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Das Ende der Globalisierung: Wiedervorlage 2023

Henk-Jan Rikkerink

Henk-Jan Rikkerink - Global Head of Solutions and Multi Asset

2023 wird erneut im Zeichen der Deglobalisierung stehen. Das bedeutet: Unternehmen in West und Ost gestalten ihre Lieferketten neu. Der globale Handel schrumpft. Rund um die Zentren USA und China entstehen neue konkurrierende Handelsblöcke.

Die jüngsten Daten der Welthandelsorganisation WTO zeigen deutlich: Der Welthandel steht unter Druck.Nachdem gleich mehrere Krisen die Weltwirtschaft belasten, wird das globale Warenhandelsvolumen, das sich schon im zweiten Halbjahr 2022 deutlich abgekühlt hat, bloß noch um ein Prozent zunehmen. Das ist nicht nur ein deutlicher Rückgang gegenüber der vorherigen Schätzung von 3,4 Prozent, sondern auch ein Zeichen für eine strukturelle Veränderung im Welthandel. Denn der wächst nach WTO-Prognosen im Jahr 2023 deutlich schwächer als das weltweite Bruttoinlandsprodukt, das um 2,3 Prozent steigen soll. Anders gesagt: Die Globalisierung geht zurück.

Wir betrachten die Deglobalisierung inzwischen als strukturellen Trend, der mit dem sogenannten Reshoring einhergeht, also dem Versuch von Unternehmen, die notwendigen Rohstoffe und Vorprodukte für ihre Produktion wieder verstärkt in ihrer Nähe zu beschaffen, statt sie in weiter Ferne einzukaufen. Diese Tendenz wird im Jahr 2023 anhalten.

China leidet unter Handelsrückgang

Eine Schlüsselrolle kommt dabei China zu. Das Land befindet sich in einer Übergangsphase, und wir gehen davon aus, dass sich eine allmähliche Zweiteilung zwischen China und dem Westen fortsetzen wird. Während dies zu einer wirtschaftlichen Belastung für China werden dürfte, wird die Umstrukturierung der Lieferketten für andere Länder ganz unterschiedliche Auswirkungen haben und Gewinner und Verlierer produzieren. Chancen sehen wir insbesondere für Kanada, Mexiko und einige lateinamerikanische Volkswirtschaften sowie für Thailand und Vietnam.

Ein Grund dafür ist, dass die Handelsgroßmacht USA ihre Beziehungen zu China nach und nach auflöst. Im Gegenzug steigt der Anteil des Handelsvolumens unter anderem für Kanada, Mexiko und Vietnam.

 

Die US-Handelsbeziehungen verschieben sich – weg von China, hin nach Kanada, Mexiko, Vietnam

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Quelle: Fidelity International, US Census Bureau, Stand: August 2022

Im Osten verschieben sich die Gewichte gegenläufig: So sind die Halbleiter- und Elektronik-Exporte Chinas in die USA stark auf dem Rückzug, nicht zuletzt wegen erheblicher Sanktionen und anderer Handelshemmnisse. Umgekehrt sind zum Beispiel die Exporte Indonesiens nach China jüngst stark gestiegen. Auch hier setzt sich der Trend zur Regionalisierung der Handelsströme fort. In Bezug auf China kommt noch ein Faktor hinzu: Die politischen Entscheidungsträger in dem Land sind derzeit dabei, sich auf die Wiederbelebung der Wirtschaft zu konzentrieren, die durch die Pandemie und zunehmende Spannungen mit den USA gelitten hatte. Die Deglobalisierung wird hier eine Zeit brauchen, um sich durchzusetzen, ist aber ein Thema, dessen Bedeutung weiter zunehmen wird.

 

Indonesien: Der Austausch mit China wächst deutlich

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Quelle: Bloomberg, Stand: Oktober 2022. 2018=100

Zäsur für die Weltwirtschaft

Der Umschwung weg von der weiteren Globalisierung stellt für die Weltwirtschaft eine Zäsur dar – denn der enorme Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen, die Internationalisierung der Lieferketten und das daraus resultierende Wachstum des Handelsvolumens waren herausragende wirtschaftliche Konstanten der vergangenen vier Jahrzehnte. Mit Chinas Eintritt in die WTO im Jahr 2001 war die Welt in eine Phase der Hyperglobalisierung eingetreten, die erst endete, als die Covid-Pandemie begann, die die Lieferketten im Jahr 2020 zusammenbrechen ließ.

Fazit

Wenn im Jahr 2023, im Anschluss an die Pandemie, eine strukturelle Neuordnung mit weniger weltweiten Handelsbeziehungen beginnt, wird das viele noch nicht absehbare Folgen haben. Eine scheint sich schon abzuzeichnen: Mit der Deglobalisierung dürften sich die Preise vieler Welthandelsgüter erhöhen – sie wirkt also inflationär. Zugleich können Anleger durchaus auch von den neuen Handelsbeziehungen profitieren – wenn die auf die neuen präferierten Handelspartner setzen.

 

1 https://www.wto.org/english/news_e/pres22_e/pr909_e.pdf

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