaft von Unternehmen und das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken. Verbesserte Einkommensverhältnisse und günstige Kreditbedingungen dürften zudem dazu führen, dass die Menschen ihre Ersparnisse auflösen und so den Konsum ankurbeln.

Zugleich würden steigende US-Importzölle ein Risiko, insbesondere für den Automobilsektor, darstellen. Die daraus resultierende Handelsunsicherheit könnte das Wachstum in Europa um bis zu einem halben Prozentpunkt verringern. Besonders hart würde es Deutschland treffen, das wegen der vorgezogenen Neuwahlen im ersten Quartal ohnehin vor einer ungewissen Zukunft steht.

Wir erwarten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinssätze schnell bis auf zwei Prozent absenkt und dann bis Ende 2025 schrittweise auf 1,5 Prozent herabsetzt. Aggressivere US-Zölle könnten eine noch schnellere Zinssenkung notwendig machen. Vor dem Hintergrund möglicher Währungsschwächen gegenüber dem US-Dollar ist die EZB allerdings zur Vorsicht aufgerufen.

Trotz ähnlicher Herausforderungen hat Großbritannien die Eurozone 2024 in der Performance leicht übertroffen. Dieser Trend dürfte sich im Jahr 2025 noch verstärken, zumal der großzügige Haushalt der Labour-Regierung das Wachstum bereits ankurbelt. Die stark dienstleistungsorientierte britische Wirtschaft ist zudem weniger anfällig für die Risiken möglicher Handelskonflikte. Angesichts stabiler Löhne, einer weniger restriktiven Fiskalpolitik, einem engen Arbeitsmarkt und steigendem Wachstum rechnen wir damit, dass die Bank of England im aktuellen Zinszyklus langsamer vorgehen wird als die EZB.

China: Konjunkturpaket mit Fragezeichen 

China strebt ein nachhaltigeres Wachstumsmodell mit etwas niedrigeren Wachstumsraten an. Der Fokus liegt auf dem Inlandskonsum und der Herstellung hochwertiger Produkte. Bei diesen Bestrebungen gab es zuletzt klare Fortschritte, aber auch Herausforderungen. Einen entscheidenden Einschnitt markierte das umfassende Maßnahmenpaket, das Chinas Staatsführung im Herbst 2024 verkündet hat. Es zielt darauf ab, Hindernisse zu beseitigen, die die inländische Nachfrage dämpfen: den schwächelnden Immobiliensektor, die Schulden lokaler Regierungen, den trägen Aktienmarkt und fehlendes Verbrauchervertrauen. Nun richten sich alle Blicke auf die Umsetzung der weitreichenden Initiativen. 

 

China: Mehr geldpolitische Unterstützung in Aussicht

Quelle: Bloomberg, Fidelity International, November 2024. 

Ob China seine Wachstumsziele erreichen kann, wenn die USA den für die Unternehmen so wichtigen Absatzmarkt mit hohen Zöllen belasten, bleibt vorerst offen. Unterdessen wächst der chinesische Fertigungssektor und entwickelt sich vor allem in neuen und aufstrebenden Branchen stetig weiter. Steigende Investitionen und eine wachsende weltweite Nachfrage sind dabei die zentralen Treiber. Der inländische Konsum bleibt hingegen weiterhin schwach. Selbst wenn politische Maßnahmen den Immobiliensektor stabilisieren, ist unter diesen Voraussetzungen im Jahr 2025 keine Rückkehr zur alten Wachstumsstärke zu erwarten. Vielmehr dürfte sich Chinas Wachstum auf einem niedrigeren Niveau einpendeln. Wie üblich wird es bis weit ins Jahr hinein dauern, bis Chinas Staatsspitze ihr offizielles Wachstumsziel für 2025 bekannt gibt. Der Marktkonsens deutet auf ein Wachstum von weniger als fünf Prozent hin – selbst mit den Impulsen der Konjunkturmaßnahmen. 

Neue Wachstumstreiber werden an Bedeutung gewinnen und politischen Rückenwind erhalten: Der Urbanisierungsschub dürfte mit dem Ausbau der Infrastruktur und einer besseren Vernetzung zwischen Städten einhergehen. Im Rahmen der Energiewende werden Anreize geschaffen, um Energie einzusparen. Das reicht von Haushaltsgeräten bis hin zu Elektrofahrzeugen. Gleichzeitig könnte Chinas Staatsführung verstärkt daran arbeiten, die Schuldenlast lokaler Regierungen zu reduzieren, um ihnen mehr Spielraum für die Unterstützung privater Haushalte zu geben.

Das jüngste chinesische Maßnahmenpaket dürfte sich unterschiedlich auf die Volkswirtschaften der umliegenden Regionen auswirken. Einige Schwellenländer werden stärker von günstigen und hochwertigen Importen aus China profitieren. Bleiben die politischen Lockerungen für die heimische Wirtschaft moderat, könnten Exporte aus China deflationär wirken, also den globalen Preisdruck reduzieren. Sollten zusätzliche US-Zölle kommen, werden chinesische Unternehmen erfahrungsgemäß flexibel reagieren und die Auswirkungen auf ihre Gewinne abfedern können. Entscheidend für Chinas wirtschaftliche Entwicklung im Jahr 2025 wird letztlich die konkrete Ausgestaltung der jüngst beschlossenen makroökonomischen Stabilisierungspolitik sein.

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Stand, soweit nicht anders angegeben: November 2024. MK16628